Auslauffrist bei außerordentlicher verhaltensbedingter Kündigung. Geht das? Copyright by fotoak80 / Fotolia
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Der Kläger war bei der Bundeswehr als Hausmeister beschäftigt. Er war Mitglied einer rechtsextremen Kameradschaft. An mehreren Veranstaltungen der rechten Szene war er beteiligt. In den sozialen Medien hatte er sich zustimmend zu rechtsextremen Inhalten geäußert. Als dies seiner Arbeitgeberin, dem Bundesministerium für Verteidigung bekannt wurde, erhielt er im Dezember 2018 die außerordentliche fristlose Kündigung. Im Januar 2019 wurde eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist zum 30. September 2019 ausgesprochen.

Kündigung grundsätzlich gerechtfertigt

In seiner Entscheidung vom 17.7.2019 kam das Arbeitsgericht Berlin zu dem Ergebnis, das die zweite Kündigung, in Ansehung des über 30 Jahre bestehenden Arbeitsverhältnisses und des Lebensalters des altersgeschützten Mitarbeiters, nur mit sozialer Auslauffrist gerechtfertigt sei. Da bisher nur eine recht dürftige Pressemitteilung des Berliner Arbeitsgerichts vorliegt, darf man auf die vollständige Begründung der Entscheidung gespannt sein. Sollte der Kläger das Rechtsmittel der Berufung einlegen, werden wir über den weiteren Verlauf der Sache berichten.

 

Hier geht es zur Pressemitteilung des Arbeitsgerichts Berlin, Urteil vom 17.07.2019 - 60 Ca 455/19

Das sagen wir dazu:

Auslauffrist bei außerordentlicher verhaltensbedingter Kündigung?


Außerordentliche Kündigungen werden meist fristlos ausgesprochen Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) können Auslauffristen nicht nur bei außerordentlichen betriebs- oder personenbedingten, sondern auch bei außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigungen gewährt werden (BAG, Urteil vom 13.5.2015, Az: 2 AZR 531/14).

Diese Rechtsansicht ist jedoch fragwürdig. Denn wenn Auslauffristen mit einer außerordentlichen verhaltensbedingten Gründen kombiniert werden können, dann wäre das eine widersprüchliche „fristlose Kündigung mit Fristgewährung“.

Nach Auffassung des Autors hat des Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg 2014
zu Recht befunden, dass eine verhaltensbedingte außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist nicht zulässig sei.

Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BAG kam das LAG zu dem Ergebnis, dass eine verhaltensbedingte, außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist gegenüber tariflich altersgesicherten Mitarbeitern nicht in Betracht komme. Denn eine solche Kündigung würde die kündigungsrechtlichen Grenzen zwischen kündbaren und geschützten Arbeitnehmern verwischen und letztlich im Ergebnis die tariflich geschützten Arbeitnehmer den ungeschützten gleichstellen.

Alterskündigungsschutz durch BAG ausgehebelt?


Wer nun meinte, dass das BAG die LAG-Entscheidung bestätigen würde, musste sich verwundert die Augen reiben, als der 2. Senat des BAG mit Urteil vom 13. Mai 2015, zu der Erkenntnis kam, dass auch bei einer außerordentlichen Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen eine Auslauffrist gewährt werden kann.

Aus der Sicht eines verständigen Arbeitgebers, so das BAG, sei die Frage der Zumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung im Rahmen einer Auslauffrist zu beurteilen. Der Arbeitgeber, der sich für eine außerordentlichen Kündigung entscheide, könne durchaus eine Auslauffrist einräumen, zum Beispiel aus sozialen Gründen oder weil er keine Ersatzkraft finde.

Wenn man weiß, dass Grundvoraussetzung die Erfüllung der in § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) genannten Tatbestandsmerkmale sind, die wie folgt lauten:

„Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.“

So ist es schlichtweg nicht nachvollziehbar, dass bei einer verhaltensbedingten außerordentlichen Kündigung eine Auslauffrist möglich sein soll, die der arbeits- oder tarifvertraglichen ordentlichen Kündigungsfrist entspricht.

Durch die BAG-Entscheidung aus dem Jahr 2015 kann schlichtweg der arbeits- oder tarifvertragliche Alterskündigungsschutz ausgehebelt werden.

Liegen Gründe i.S. des § 626 Abs. 1 BGB vor, dann endet das Arbeitsverhältnis fristlos und kann nicht noch über Monate fortbestehen, obwohl eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses eigentlich dem Kündigenden nicht mehr zuzumuten ist.

Reichen die verhaltensbedingten Gründe für eine außerordentliche Kündigung nicht aus, dann besteht das nicht mehr ordentlich kündbare Arbeitsverhältnis fort!  


Link zum Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 25.6.2014 – Az: 4 Sa 35/14:
Link zum Urteil des Bundesarbeitsgerichte vom 13.5.2015 - 2 AZR 531/14
Für Interessierte „Keine verhaltensbedingte außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist möglich!“: