Berät der Betriebsrat über eine Kündigung, muss der Arbeitgeber im zuvor alle notwendigen Informationen zukommen lassen. © Adobe Stock: Jacob Lund
Berät der Betriebsrat über eine Kündigung, muss der Arbeitgeber im zuvor alle notwendigen Informationen zukommen lassen. © Adobe Stock: Jacob Lund

Vor dem Ausspruch einer jeden Kündigung muss der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört werden, so bestimmt es das Betriebsverfassungsgesetz. Für Arbeitgeber hängt von diesem Punkt viel ab, denn die ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats ist eine Voraussetzung für eine wirksame Kündigung. Heißt: Entdeckt das Arbeitsgericht im Kündigungsschutzverfahren auch nur kleinste Fehler im Rahmen der Betriebsratsanhörung, gilt die Anhörung als nicht ordnungsgemäß. Für Arbeitnehmer*innen bietet sich hier eine gute Chance, gerichtlich die Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung zu erhalten.

 

Strenger Blick auf die Betriebsratsanhörung kann sich lohnen

 

Insofern sollten Beschäftigte mit ihren Prozessvertretern in einem Kündigungsschutzverfahren ein besonderes Augenmerk auf mögliche Fehler bei der Betriebsratsbeteiligung legen. Dies führte für eine Klägerin vor dem Arbeitsgericht Berlin zum Erfolg. Der Arbeitgeber hatte dem Betriebsrat unzureichend über die Kündigungsumstände informiert, indem er dem Betriebsrat irreführende und auch unvollständige Informationen zur Verfügung stellte.

 

Die Klägerin war Mitarbeiterin in einer Sicherheitsfirma und erhielt von ihrem Arbeitgeber eine verhaltensbedingte Kündigung. Mehrere Verspätungen sollten der Grund hierfür gewesen seien. Aus Sicht des Arbeitgebers war die Klägerin am 23. Februar und am 4. April 2022 zu spät zum Dienst erschienen. Hierfür wurde sie jeweils abgemahnt. Am 12. und am 15. April war die Klägerin aus Sicht der Beklagten erneut zu spät zum Dienst erschienen. Mit Schreiben vom 20. April 2022 mahnte die Beklagte die Verspätung der Klägerin vom 12. April ab. Insgesamt erhielt die Klägerin drei Abmahnungen. Damit war das Fass für den Arbeitgeber voll und er entschied, die Klägerin zu kündigen.

 

In dem darauffolgenden Anhörungsschreiben an den Betriebsrat teilte der Arbeitgeber diesem mit, dass die Klägerin bereits drei Abmahnungen wegen Verspätungen am 23. Februar 2022, 4. April 2022 und am 12. April 2022 erhalten habe und am 15. April 2022 erneut verspätet zum Dienst erschienen sei. In einem daraufhin anberaumten Personalgespräch sei die Klägerin zudem „uneinsichtig“ gewesen.

 

Arbeitgeber muss Betriebsrat umfassend und korrekt informieren

 

Was der Arbeitgeber dem Betriebsrat nicht mitteilte war, dass die Abmahnung für die Verspätung am 12. April 2022 erst am 20. April 2022 erfolgte und damit nach dem Vorfall, der zur Kündigung führte. Ebenso informierte der Arbeitgeber dem Betriebsrat nicht über das Vorbringen der Klägerin, dass diese an einem der Daten die kurzfristige Verlegung des Dienstbeginns von 6 Uhr auf 5:30 Uhr für unwirksam hielt und an einem weiteren Datum der Einsatzleitung vor Schichtbeginn mitgeteilt habe, dass sie sich aus gesundheitlichen Gründen verspäten würde.

 

Das Arbeitsgericht Berlin kassierte die Kündigung und befand sie für unwirksam. Zu einer ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung gehöre es nach Ansicht des Gerichts, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Umstände mitteilt, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben. Dem komme er dann schon nicht nach, wenn er schon aus seiner eigenen Sicht der Betriebsrat einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt darstellt. Der Betriebsrat sei vielmehr umfassend über alle kündigungsrelevanten Umstände zu informieren. Dazu gehören sowohl die belastenden Tatsachen als auch entlastendes Vorbringen von Arbeitnehmern.

 

Bereits die zeitliche Abfolge der Abmahnungen sei irreführend dargestellt. Nach der Darstellung des Arbeitgebers musste der Betriebsrat davon ausgehen, dass die Klägerin vor ihrer Verspätung am 15. April 2022 bereits eine dritte Abmahnung für den 12. April 2022 erhalten hatte.

 

Unterrichtungspflicht umfasst auch für Arbeitnehmer entlastende Umstände

 

Dem Einwand des Arbeitgebers, dass dem Betriebsrat die Abmahnungen als Anlage zum Anhörungsschreiben beigelegen haben, folgt das Arbeitsgericht nicht. Es sei nicht Aufgabe des Betriebsrats den Vortrag des Arbeitgebers zu strukturieren und eventuelle Daten zu analysieren und in die richtige Reihenfolge zu bringen. Dies sei vielmehr Aufgabe des Arbeitgebers im Rahmen der Verpflichtung, den Betriebsrat vollständig zu unterrichten.

 

Ebenso hätte der Arbeitgeber dem Betriebsrat auch Umstände mitteilen müssen, die die Arbeitnehmerin entlasten. Zwar mag der Arbeitgeber diesem Vorbringen nicht glauben und es möglicherweise auch für falsch halten, dies entbinde ihn jedoch nicht von der Pflicht, diese Umstände dem Betriebsrat zumindest mitzuteilen, damit dieser sich ein eigenes Bild vom Sachverhalt machen kann.

Der Arbeitgeber wäre nach Ansicht des Gerichts dazu verpflichtet gewesen, dem Betriebsrat mitzuteilen, dass die Klägerin die Vorverlegung ihres Dienstbeginnes für unwirksam hielt. Ebenso darüber, dass sie hinsichtlich einer anderen Verspätung die Einsatzleitung vor Schichtbeginn über ihre Verspätung informiert hatte.

 

Zudem reiche es nicht aus den Angaben der Klägerin im Personalgespräch als „uneinsichtig“ zu bewerten, ohne zu nennen, wo dieser Eindruck herrühre. Vielmehr hätte dem Betriebsrat mitgeteilt werden müssen, was die Klägerin konkret gesagt hat und warum dies nur aus Sicht des Arbeitgebers Ausdruck von Uneinsichtigkeit sei.

 

Hier geht es zum Urteil des Arbeitsgerichts Berlin.