Beleidigt der Ehemann einer Arbeitnehmerin in einem Telefonat die Vorgesetzte seiner Frau, rechtfertigt dies in aller Regel keine Kündigung. Verursacht die Vorgesetzte den Streit, indem sie betriebsverfasssungswidrig in die Urlaubsplanung eingreift, kann dies zugunsten der Arbeitnehmerin zu berücksichtigen sein.

Der Fall:

Die Klägerin arbeitet als Altenpflegerin im Betrieb des Beklagten in der ambulanten Pflege. Ihre Vorgesetzte ist die Teamleiterin F., die auch die Dienstpläne des Pflegepersonals festlegt. Im Betrieb des Beklagten besteht ein Betriebsrat.

Es kam zwischen der Klägerin und F. zum Streit über den Dienstplan der Monate Juni und Juli 2012, in denen die Klägerin Urlaub nehmen wollte. Erst nach Aushang des Dienstplans änderte die Teamleiterin Frau F. den Dienstplan ohne Rücksprache mit der Klägerin oder dem Betriebsrat. Die Spätdienste der Mitarbeiterin K. wurden auf die Klägerin übertragen.

Am 18.6.2012 rief die Klägerin ihre Vorgesetzte deswegen im Beisein ihres Ehemannes an. Dieser schaltete sich ebenfalls in das Gespräch ein. Der Inhalt des Telefonats ist streitig. Die Teamleiterin F. gibt an, der Ehemann habe geäußert, dass seine Frau durch Frau F. gemobbt werde. Er habe die Arbeitnehmerin K. als »bescheuert« bezeichnet, die durch die Planänderung aus privaten Gründen zehn Tage am Stück frei bekommen habe.

Er habe gesagt: »Ich fahre jetzt in den H. und haue der F. eins auf die Fresse.« H. bezeichnet den Arbeitsort von Frau F., Frau K. und der Klägerin. Mit Schreiben vom 12. Juli 2012 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgemäß und verhaltensbedingt zum 30.11.2012. Er stützte sich vorrangig auf die Beleidigungen von F. und K. durch den Ehegatten, die sich die Klägerin zu eigen gemacht habe.

Das ArbG Neuruppin gab der Kündigungsschutzklage der Altenpflegerin statt.



Die Entscheidung:

Das LAG Berlin-Brandenburg wies die Berufung der Arbeitgeberin zurück. Das LAG bestätigte die Auffassung des ArbG, dass die Äußerungen ihres Ehemanns der Klägerin nicht zurechenbar seien, dieser sei nicht als ihr »Sprachrohr« aufgetreten.

Die Klägerin habe, auch wenn man die streitigen Behauptungen der Beklagten als wahr unterstellt, keinen Pflichtenverstoß begangen, der eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen würde. Selbst wenn die Klägerin die Äußerungen ihres Ehemanns hätte vorhersehen oder unterbinden können, gebe es keine Gründe zu bezweifeln, dass eine Abmahnung an die Klägerin ausgereicht hätte, um solche Vorfälle in Zukunft zu verhindern.

Aber auch wenn das Fehlverhalten der Klägerin so gravierend gewesen wäre, dass eine Abmahnung entbehrlich gewesen wäre, wäre die bei der Kündigung vorzunehmende Interessenabwägung zugunsten der Arbeitnehmerin ausgegangen. Denn das streitige Telefonat war eindeutig durch ein Fehlverhalten des Beklagten veranlasst, die den bereits mitgeteilten Dienstplan der Klägerin im Juni und Juli einseitig verändert hatte.



Zudem wäre die Klägerin nicht einmal verpflichtet gewesen, dem ohne Mitbestimmung geänderten Dienstplan Folge zu leisten. Denn der Beklagte hat zu dieser Dienstplanänderung auch nicht um die Zustimmung des Betriebsrats ersucht. Die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ist aber Voraussetzung für die Wirksamkeit von Anordnungen über Beginn und Ende der Arbeitszeit und die Verteilung auf die einzelnen Wochentage (ständige Rspr. des BAG, vgl. Beschluss vom 22. Juni 2010 - 1 AZR 853/08).

 

Das Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 05.04.2013, 10 Sa 2339/12