Wer eine betriebsbedingte Kündigung ausspricht, kann daraus keine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund machen. Copyright by Adobe Stock/metamorworks
Wer eine betriebsbedingte Kündigung ausspricht, kann daraus keine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund machen. Copyright by Adobe Stock/metamorworks

Mit seinen 62 Jahren war der Kläger nicht mehr ordentlich kündbar. Das sah der anwendbare Tarifvertrag vor. Bei einer Betriebszugehörigkeit von mehr als zehn Jahren durfte der Arbeitgeber seine älteren Beschäftigten nur noch aus wichtigem Grund entlassen.
 

Der Arbeitgeber berief sich auf Auftragsmangel

Dennoch sprach der Arbeitgeber eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung aus. Er verwies auf einen Auftragsmangel und einen damit einhergehenden Umsatzverlust. Er habe vor, die Fachgruppe „Materialentwicklung“, für die der Kläger zuständig sei, kurzfristig in die Konzernzentrale nach China zu verlegen.
 
Das hielt schon der Betriebsrat für unzulässig. Er widersprach der Kündigung. Zwischen Betriebsrat und Unternehmensleitung sei eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen, wonach während der damals herrschenden Kurzarbeit betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen seien. Der Arbeitgeber dürfe dem Kläger deshalb aus betriebsbedingten Gründen nicht kündigen.
 

Der DGB Rechtsschutz hielt Kündigung aus zwei Gründen für unwirksam

Im Kündigungsschutzprozess vor dem Arbeitsgericht Saarland pochten die Jurist*innen des DGB Rechtsschutzbüros Saarbrücken auf beide Gesichtspunkte: Zum einen auf die altersbedingte Unkündbarkeit des Klägers und zum anderen auf die Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit. Ersterer überzeuge das Gericht.
 
Die ordentliche Kündigung sei schon wegen des tariflichen Kündigungsverbotes älterer Arbeitnehmer*innen nicht zulässig. Der Kläger sei über 55 Jahre alt und habe mehr als zehn Jahre im Betrieb gearbeitet. Nach dem Tarifvertrag könne der Arbeitgeber ihm deshalb nur noch aus wichtigem Grund kündigen, so das Arbeitsgericht.
 

Der Arbeitgeber brachte nur betriebsbedingte Gründe vor

Einen wichtigen Grund habe der Arbeitgeber mit der Kündigung aber nicht vorgebracht. Er habe die Kündigung ausdrücklich auf betriebsbedingte Gründe gestützt.
 
Zwar habe die Beklagte darauf hingewiesen, dass die Beschäftigungsmöglichkeit des Klägers wegfallen würde, wenn sie die entsprechende Abteilung nach China verlegt habe. Die Verlagerung der Materialentwicklung stelle damit einen wichtigen Grund dar, der auch nach dem Tarifvertrag berechtige, ältere Arbeitnehmer*innen zu kündigen.
 

Auf die Formulierung kommt es an

Dem stimmte das Gericht grundsätzlich zu. Allerdings habe die Beklagte eine solche Kündigung nicht ausgesprochen. Sie habe ausdrücklich das Rechtsinstrument einer fristgemäßen betriebsbedingten Kündigung gewählt. Das sei die falsche Kündigungsform. Daran müssen sich die Beklagte festhalten lassen.
 
Diese falsche Kündigung sei wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig. Auch Tarifverträge könnten gesetzliche Verbote aussprechen. Dazu bedürfe es keines formalen Gesetzes. Auch Rechtsverordnungen und autonome Satzungen wie Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen zählten dazu.
 

Die Kündigung war nichtig

Ob eine Kündigung aus wichtigem Grund wirksam gewesen wäre, musste das Gericht nicht entscheiden. Der Arbeitgeber habe eine solche Kündigung nicht ausgesprochen. Das Gericht dürfe die ordentliche betriebsbedingte Kündigung nicht in eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund umdeuten.
 
Das lasse das Gesetz nämlich nur bei einem Erst-Recht-Schluss vom Größeren in das Geringere zu. Eine fristlose Kündigung kann damit durchaus in eine fristgemäße Kündigung umgedeutet werden, nicht jedoch umgekehrt.
 
Der Arbeitgeber habe mit der Kündigung gegen ein Kündigungsverbot verstoßen. Die ordentliche Kündigung sei deswegen nichtig. Sie beende das Arbeitsverhältnis nicht. Die Beklagte müsse den Kläger weiter beschäftigen.


Hier geht es zum Urteil

Rechtliche Grundlagen

§ 134 BGB, § 140 BGB

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 134 Gesetzliches Verbot
Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 140 Umdeutung
Entspricht ein nichtiges Rechtsgeschäft den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts, so gilt das letztere, wenn anzunehmen ist, dass dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde.