Die Bestimmung im deutschen Arbeitsrecht, wonach Beschäftigungszeiten vor dem 25. Lebensjahr nicht auf die jeweiligen Kündigungsfristen angerechnet werden, ist europarechtswidrig und damit unwirksam, entschied der Europäische Gerichtshof am 19. Januar. Die Richter wiesen die deutschen Gerichte an, diese Klausel nicht mehr anzuwenden. Das bedeutet, dass unabhängig davon, ob und wann die Bundesregierung das Arbeitsrecht ändert, sich nun jeder in einem Rechtsstreit auf das EuGH-Urteil berufen kann. Die Entscheidung wird auch Auswirkungen auf viele geltenden Tarifverträge haben.
Geklagt hatte eine 28-jährige Düsseldorferin, die seit ihrem 18. Lebensjahr in einer Essener Firma gearbeitet hatte und nach zehn Jahren mit einer Kündigungsfrist von lediglich einem Monat entlassen worden war. Denn der Arbeitgeber berücksichtigte nur die drei Jahre der Betriebszugehörigkeit, die nach ihrem 25. Lebensjahr lagen. Hätte er die gesamte Zeit der Betriebszugehörigkeit berücksichtigt, hätte der Klägerin eine Kündigungsfrist von vier Monaten zugestanden. Damit erklärte sich die junge Frau nicht einverstanden und ging vor Gericht, das den Fall zur Überprüfung der deutschen Kündigungsregelungen an den Europäischen Gerichtshof weiterleitete. Die Luxemburger Richter sahen im betreffenden § 622 Abs. 2 S. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches über Kündigungsfristen in Deutschland eine laut EU-Recht verbotene Diskriminierung wegen Alters. Eine solche Ungleichbehandlung sei aber gegeben, wenn Beschäftigungszeiten vor dem 25. Lebensjahr bei der Festlegung von Kündigungsfristen nicht berücksichtigt werden. Auch die Begründung deutscher Gerichte hinsichtlich dieser Regelung, jüngere Arbeitnehmer seien beruflich und persönlich mobiler und könnten sich schneller eine neue Beschäftigung suchen, verwarf das EuGH. In Zeiten hoher Jugendarbeitslosigkeit erschwerten kürzere Kündigungsfristen die Suche nach neuer Beschäftigung.