Einen unliebsamen Ex-BR-Vorsitzenden einfach mal so raus zu kicken geht nicht. Copyright by Adpbe Stock/jirsak
Einen unliebsamen Ex-BR-Vorsitzenden einfach mal so raus zu kicken geht nicht. Copyright by Adpbe Stock/jirsak

Marco Veeck, Jurist im Mainzer Büro der DGB Rechtsschutz GmbH, vertrat den ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden, der auf Veranlassung seiner früheren Betriebsratskollegen eine Kündigung erhalten sollte. Der Antrag des Betriebsratsgremiums scheiterte jedoch vor dem Arbeitsgericht. Der frühere BR-Vorsitzende kann nun weiter arbeiten.
 

Ein Verfahren dieser Art ist nicht gerade üblich

Zugegeben, ein Verfahren dieser Art ist nicht gerade üblich. Der Betriebsrat verlangte vom Arbeitgeber, den früheren Betriebsratsvorsitzenden fristlos zu entlassen. Auch mit einer fristgemäßen Kündigung wäre man durchaus einverstanden gewesen.
 
Dafür gibt es im Betriebsverfassungsrecht eine ganz besondere Vorschrift, § 104 BetrVG. Der Betriebsrat kann danach verlangen, dass ein*e Arbeitnehmer*in entlassen oder versetzt wird, wenn er*sie sich gesetzwidrig verhalten oder seine*ihre Pflichten grob verletzt hat. Das gilt insbesondere, wenn er sich rassistisch oder fremdenfeindlich äußert. Aber auch, wenn der*die Arbeitnehmer*in den Betriebsfrieden ernstlich stört, kann der Betriebsrat das fordern.
 

Der Betriebsrat warf seinem ehemaligen Vorsitzenden vor, den Betriebsfrieden erheblich gestört zu haben

Seinem ehemaligen Vorsitzenden warf der Betriebsrat vor, er habe den Betriebsfrieden erheblich gestört, so dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihm nicht mehr möglich sei. Nach seinem Ausscheiden aus dem Betriebsrat habe er vertrauliche Informationen weitergegeben. Diese sollen einen anderen Mitarbeiter des Unternehmens und dessen Wunsch betroffen haben, den Arbeitgeber zu wechseln.
 
Dem Kollegen wurde außerdem im Laufe des Verfahrens vorgeworfen, er habe rückwirkend eine Prämie eingeführt. Dabei habe er das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nicht beachtet. Schließlich seien von ihm falsche Verdächtigungen ausgesprochen worden, als er darauf hingewiesen habe, der aktuelle BR-Vorsitzende und dessen Stellvertreter hätten sich strafbar gemacht.
 

Das Arbeitsgericht lehnte den Wunsch des Betriebsrates auf fristlose Kündigung seines früheren Vorsitzenden bereits aus Rechtsgründen ab

Das Arbeitsgericht lehnte den Wunsch des Betriebsrates auf fristlose Entlassung seines früheren Vorsitzenden bereits aus Rechtsgründen ab. Der Betriebsrat habe nämlich überhaupt kein Recht dazu, eine fristlose Kündigung zu verlangen. Es käme allenfalls eine fristgemäße Kündigung des Arbeitgebers in Betracht. Das Gericht stützt sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.
 
Nach dieser Rechtsprechung sei der Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitnehmer zu „entlassen“, wenn die Voraussetzungen des § 104 BetrVG vorlägen. Ob die Gründe zugleich für eine fristlose Kündigung reichten, sei ohne Belang.
 
Der Arbeitgeber genüge seiner Pflicht, den Arbeitnehmer zu „entlassen“ schon dann, wenn er das Arbeitsverhältnis zeitnah beende. Mit „Entlassung“ meine das Gesetz allein eine fristgerechte Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
 

Der Betriebsrat hatte vorliegend auch keinen Anspruch darauf, das Arbeitsverhältnis fristgemäß zu kündigen

Jedoch habe der Betriebsrat vorliegend auch keinen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit dem ehemaligen BR-Vorsitzenden fristgemäß kündige.
 
Der Mitarbeiter habe nämlich keine vertraulichen Informationen verbreitet. Im Verfahren stellte sich heraus, ein anderer Arbeitskollege habe zwar geäußert, das Unternehmen verlassen zu wollen. Das sei betriebsintern aber schon bekannt gewesen. Damit habe der frühere Betriebsratsvorsitzende keine vertrauliche Informationen verbreitet.
 

Die weiteren Vorwürfe sind erst im Laufe des Verfahrens vorgetragen worden

Die weiteren Vorwürfe seien vom Betriebsrat erst im Laufe des Verfahrens vorgetragen worden. Es handele sich dabei um den Fall, in welchem die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates missachtet worden sein sollen. Des Weiteren ging es um die Aussage, wonach dem jetzigen Vorsitzenden des Betriebsrates sowie dessen Stellvertreter strafbares Handeln vorgeworden worden sei.
 
Das Gericht führt dazu aus, dass diese Gründe nicht beachtet werden müssten, denn dazu habe es noch gar keinen Beschluss des Betriebsrates gegeben.
 

Bevor die Entlassung eines Arbeitnehmers verlangt werden kann ,muss der Betriebsrat einen Beschluss fassen

Bevor die Entlassung eines Arbeitnehmers verlangt werden könne, müsse der Betriebsrat nämlich darüber einen Beschluss fassen, den der Arbeitgeber anschließend prüfen müsse. Der Betriebsrat habe zwar schon einen Beschluss gefasst. Allerdings umfasse dieser Beschluss nicht die neu vorgetragenen Gründe. Damit sei der Beschluss inhaltlich geändert worden.
 
Das Gericht müsse daher über diese neuen, nachträglich ins Verfahren eingeführten Gründe nicht mehr entscheiden. Dem Antrag des Betriebsrates gab das Gericht deshalb nicht statt  - ein schöner Erfolg für den früheren Vorsitzenden des Betriebsrates, der dort aus welchen Gründen auch immer offensichtlich in Ungnade gefallen war.

BAG, Urteil vom 28. März 2017

ArbG, Mainz vom 3. März 2020

Rechtliche Grundlagen

§ 104 BetrVG

Betriebsverfassungsgesetz
§ 104 Entfernung betriebsstörender Arbeitnehmer

Hat ein Arbeitnehmer durch gesetzwidriges Verhalten oder durch grobe Verletzung der in § 75 Abs. 1 enthaltenen Grundsätze, insbesondere durch rassistische oder fremdenfeindliche Betätigungen, den Betriebsfrieden wiederholt ernstlich gestört, so kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber die Entlassung oder Versetzung verlangen. Gibt das Arbeitsgericht einem Antrag des Betriebsrats statt, dem Arbeitgeber aufzugeben, die Entlassung oder Versetzung durchzuführen, und führt der Arbeitgeber die Entlassung oder Versetzung einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung zuwider nicht durch, so ist auf Antrag des Betriebsrats vom Arbeitsgericht zu erkennen, dass er zur Vornahme der Entlassung oder Versetzung durch Zwangsgeld anzuhalten sei. Das Höchstmaß des Zwangsgeldes beträgt für jeden Tag der Zuwiderhandlung 250 Euro.