Rechtssekretärin Cornelia van Buren
Rechtssekretärin Cornelia van Buren

Selbst nach langen Fehlzeiten sind Kündigungen von kranken Mitarbeitern strengen Maßstäben unterworfen. Hierzu hat die Rechtsprechung ein grobes dreistufiges Prüfungsschema entwickelt. Daneben soll ein betriebliches Eingliederungsmanagement eine Kündigung vermeiden helfen – möglichst bereits im Vorfeld. Nach dem vom Bundesarbeitsgericht (BAG) entwickelten Prüfungsschema muss im ersten Schritt geklärt werden, ob eine negative Gesundheitsprognose für die Zukunft gestellt werden kann. Dazu sollte absehbar sein, dass der betroffene Mitarbeiter in den kommenden 24 Monaten nicht mehr arbeitsfähig sein wird. Ist dies gegeben, soll in einem zweiten Schritt geklärt werden, welche betrieblichen Beeinträchtigungen dies zur Folge haben würde. In einem dritten Schritt schließlich muss eine Gesamtabwägung erfolgen, in der auch die Betriebszugehörigkeit, das Alter des Mitarbeiters und die Ursache der Krankheit berücksichtigt werden.

 

Arbeitgeber muss handeln

 

Daneben allerdings greift das Sozialgesetzbuch. Es verpflichtet den Arbeitgeber zu einem betrieblichen Eingliederungsma­nagement (BEM), sobald ein Mitarbeiter innerhalb eines Jah­res mehr als sechs Wochen krankheitsbedingt fehlt. Leider ist noch nicht bei allen Firmenleitungen angekommen, dass § 84 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) IX novelliert wurde. Seit dem 1. Mai 2004 ist ein BEM für jeden Mitarbeiter, nicht nur für Schwerbehinderte, gesetzlich vorgeschrieben – mit dem Ziel der Wiedereingliederung statt einer Entlassung. Auch in Klein­betrieben muss der Arbeitgeber jede Möglichkeit prüfen, welche Maßnahmen im Betrieb getroffen werden können, um den Arbeitsplatz zu erhalten sowie die Krankheit zu lindern oder weiteren Erkrankungen vorzubeugen.

 

Erfolg vor Gericht

 

Trotz dieser gesetzlichen Vorschrift ist die Durchführung des BEM keine formelle Voraussetzung für eine Kündigung – auch das stellte das BAG in seiner Entscheidung fest. Vielmehr, so heißt es in den Leitsätzen, stelle das betriebliche Eingliederungsmanagement eine Konkretisierung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dar, der dem gesamten Kündigungsschutzrecht zugrunde liege. Eine Rechtsauffassung, die auch das Arbeitsgericht in einem Rechtsstreit in Rosenheim teilte und so der Klägerin den Arbeitsplatz rettete. Der Werksarbeiterin war wegen längerer krankheitsbedingter Fehlzeiten nach fast 20 Jahren Betriebszugehörigkeit gekündigt worden. Weil sie der Meinung war, dass sie mit nur wenigen Veränderungen ihrer Arbeit weiter nachgehen könne, klagte sie mit Hilfe der DGB Rechtsschutz GmbH in Rosenheim – und gewann. „Die Kündigung hätte sich die Geschäftsleitung sparen können“, resümiert Cornelia van Buren, Rechtssekretärin im Rosenheimer Büro. Denn das Gericht konnte im Verfahren keine Hinweise dafür erkennen, dass es für die beklagte Firma organisatorisch unmöglich war, der Klägerin beispielsweise bei schweren Arbeiten einen männlichen Arbeitskollegen zur Seite zu stellen. Übrigens: Seit der erfolgreichen Beendigung des Rechtsstreites wird die Werksarbeiterin problemlos und dauerhaft bei der beklagten Firma weiterbeschäftigt. „Offenbar ist es dem Arbeitgeber gelungen“, kommentiert die Rechtssekretärin, „die Belastungen am Arbeitsplatz entsprechend den Fähigkeiten der Arbeitnehmerin zu verteilen.“

Rechtliche Grundlagen

Wahrscheinlichkeit genügt

Die Wahrscheinlichkeit, mit der eine Gesundheitsstörung auf einen Arbeitsunfall zurückzuführen ist, ist diejenige Möglichkeit, der bei „Abwägung aller etwaiger anderer Möglichkeiten der Vorzug zu geben ist“. So urteilte das Sozialgericht Würzburg im Fall eines Bahnbeschäftigten, der nach einem Arbeitsunfall am Kniegelenk geschädigt war. Seinen Antrag auf Ver­letz- tenrente wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 Prozent hat­te der Versicherungsträger abgelehnt, weil die Gesundheitsstörung möglicherweise auf einen zuvor passierten privaten Unfall zurückzuführen sei. Die mit Unterstützung des DGB-Rechtsschutz-Büros Würzburg eingereichte Klage war erfolgreich. Für das Gericht sprachen „gewichtigere Gründe für als gegen den ursächlichen Zusammenhang der Verletzung mit dem Arbeitsunfall“.

Sozialgericht Würzburg vom 16. Juli 2007, Az. S 11 U 13/07