Weit vom Hauptsitz des Unternehmens war die Dozentin für Kindheitspädagogik eingesetzt. © Adobe Stock: Robert Kneschke
Weit vom Hauptsitz des Unternehmens war die Dozentin für Kindheitspädagogik eingesetzt. © Adobe Stock: Robert Kneschke

Die Beschäftigte eines Vereins hatte über mehrere Jahre hinweg keine Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber. Dieser betreibt als eingetragener Verein an mehreren Standorten Kindergärten und ein Weiterbildungsinstitut. Die Klägerin arbeitete dort als Dozentin und Leiterin einer Niederlassung. Dort war sie die einzige Arbeitnehmerin. Der Hauptsitz des Unternehmens lag weit weg.

                                                                                  

Das beiderseitige Einverständnis zwischen der Mitarbeiterin und ihrem Chef änderte sich, als der Arbeitgeber am Bestand des Arbeitsverhältnisses rüttelte.

 

Die Verträge hatten sich mehrfach geändert

 

Während der Jahre ihrer Beschäftigung gab es einige Änderungen des Arbeitsvertrages, zum Teil  hinsichtlich der Arbeitszeiten, zum anderen bezüglich der Arbeitsinhalte vor Ort. Ihre Verträge hatte die Betroffene mit dem Vorstandsvorsitzenden abgeschlossen. Ihre Aufgabe bestand zuletzt in der Durchführung eines Lehrgangs für das Weiterbildungsinstitut. Darüber hinaus nahm sie Funktionen als Repräsentantin gegenüber Kita-Fachberatern und Kita-Geschäftsführern der Region wahr.

 

Anfang 2021 erhielt die Klägerin unter dem Briefkopf der Weiterbildungseinrichtung ein Schreiben, welches mit „Weiterentwicklung deines Arbeitsvertrages" überschrieben war. Über mehrere Seiten hinweg enthielt dieses Schreiben Ausführungen zur derzeitigen Situation des Arbeitsverhältnisses und zu klärenden Fragen. Das aktuelle Gehalt und die Tätigkeit seien gesichert. Der bestehende Dienstvertrag solle zum 30.4.2021 betriebsbedingt gekündigt werden. Weiter hieß es, ihr werde ein neuer Dienstvertrag ab dem 1. Mai 2021 angeboten „wie vorstehend beschrieben“.

 

Die Dozentin sollte ihre Zustimmung dazu erklären. Ein konkreter Vertragsentwurf lag dem Schreiben nicht bei. Kurz darauf erhielt die Frau eine Änderungskündigung zum 30. April 2021. Damit verbunden erhielt sie das Angebot, einen Dozentenvertrag mit nur zwei Unterrichtstagen und geringerer Monatsvergütung anzunehmen.

 

Es wurde noch undurchsichtiger

 

Damit nicht genug, wenige Tage später erhielt die Dozentin ein weiteres Schreiben des Weiterbildungsinstituts. Dieses Schreiben bezeichnete der Absender als "Ergänzung" des Arbeitsvertrages. Jetzt hieß es, die Frau solle monatlich 120 Stunden arbeiten. Die Vergütung hob der Arbeitgeber noch einmal an, sodass letztlich in etwa die ursprünglichen Vereinbarungen wieder Geltung erlangen sollten.

 

Auch das brachte keine Klarheit. Mit einer weiteren Mitteilung an seine Mitarbeiterin nahm der Arbeitgeber die ausgesprochene Änderungskündigung zurück. Diesem Schreiben fügte er organisatorische Regelungen zum Dozentenvertrag bei, die Aussagen zum Umfang der Unterrichtstätigkeit, dem bezahlten Jahresurlaub, der Entgeltfortzahlung bei Krankheit und zu konkreten Arbeitsanweisungen enthielten.

 

Nun gab es auch noch eine Verlängerung

 

Kurze Zeit später erhielt die Klägerin dann die Mitteilung, ihr Arbeitsverhältnis werde bis Mitte 2021 verlängert, um ausreichend Zeit zu haben, eine Vereinbarung über die künftigen Aufgaben und Arbeitsbedingungen abzuschließen.

 

Das wurde der Betroffenen dann doch zu viel. Mit Unterstützung von Sebastian Klähn vom DGB Rechtsschutzbüro Dresden erhob sie Klage beim Arbeitsgericht. Im Klageverfahren berief sich der Arbeitgeber darauf, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin sei Anfang des Jahres 2021 zum 30. April 2021 betriebsbedingt gekündigt worden.

 

Die Klägerin hielt demgegenüber sämtliche Änderungskündigungen für unwirksam.

 

So sah es auch das Arbeitsgericht. Dem Arbeitgeber, der meinte, das Kündigungsschutzgesetz sei nicht anwendbar, erteilte das Gericht eine Absage.

 

Der Arbeitgeber wollte Kündigungsschutz nicht zulassen

 

Die Klägerin sei die einzige Beschäftigte des Weiterbildungsinstituts, argumentierte der Vorstandsvorsitzende im Gerichtsverfahren. Die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes fänden jedoch erst bei mehr als zehn Arbeitnehmer*innen Anwendung. Die Leitung des Instituts erfolge von anderer Stelle aus. Die Teilnehmerzahlen der Kurse, für die die Klägerin eingestellt worden sei, seien gesunken.

 

Die Organisationsstruktur habe sich geändert und die tatsächliche Arbeit weiche von wichtigen Festlegungen des Arbeitsvertrages der Klägerin ab. Diese habe ihre wichtigste Tätigkeit als Repräsentantin nicht ausgeübt, sondern Arbeiten übernommen, die nicht zu ihren Aufgaben gehörten. Die Funktion, die die Klägerin in den letzten beiden Jahren ausgeführt habe, sei weitgehend entfallen. Die Klägerin sei nicht bereit, ihren Platz in der aktuellen Aufgabenstruktur zu finden.

 

Kündigungsschutz orientiert sich nicht allein an geographischen Verhältnissen

 

In seinem Urteil verweist das Gericht auf § 23 Kündigungsschutzgesetz. Diese Vorschrift sei auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin anwendbar, denn die Klägerin genieße Kündigungsschutz. Der Beklagte beschäftige in seinem Betrieb regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer*innen. Der Standort, an dem lediglich die Klägerin ihrer Arbeit nachgehe, sei kein eigenständiger Betrieb. Die Eigenständigkeit dieses Betriebsteils ergebe sich nicht bereits daraus, dass dieser weit von der Einrichtung, in der die Verwaltung geführt werde, entfernt lege.

 

Das Kündigungsschutzgesetz enthalte kein rein geographisches Moment wie beispielsweise § 4 Betriebsverfassungsgesetz. Ein eigenständiger Betrieb liege vor, wenn dieser organisatorisch selbstständig sei und einen eigenen arbeitstechnischen Zweck verfolge. Beides könne für den Standort des Beklagten, in welchem die Klägerin arbeite, nicht nachvollzogen werden. Auch das Weiterbildungsinstitut insgesamt stelle keinen eigenständigen Betrieb dar. Geschäftsführung des Instituts und des Vereins seien identisch. Beide nutzten beispielsweise einen Briefkopf, der sowohl den Beklagten als auch das Weiterbildungsinstitut nenne.

 

Aus der Einzigartigkeit des Arbeitsplatzes der Klägerin folge nicht, dass der Standort einen "Ein-Mann-Betrieb" darstelle. Die Klägerin sei organisatorisch der Vereinsleitung unterstellt. Weitere Arbeitnehmerinnen des Beklagten arbeiteten zumindest teilweise auch für das Institut. Das Weiterbildungsinstitut stelle somit einen Betriebsteil eines gemeinschaftlichen Betriebs des Beklagten dar. Dort beschäftige der Beklagte mehr als zehn Arbeitnehmer*innen.

 

Es gab Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten für die Klägerin

 

Einen tragfähigen Kündigungsgrund habe der Beklagte nicht genannt. Er berufe sich auf betriebsbedingte Gründe. Damit lasse sich die Kündigung nicht rechtfertigen. Der Beklagte stelle schon nicht dar, in welchem Umfang sich der Arbeitsbedarf der Klägerin durch den Wegfall eines Kurses langfristig verringere. Ein Arbeitsplatz falle nicht zwangsläufig weg, wenn sich die Auftragslage verschlechtere.

 

Zwar möge der Beklagte hierauf durch eine unternehmerische Entscheidung reagieren können, eine solche Entscheidung habe er offensichtlich zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung noch nicht getroffen.

 

Den auf die Kündigung folgenden Schreiben lasse sich nämlich entnehmen, dass der Beklagte grundsätzlich von einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit der Klägerin ausging. Lediglich die Konditionen habe der Beklagte von Erklärung zu Erklärung ändern wollen.

 

Vom Weisungsrecht muss auch Gebrauch gemacht werden

 

Selbst das Verhalten der Klägerin berechtige den Beklagten nicht zum Ausspruch einer Kündigung. Es fehle an einer einschlägigen Abmahnung. Der Beklagte habe zwar plausibel dargestellt, dass die Klägerin und der Beklagte voneinander abweichende Auffassungen über den Inhalt der Arbeitsaufgaben hätten. Der Beklagte sei gegenüber der Klägerin jedoch weisungsbefugt und habe dementsprechend reagieren müssen. Er sei berechtigt, Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen zu bestimmen.

 

Diese Berichtigung müsse er aber auch wahrnehmen. Ob er solche konkreten Weisungen erteilt habe, oder ob er eher enttäuschte Erwartungen referiere, bleibe im Detail unklar. Schließlich verweist das Gericht darauf, es sei bereits unklar, ob die jeweilige Mitteilung an die Klägerin einen Hinweis auf den aktuellen Zustand, eine einseitige Änderung des Vertrages oder ein Angebot auf Vertragsänderung bzw. -beendigung enthielten. Der Beklagte habe sich dazu nicht genau festgelegt.

 

Das Gericht erklärte die Änderungskündigungen für rechtsunwirksam. Es stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht beendet ist und der eingetragene Verein die Dozentin zu unveränderten Arbeitsbedingungen mit dem bisherigen Gehalt weiter beschäftigen muss.

 

Doch es geht weiter

 

Alles geklärt, mag man meinen. Weit gefehlt.

 

Die Auseinandersetzung geht weiter. Nun ist der Frage nachzugehen, wann und wie die Klägerin weiterarbeiten soll, lässt uns Sebastian Klähn aus Dresden wissen. Auch ein Überstundenprozess wird demnächst gerichtlich entschieden.

 

Bleibt zu hoffen, dass das Arbeitsverhältnis nach alledem zwischen den beiden Vertragspartnern, die ihre Verträge zunächst einvernehmlich besprochen hatten, wieder störungsfrei fortgesetzt werden kann.

 

Hier geht es zum Urteil des Arbeitsgerichts Dresden.

Rechtliche Grundlagen

§ 23 KSchG, § 4 BetrVG

§ 23 KSchG

Geltungsbereich
(1) Die Vorschriften des Ersten und Zweiten Abschnitts gelten für Betriebe und Verwaltungen des privaten und des öffentlichen Rechts, vorbehaltlich der Vorschriften des § 24 für die Seeschiffahrts-, Binnenschiffahrts- und Luftverkehrsbetriebe. Die Vorschriften des Ersten Abschnitts gelten mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Betriebe und Verwaltungen, in denen in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden. In Betrieben und Verwaltungen, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden, gelten die Vorschriften des Ersten Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. Dezember 2003 begonnen hat; diese Arbeitnehmer sind bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach Satz 2 bis zur Beschäftigung von in der Regel zehn Arbeitnehmern nicht zu berücksichtigen. Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach den Sätzen 2 und 3 sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen.
(2) (…)


§ 4 BetrVG
Betriebsteile, Kleinstbetriebe

(1) Betriebsteile gelten als selbständige Betriebe, wenn sie die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 erfüllen und
1. räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt oder
2. durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständig sind.
Die Arbeitnehmer eines Betriebsteils, in dem kein eigener Betriebsrat besteht, können mit Stimmenmehrheit formlos beschließen, an der Wahl des Betriebsrats im Hauptbetrieb teilzunehmen; § 3 Abs. 3 Satz 2 gilt entsprechend. Die Abstimmung kann auch vom Betriebsrat des Hauptbetriebs veranlasst werden. Der Beschluss ist dem Betriebsrat des Hauptbetriebs spätestens zehn Wochen vor Ablauf seiner Amtszeit mitzuteilen. Für den Widerruf des Beschlusses gelten die Sätze 2 bis 4 entsprechend.

(2) Betriebe, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 nicht erfüllen, sind dem Hauptbetrieb zuzuordnen.