Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Wer auf Weisung eines Arbeitgebers filmt, hat  Kündigungsschutz! Copyright by Adobe
Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Wer auf Weisung eines Arbeitgebers filmt, hat Kündigungsschutz! Copyright by Adobe

Seit 2007 bestimmt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), was ein Arbeitsvertrag ist: ein Vertrag, durch den ein Arbeitnehmer fremdbestimmte Arbeit leistet. Der Arbeitgeber kann Anweisungen erteilen, etwa wann und wo der Arbeitnehmer seiner Arbeit zu verrichten hat. Zudem spielt noch eine Rolle, inwieweit der Beschäftigte persönlich von seinem Arbeitgeber abhängig ist.
 
Ein Werkvertrag kennt ein solches Weisungsrecht nicht. Bei einem Werkvertrag verpflichtet sich die eine Partei vielmehr dazu ein Werk zu erstellen und die andere dazu, dafür den vereinbarten Preis zu zahlen. Entscheidend ist allerdings nicht, wie der Vertrag überschrieben ist. Das Gesetz regelt eindeutig: zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an.
 

Die Klägerin musste viel mit dem Regisseur absprechen  

Unser Büro in Berlin vertrat kürzlich eine Kamerafrau vor dem Arbeitsgericht Berlin. Arbeitgeberin war die Bundesrepublik Deutschland. Sie hatte das Vertragsverhältnis mit der Klägerin gekündigt und ihr eine fehlerhafte Reisekostenabrechnung vorgeworfen. Allerdings war der Vorwurf nicht so gravierend, dass es für eine verhaltensbedingte Kündigung eines Arbeitsverhältnisses geeicht hätte.
 
Entscheidend war mithin, ob zwischen den Parteien überhaupt ein Arbeitsverhältnis bestand.
 
Die Klägerin ging davon aus. Sie habe mit dem Redakteur vieles absprechen müssen.  Sie habe nicht
frei entscheiden können, welche Technik, welche Aufnahmen, welche Objekte, welche Perspektive, welche Zeiten und welche Orte sie zu berücksichtigen habe. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, ein Werk abzuliefern, das sie eigenständig erstellt habe.
 

Arbeitgeberin: wir haben der Klägerin keinen Dienstposten zugewiesen

Für die Beklagte bestand indessen zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis. Sie habe der Klägerin keinen Dienstposten zugewiesen, deshalb sei die Klägerin auch nicht in den Betriebsablauf eingebunden gewesen. Die Klägerin habe auch keinen Dienstausweis und keine eigene E-Mailadresse besessen. Nur in Einzelfällen habe man der Klägerin Anweisungen erteilt. Etwa wenn es um Licht, Ton oder Darsteller oder die Motive ging, die die Klägerin habe filmen müssen.
 

Arbeitsgericht: es kommt nur darauf an, ob die Klägerin tatsächlich an Weisungen gebunden war

Das Arbeitsgericht folgte der Argumentation der Klägerin und ihrer Prozessbevollmächtigten. Es wies darauf hin, dass nicht entscheidend sei, ob die Beklagte der Klägerin einen Dienstposten zugewiesen oder diese einen Dienstausweis oder eine E-Mail-Adresse besessen habe. Das seien vielmehr Randaspekte, wenn beurteilt werden soll, ob die Klägerin in den Betriebsablauf eingebunden gewesen sei. Maßgeblich und entscheidend sei vielmehr, ob Schwerpunkt des Rechtsverhältnisses gewesen sei, Leistungen nach Anweisungen zu erbringen.
 
Für die Beurteilung, ob ein Arbeitsverhältnis besteht, sei  nicht entscheidend, aufgrund welcher äußeren oder inneren Umstände die Arbeitgeberin meint, Weisungen erteilen zu wollen oder zu müssen. Entscheidend sei allein, ob Weisungen erfolgen und so ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis entstünde. Dass das hier der Fall sei, habe die Beklagte durch ihren Vortrag selbst deutlich gemacht.
 
Hier geht es zur Entscheidung

Das sagen wir dazu:

Arbeitgeber lassen sich häufig einiges einfallen, wenn es darum geht, bindendes Arbeitsrecht zu umgehen. Vieles hängt davon ab, ob das Vertragsverhältnis zwischen einem Unternehmer und einem Beschäftigten rechtlich ein Arbeitsverhältnis ist: Anspruch auf Urlaub, Arbeitsentgelt bei Krankheit, Mindestlohn und nicht zuletzt der Kündigungsschutz.

Ursprünglich hatte der Gesetzgeber Arbeitsverhältnisse gar nicht auf dem Plan. Als das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) in Kraft trat, galten Arbeitsverhältnisse als „normale“ Dienstverhältnisse. Arbeitnehmer hatten also denselben Status wie Ärzte, die Diagnosen stellen und therapieren sollten.  Arbeitgeber hatten also dieselben Rechte und Pflichten wie Patienten beim Arzt.

Indessen gibt es aber wesentliche Unterschiede  zwischen ärztlichen Dienstleistungen und Arbeitsleistungen für einen Arbeitgeber. Ein Arbeitnehmer ist in einem viel höherem Maße von einem Arbeitgeber abhängig als der Arzt von einem einzelnen Patienten. Zumeist gibt es nur einen Arbeitgeber. Und ein Arzt ist nicht in dem Maße an Weisungen gebunden, wie der Arbeitnehmer. Typisch für das Arbeitsverhältnis ist das Direktionsrecht des Arbeitgebers, also sein Recht, grundsätzlich Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit bestimmen zu können.

Im Laufe der Zeit entwickelten Gesetzgeber und Rechtsprechung ein besonderes Dienstvertragsrecht für Arbeitnehmer*innen. Das machten sie allerdings nicht freiwillig oder weil es nun einmal eine gute Idee ist. Ganz maßgeblich war der Druck der Arbeitnehmer und ihrer Parteien und Gewerkschaften. Ein wichtiger Eckpunkt für die Entwicklung von Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechten ist etwa das Stinnes-Legien-Abkommen vom November 1918: die Unternehmer erkannte die Gewerkschaften als Vertreter der Arbeitnehmer*innen und als gleichberechtigte Tarifpartner an. Einige wesentliche Rechte wie der Achtstundentag wurden eingeführt.

Unter dem Schutz des Arbeitsrechts kommt aber nur, wer Arbeitnehmer*in ist, also in einem Arbeitsverhältnis steht. Was das ist, hat vor allem das Bundesarbeitsgericht definiert: maßgeblich ist der Grad der persönlichen Abhängigkeit, in dem sich der Beschäftigte befindet. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Seit dem 1. April (sic!) 2007 bestimmt jetzt auch § 611a BGB entsprechend, was ein Arbeitsverhältnis ist.

Die moderne digitale Arbeitswelt bietet Möglichkeiten, das Arbeitsrecht und damit den Schutz derjenigen zu unterlaufen, die ihren Lebensunterhalt vor allem dadurch bestreiten, dass sie für einen oder mehrere Unternehmen beschäftigt sind. Internetplattformen wie Airbnb und Uber vermitteln Dienstleistungen, die in der Regel von Scheinselbstständigen erbracht werden. Damit wird ein großer Teil des unternehmerischen Risikos auf Beschäftigte abgewälzt, die de facto eigentlich Arbeitnehmer*innen sind, noch dazu in der Regel zu einem sehr niedrigen Entgelt.

Insbesondere im technischen Bereich greift das sogenannte „Crowdsourcing“ um sich. Für Ingenieursdienstleistungen etwa beschäftigen Unternehmer nicht mehr eigene Mitarbeiter, sondern lagern Aufgaben über das Internet  an angeblich freiwilliger „User“ aus.

Es geht jetzt nicht darum, die Digitalisierung oder überhaupt neue Techniken und Strukturen zu verteufeln. Für Arbeitsleistungen, die über Internetplattformen organisiert und vermittelt werden, darf es aber keinen rechtsfreien Raum geben, auch keinen arbeitsrechtsfreien. Wer für ein Unternehmen Arbeitsleistungen erbringt, von dem er wirtschaftlich abhängig ist und dessen Weisungen er unterliegt, ist Arbeitnehmer*in.

Rechtliche Grundlagen

§ 611a BGB Arbeitsvertrag

(1) Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an.
(2) Der Arbeitgeber ist zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.