Urlaub dient der Erholung. Es muss für den Arbeitnehmer möglich sein, ihn frei zu verplanen. Copyright by Adobe Stock/Prostock-studio
Urlaub dient der Erholung. Es muss für den Arbeitnehmer möglich sein, ihn frei zu verplanen. Copyright by Adobe Stock/Prostock-studio

Neumann hat seinen Jahresurlaub für Juli gebucht. Noch hofft er, dass er ihn trotz Corona wie geplant verbringen kann. Er hat lange drauf gespart und es soll eine unvergessliche Reise werden.
Ihm gefällt es schon lange nicht mehr in der Firma und er hat ab August eine neue Stelle.
Passt, dachte er.
 
Dann flattert im Mai die arbeitgeberseitige Kündigung zu Ende Juni in seinen Briefkasten. Die Firma hat wenig zu tun und ist schon im vorletzten Jahr zum Kleinbetrieb geworden.  
 

Kündigungsschutzgesetz findet keine Anwendung

Neumann würde sich gerne gegen die Kündigung zu diesem Zeitpunkt wehren. Das kann er aber mit einer Klage hier aber nicht erreichen, da das Kündigungsschutzgesetz auf den Kleinbetrieb keine Anwendung findet. Dafür müssten mehr als zehn Vollzeitbeschäftigte regelmäßig da arbeiten, es sind aber nur noch fünf. Die drei 450 €-Kräfte zählen als Teilzeitkräfte mit jeweils mit 0,5. Die Frau des Chefs macht die Buchhaltung mit 25 Stunden die Woche und zählt mit 0,75. Es gibt also im Betrieb insgesamt nicht mehr als zehn Beschäftigte.
 

Unwiderrufliche Freistellung unter Urlaubsanrechnung

Nicht selten wollen Arbeitgeber einen gekündigten Mitarbeiter nicht mehr beschäftigen.
Meist ist das auch den Beschäftigten recht. Eine häufige Formulierung ist „wir stellen Sie unter Anrechnung auf ihren Urlaub ab sofort bis zum Ende der Kündigungsfrist frei“.
 
Doch Neumann wollte seinen Urlaub nicht während der Kündigungsfrist nehmen, sondern im Juli. Für die Zeit hat er schließlich die Reise gebucht. Jetzt nützt ihm Urlaub wenig, und seine Reisebegleitung kann ihren einmal festgelegten Urlaub nicht einfach vorziehen.
 

Ist eine Klage gegen die unwiderrufliche Freistellung aussichtsreich?

Leider nein, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden (Urteil vom 20.8.2019 - 9 AZR 468/18). Dort war eine Arbeitnehmerin nach ihrer Eigenkündigung freigestellt worden und verlangte nach Ende des Arbeitsverhältnisses Urlaubsabgeltung für die betroffenen Tage. Sie war der Ansicht, der Arbeitgeber habe nicht wirksam Urlaub erteilt, da er insgesamt freigestellt und die zeitliche Lage des Urlaubs nicht festlegte. Das müsse der Arbeitgeber auch nicht, so das BAG. Denn der Arbeitgeber habe klar zum Ausdruck gebracht, dass die Freistellungszeit bezahlt werde und die Freistellungszeit zum Zweck der Urlaubserteilung erfolgte.
 

Bei widerruflichen Freistellung keine wirksame Anrechnung von Urlaub

Rechtlich ist es anders zu bewerten, wenn sich der Arbeitgeber vorbehält, den Arbeitnehmer doch noch einmal zur Arbeit heranzuziehen. Also, wenn formuliert wird „wir stellen Sie widerruflich frei unter Anrechnung ihres Urlaubs“.
Urlaub dient der Erholung. Es muss für den Arbeitnehmer möglich sein, ihn frei zu verplanen. Dies geht nicht, wenn er damit rechnen muss, doch wieder arbeiten zu müssen. Es ist nicht möglich, auf eine widerrufliche Freistellung den Urlaubsanspruch anzurechnen. Der Urlaubsanspruch bleibt bestehen und ist nach Ende der Freistellung abzugelten (BAG, Urteil vom 19. Mai 2009 - 9 AZR 433/08).
 

Fristlose Kündigung und vorsorgliche Urlaubsgewährung

Manche Arbeitgeber kündigen fristlos, vorsorglich fristgerecht zu einem späteren Zeitpunkt. Und wenn das Arbeitsverhältnis erst nach Ablauf der Kündigungsfrist endet, soll der Urlaubsanspruch durch das Nichtarbeiten verbraucht sein.
 
So geht es nicht, hat das  BAG (Urteil vom 10.02.2015 - 9 AZR 455/13) entschieden. Eine Kombination von fristloser Kündigung und Urlaubsgewährung ist nicht zulässig. Der Urlaubsanspruch bzw. der Anspruch auf Urlaubsabgeltung bleibt in einem solchen Fall erhalten.
 

Urlaubsanspruch bei nachgewiesener Arbeitsunfähigkeit

Erkrankt Neumann während seines Urlaubs gehen ihm die Urlaubstage nicht verloren, wenn er seine Arbeitsunfähigkeit durch Bescheinigungen nachweist (§ 9 Bundesurlaubsgesetz). Kann er den Urlaub dann wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr nehmen, muss er abgegolten werden (§ 7 Bundesurlaubsgesetz).
 
Dabei kann der Arbeitnehmer einer nicht näher bestimmten Urlaubsfestlegung regelmäßig entnehmen, dass der Arbeitgeber es ihm überlässt, die zeitliche Lage seines Urlaubs innerhalb des Freistellungszeitraums festzulegen (BAG, Urteil vom 16. Juli 2013 - 9 AZR 50/12).
 

Werden auch die Mehrstunden in der Freistellung angerechnet?

In der Freistellungszeit liegen mehr Arbeitstage als Neumann noch Urlaub offen hat. Das soll ihm Recht sein. Er hat neben dem Urlaubsanspruch noch 67 Gutstunden auf einem Stundenkonto. Er fragt sich, ob diese durch die Freistellung auch verbraucht sind. Rechnerisch passte das. Oder kann er Abgeltung verlangen?
 
Neumanns Arbeitgeber hat wörtlich nur die Urlaubstage erwähnt. Bei einer solchen Formulierung in einem gerichtlichen Vergleich hat das BAG (Urteil vom 20.11.2019 - 5 AZR 578/18) entschieden, dass Überstunden noch zu bezahlen sind. Es muss sich aus der Regelung ausdrücklich oder wenigstens konkludent ergeben, dass die Freistellung auch zum Abbau des Arbeitszeitkontos erfolgen soll.
 

Erkrankung während der Freistellung (Überstundenabbau)

Vorsichtige Arbeitgeber formulieren genau. Sie benennen den Zeitraum zu dem Urlaub gewährt wird und den Zeitraum in dem Mehrarbeitsstunden abgebaut werden. Eine solche Unterscheidung ist wichtig, weil eine Erkrankung des Arbeitnehmers während der Freistellung eine andere Rechtsfolge hat, je nachdem, ob die Freistellung zur Urlaubsgewährung oder zum Überstundenausgleich gewährt wird.
 
Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (Urteil vom 19. November 2015 - 5 Sa 342/15) hat bestätigt, dass die einseitige Freistellung des Arbeitnehmers während der Kündigungsfrist unter Anrechnung von Überstunden den Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlten Freizeitausgleich auch dann erfüllt, wenn der Arbeitnehmer im Freistellungszeitraum arbeitsunfähig erkrankt.
Für Krankheit an freien Tagen wegen Überstundenfrei wird dem Arbeitnehmer dann nichts gutgeschrieben.
 

Das sagen wir dazu:

Die Rechtsprechung hat diesen Themenkreis im Detail aufgearbeitet. Es klagt sich bei beendetem Arbeitsverhältnis halt leichter als bei bestehendem. Dennoch spielt auch hier wieder der genaue Wortlaut der Arbeitgebererklärung eine wesentliche Rolle. Denn wenn der Chef z.B. schon angekündigt hat, es werde Lohn einbehalten, oder Löhne schon eingeklagt werden mussten, kann in einer Freistellung wohl nicht die Zusage liegen, die Urlaubstage tatsächlich zu bezahlen.

Daher wie so oft der Rat: Fragen kostet nichts. Zumindest Gewerkschaftsmitglieder können kostenlosen Rat über den gewerkschaftlichen Rechtsschutz einholen.

Rechtliche Grundlagen

Bundesurlaubsgesetz
§ 7 Zeitpunkt, Übertragbarkeit und Abgeltung des Urlaubs
(1) Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, dass ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. (…)
(2) (…)
(3) Der Urlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. (…)
(4) Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten.
§ 9 Erkrankung während des Urlaubs
Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs, so werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet.