Peter Stein zum Spannungsverhältnis von staatlichem Justizgewährungsanspruch und dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen.
Peter Stein zum Spannungsverhältnis von staatlichem Justizgewährungsanspruch und dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen.

Auf der einen Seite verlangt das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen eine Zurücknahme staatlicher Kontrolle. Auf der anderen Seite erfordert der Justizgewährungsanspruch lückenlosen Rechtsschutz. Der Ausgleich dieser konfligierenden Rechtspositionen müssen staatliche Gerichte herstellen.
 

Kirchliche Selbstbestimmung hat Grenzen

Religionsgemeinschaften legen ihr Ethos selbst fest. Bei der Durchsetzung dieses Ethos im Geltungsbereich der staatlichen Rechtsordnung unterliegen sie den Grenzen des staatlichen Rechts.
 
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, wie Art. 4 der RL 2000/78 auszulegen ist. Auf dieser Basis setzt das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit der Chefarzt-Entscheidung den in der Sache Egenberger beschrittenen Weg fort.
 
Kündigt ein katholisches Krankenhaus nur einem katholischen Arzt wegen einer nach Kirchenrecht unzulässigen Heirat, ist dies eine nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz unzulässige Diskriminierung wegen der Religion. In Anbetracht der Tätigkeit des Arztes rechtfertigt das Ethos des Krankenhauses keine Ungleichbehandlung.
 

Karlsruhe sucht die Konfrontation

Die Verfassungsbeschwerde des Diakonischen Werks gegen die Egenberger-Entscheidung des BAG erscheint nicht nur unbegründet, sondern bereits unzulässig. Als juristische Person kann sich das Diakonische Werk nicht auf Art. 38 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG berufen.
 
Zur Verfassungsidentität gemäß Art. 79 Abs. 3 GG kann man das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen rechnen, nicht aber seine konkrete Ausgestaltung im kirchlichen Arbeitsrecht. Teile des BVerfG scheinen die Konfrontation mit dem EuGH zu suchen.
 
Dieser Beitrag ist aus der Fachzeitschrift Arbeit und Recht, ISSN 0003-7648, Nr. 1/2020, 68. Jahrgang.
 
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