Eine ganze Abteilung der Stadtverwaltung ist hier betroffen, bestehend aus sechs Personen. Die vier Männer und zwei Frauen sind Mitarbeiter*innen des städtischen Kontroll- und Vollzugdienstes und auch an Abschiebungen von Ausländern beteiligt. In einer WhatsApp-Gruppe haben sie private und teils auch dienstliche Inhalte ausgetauscht. Darunter waren auch Bilder „mit eindeutigem rechtsextremistischen Bezug“, wie es im Urteil heißt.
Kündigung wegen Chat-Verlaufs
Als es zu Problemen mit der Abteilung und deshalb Einzelgesprächen mit den Mitarbeitern kam, übergab ein Gruppenmitglied der Arbeitgeberin den Chatverlauf. Daraufhin erhielten alle sechs Mitarbeiter die Kündigung. Vier davon klagten beim Arbeitsgericht Mainz.
Die Richter mussten sich mit der Frage beschäftigen, ob sie den Chatverlauf als Grundlage für eine personenbedingte Kündigung wegen fehlender Verfassungstreue heranziehen durften. Diese Frage verneinten sie.
Kündigungen unwirksam wegen Vertraulichkeit des Chats
Die Richter gingen zu Gunsten der beklagten Stadt davon aus, dass die klägerische Teilnahme an dem streitgegenständlichen Chat an sich geeignet ist, die (fristlose) Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Diesen Punkt mussten sie aber nicht vertiefen.
Denn der Wirksamkeit einer jeden Kündigung stehe nach Auffassung der Arbeitsrichter die Vertraulichkeit des Chats entgegen.
Vertrauliche Äußerungen fallen unter den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
Das Arbeitsgericht Mainz stellt dabei auf Grundsätze des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ab. In einer Entscheidung zu ehrverletzenden Äußerungen über den Chef, die unter Kollegen gefallen waren, hatte das BAG die Vertraulichkeit des privat gesprochenen Wortes untermauert.
Vertrauliche Äußerungen unterfallen danach dem Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Deshalb dürfe der Arbeitnehmer anlässlich solcher Gespräche regelmäßig darauf vertrauen, seine Äußerungen würden nicht nach außen getragen.
Wenn der Gesprächspartner später gegen seinen Willen die Vertraulichkeit aufhebt, gehe dies arbeitsrechtlich nicht zu Lasten des Lästernden.
Chat-Kommunikation war privat
Diese Grundsätze des BAG sind nach Meinung der Mainzer Arbeitsrichter auf die Kommunikation in Chatverläufen von Diensten wie WhatsApp zu übertragen.
Maßgeblich sei dabei zum einen der geschlossene Teilnehmerkreis.
Zum anderen werteten die Richter den Chat als privat. Die beklagte Stadt hatte damit argumentiert, dass die Mitarbeiter in der Gruppe auch dienstliche Dinge aus ihrer Abteilung besprochen hatten. Das sei aber nicht entscheidend. Es komme vielmehr darauf an, dass die Kommunikation auf den privaten Smartphones der Mitarbeiter stattfand.
Im Ergebnis hält das Arbeitsgericht den Chat für genauso schutzwürdig wie das Sechsaugengespräch in dem vom BAG entschiedenen Fall. Die spätere Offenbarung des Inhaltes gegenüber der Arbeitgeberin durch ein Gruppenmitglied, könne deshalb arbeitsrechtlich nicht zu deren Lasten gehen.
Berufung ist beim LAG Rheinland-Pfalz anhängig
Die beklagte Stadt hat Berufung eingelegt beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz unter dem Aktenzeichen 2 Sa 9/18.
UPDATE: Vergleich auf Weiterbeschäftigung beim LAG
Eine Entscheidung über die Berufung gab es nicht. Die Parteien schlossen einen Vergleich auf eine Weiterbeschäftigung der gekündigten Mitarbeiter*innen. Näheres ist nicht bekannt, es ist aber zu hoffen, dass es eine andere Abteilung der Stadtverwaltung geworden ist.
Links:
Das sagen wir dazu:
Das Arbeitsgericht Mainz musste letztlich nicht entscheiden, ob die Teilnahme der Kläger*innen an dem Chat eine ordentliche oder fristlose Kündigung rechtfertigt.
An der Entscheidung des Arbeitsgerichts Mainz gibt es das eine oder andere zu kritisieren. Rechtlich korrekt ist es aber sicher, grundsätzlich eine Kommunikation über eine geschlossene WhatsApp-Gruppe ebenso als vertraulich anzusehen wie das gesprochene Wort im privaten Kreis.
Natürlich widerstrebt (hoffentlich) einem Jedem der Gedanken, dass Mitarbeiter mit einer rechtsextremen Gesinnung im Staatsdienst und noch dazu im Bereich des Ausländerrechts tätig sein dürfen.
Hier muss man sich aber wahrscheinlich schon die Frage stellen, ob eine ausländerfeindliche Einstellung durch die Chats tatsächlich in jedem Fall bewiesen ist. Die beklagten Mitarbeiter*innen gaben an, unbedacht Bilder und Inhalte weitergeleitet zu haben. Es ist absolut unverständlich, wie man überhaupt und besonders in der aktuellen politischen Stimmung unbedacht Bilder und Inhalte mit rechtsradikalem Bezug teilen kann. Ob man den Klägern die Ausflüchte hier glauben kann, ist stark zu bezweifeln. Letztlich ist diese Frage aber wohl nicht zu beantworten ohne die genauen Inhalte und Umstände zu kennen.
Chatten ist wie sprechen
Entscheidend ist, in welchem Rahmen die Mitarbeiter die strittigen Inhalte ausgetauscht haben. Die Stadt beruft sich auf die Funktion der Mitarbeiter und dass sie die Stadt nach außen vertreten. Diese Bedenken sind menschlich absolut nachvollziehbar. Rechtlich wird aber darauf abzustellen sein, wie und wo Mitarbeiter sich „negativ“ austauschen. Findet die Kommunikation in einer WhatsApp Gruppe statt, die die Mitarbeiter für sich selbst auf ihren eigenen Handys eingerichtet haben, dürfte diese in der Tat als privat einzustufen sein.
Es ist richtig, auch hier von einer Vertraulichkeit der Kommunikation auszugehen. Es kann keinen Unterschied machen, ob Kollegen sich per Wort oder per Schrift austauschen. Das private chatten in einer WhatsApp-Gruppe ist vergleichbar mit einer privaten Unterhaltung im Kollegenkreis. Auch wenn das Risiko des „Auffliegens“ bei einer Kommunikation über das Handy größer ist.
Allerdings ist es ein Unterschied, ob ich unter Kollegen über den Chef lästere oder rechtsextremistische Inhalte verbreite. Hier hinkt der Vergleich der Mainzer Arbeitsrichter mit dem Urteil vom BAG. Da die Mitarbeiter dienstlich mit Ausländern zu tun haben, besteht ein Zusammenhang zwischen den geteilten Bildern und der beruflichen Tätigkeit.
Bezug zum Arbeitsverhältnis
Schaut man sich andere Entscheidungen an, die zu Kündigungen wegen fehlender Verfassungstreue ergangen sind, so kommt es immer auch darauf an, ob es einen Bezug zum Arbeitsverhältnis gibt. Dieser kann hier in der Tätigkeit der Kläger und Klägerinnen gesehen werden. Das eine ist der öffentliche Dienst an sich, der seine Angestellten zur Anerkennung der demokratischen Grundordnung verpflichtet. Das andere ist darüber hinaus der Einsatz im Bereich des Ausländerrechts. Es ist sehr verständlich, wenn die beklagte Stadt ein Problem mit dem weiteren Einsatz der gekündigten Mitarbeiter im der bisherigen Abteilung hat. Es ist zu hoffen, dass es der Stadt zumindest gelingen wird, einen anderen Einsatzbereich zu finden.
Auf der anderen Seite ist es nicht wegzudiskutieren, dass das „private Hetzen“ über WhatsApp-Chats anders zu bewerten ist, als wenn sich ein städtischer Mitarbeiter öffentlich verfassungsfeindlich äußert. Warten wir ab, ob und wie die Richter beim Landesarbeitsgericht dieses Dilemma lösen.
Das sagen wir dazu