Die Arbeitnehmerin ist Sachbearbeiterin in der Administration eines Gastronomie- und Cateringunternehmens. Sie erhielt mit Schreiben vom 12.09.2014 die Information, dass ihr Arbeitsverhältnis zum 01.09.2014 auf einen neuen Betreiber übergegangen sei. Das Schreiben enthielt den Hinweis auf das Recht zum Widerspruch gegen den Betriebsübergang binnen einen Monats.

Kündigungszeitpunkt ist streitig

Nachdem der neue Betreiber die Gastronomie im Konzerthaus – wofür die Mitarbeiterin zuständig war – schloss, kündigte er das Arbeitsverhältnis am 06.03.2015 zum 31.05.2015. Mit Schreiben vom 24.04 2015 widersprach die Klägerin dem Betriebsübergang auf den neuen Betreiber gegenüber der früheren Betreiberin. Daraufhin erklärte die frühere Betreiberin zum nächstzulässigen Termin die Kündigung. 

In der Berufungsinstanz stritten die Parteien nur noch darüber, wann das Arbeitsverhältnis beendet worden ist. Die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts (LAG) Düsseldorf hat der Mitarbeiterin ebenso wie das Arbeitsgericht Essen Recht gegeben. Das Arbeitsverhältnis mit dem Gastronomie- und Cateringunternehmen war erst durch dessen Kündigung zum 31.08.2015 beendet worden. 

Widerspruch trotz Verstreichens der Frist?

Begründung: Der nachträgliche Widerspruch gegen den Betriebsübergang war trotz Frist-Ablauf wirksam. Demzufolge hatte das Arbeitsverhältnis über den Kündigungstermin des neuen Betriebsinhabers hinaus Bestand. Das LAG führt aus, dass die Widerspruchsfrist noch nicht lief, weil die Unterrichtung über den Betriebsübergang unvollständig war.

Denn der Pachtvertrag, in den der neue Betreiber eintrat, war bis zum 31.12.2014 befristet. Die angekündigte »unveränderte Fortführung des Betriebs in dem Konzerthaus« erweckte laut LAG jedoch den Eindruck einer längerfristigen Beschäftigungsmöglichkeit, die es tatsächlich aber nicht gegeben hatte. 

Widerspruchsrecht bleibt bestehen

Trotz des Zeitablaufs hatte die Klägerin ihr Widerspruchsrecht daher nicht verwirkt und dessen Ausübung war nicht treuwidrig. Auf die Kündigung des neuen Betreibers zum 31.05.2015 konnte die bisherige Betriebsinhaberin sich nicht berufen. Das LAG Düsseldorf hat die Revision für die Beklagte zugelassen. Weitere Verfahren mit vergleichbaren Sachverhalten sind anhängig. 

Anmerkung: 

Im Wirtschaftsleben gehen Unternehmen regelmäßig von einem Inhaber zum nächsten über. Die Gründe für einen Betriebsübergang sind vielfältig. Neue Gesellschaften werden gegründet und Unternehmensteile ausgegliedert oder aus der Insolvenz heraus buhlen Investoren um die lukrativen Geschäftsbereiche. 

Für die davon betroffenen Arbeitnehmer stellt sich dann die Frage, ob sie für den neuen Arbeitgeber unter möglicherweise geänderten Bedingungen tätig sein wollen oder bei Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes ihren Job riskieren.

Rechte bei Betriebsübergang

Um über die (Nicht-)Ausübung des Widerspruchsrechts entscheiden zu können, müssen die vom Übergang betroffenen Arbeitnehmer ausreichende Informationen erhalten. 

Der Gesetzgeber hat hierzu geregelt, dass über den Zeitpunkt, den Grund für den Übergang, die Folgen für die Arbeitnehmer und über Maßnahmen zur beruflichen Entwicklung sowie den Abschluss eines Interessenausgleichs oder Sozialplans unterrichtet werden muss. 

Der § 613a BGB dient damit der Umsetzung der europäischen Betriebsübergangsrichtlinie (Richtlinie 2001/23/EG vom 12.03.2001) zur Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer.

Beginn der Widerspruchsfrist

Erst mit einer ordnungsgemäßen Unterrichtung beginnt die Frist von einem Monat zum schriftlichen Widerspruch entweder gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber. Nach deren Ablauf soll für die Beteiligten Rechtssicherheit im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis bestehen. 

Allerdings geschieht es regelmäßig, dass Arbeitgeber ihre Pflicht, die Beschäftigten über die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs aufzuklären, nicht allzu genau nehmen. 

In der Folge können die Arbeitnehmer unter Umständen auch noch nach Jahren einem Betriebsübergang wirksam widersprechen. Das Arbeitsverhältnis gilt dann als nicht übergegangen und besteht weiterhin mit dem alten Arbeitgeber.

Wie lange besteht das Widerspruchsrecht?

Das Recht zum Widerspruch kann jedoch nicht ohne Einschränkungen zeitlich unbegrenzt ausgeübt werden. Vielmehr kann sich aus den Umständen des Einzelfalls ergeben, dass der Arbeitnehmer das Recht verwirkt hat. Bei der Verwirkung handelt es sich um einen Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung. 

Hierbei spielen die Länge des Zeitablaufs und das Verhalten der Beteiligten eine besondere Rolle. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob der bisherige Arbeitgeber davon ausgehen konnte, dass der Arbeitnehmer das Widerspruchsrecht nicht mehr ausübt und sich endgültig zu dem neuen Inhaber bekennt. 

Konkret kann der Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags mit dem Betriebserwerber oder die widerspruchslose Hinnahme einer ausgesprochenen Kündigung Hinweise für eine Verwirkung sein. Die jahrelange widerspruchslose Tätigkeit beim neuen Arbeitgeber reicht hingegen nicht.
(Dieser Artikel ist zuerst erschienen in: „AiB-Newsletter, Rechtsprechung für den Betriebsrat“ des Bund-Verlags, Ausgabe 20 vom 13. November 2015)


Hier die Pressemitteilung des Landesarbeitsgericht Düsseldorf zum Urteil vom  73/15 vom 14.10.2015


Im Praxistipp: § 613a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) - Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang

Rechtliche Grundlagen

§ 613a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) - Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 613a Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang

(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.
(2) Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.
(3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.
(4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.
(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:
1. den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
2. den Grund für den Übergang,
3. die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
4. die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.
(6) Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.