Der Aufbau und die Reparatur von Messehallen sollte nach der Unternehmensentscheidung des Arbeitgebers in der Unternehmensgruppe verbleiben. © Adobe Stock: Suzi Media
Der Aufbau und die Reparatur von Messehallen sollte nach der Unternehmensentscheidung des Arbeitgebers in der Unternehmensgruppe verbleiben. © Adobe Stock: Suzi Media

Anne Gebhardt, Juristin beim DGB Rechtsschutz in Heidelberg, freut sich: sie gewann die Kündigungsschutzklage eines Richtmeisters vor dem Arbeitsgericht. Ihr Mandant war für die Überwachung des Auf- und Abbaus von Verleihzelten auf Messen und Veranstaltungen zuständig.

 

Die Arbeitgeberin machte eine komplette Betriebsabteilung dicht und gab diese an eine Unternehmensschwester ab. Allen neun Richtmeistern des Unternehmens kündigte sie. Gleichzeitig bot sie den Betroffenen den Abschluss eines Arbeitsvertrages zu ungünstigeren Bedingungen mit der Unternehmensschwester an. Durch die damit verbundenen sofortigen Aufhebungsverträge mit der Alt-Arbeitgeberin wären nicht einmal die bisherigen vertraglichen Ansprüche bis zum Ablauf der individuellen Kündigungsfristen gewahrt worden.

 

Als Richtmeister arbeitete der Kläger im Hallen- und Zeltaufbau

 

Schwerpunkt des Unternehmensgegenstands der Beklagten ist die Produktion und der Verkauf

der Hallen. Daneben unterhielt sie bislang einen Bereich „Rental/Kurzzeitmieten" und unterstützte damit eine Tochterfirma beim Auf- und Abbau deren Zelte. Die Beklagte vermietete daneben Zelte, übernimmt die Wartung und Reparatur von Hallenanlagen und auch den Aufbau verkaufter Bauten.

 

Eine Schwestergesellschaft der Beklagten hat sich auf dem Gebiet der Vermietung von Zelten und Leichtbauhallen innerhalb des Unternehmens spezialisiert. Bereits im Herbst 2019 erwarb diese den Kundenstamm der Beklagten im Bereich Rental. Die Beklagte tritt seit diesem Zeitpunkt nicht mehr im Vermietungsmarkt auf. Lediglich Altverträge werden von der Beklagten noch betreut.

 

Die Beklagte ließ die Richtmeister für die Schwestergesellschaft arbeiten

 

Zur Abwicklung der neuen Mietverhältnisse bediente sich die Schwestergesellschaft nach dem Herbst 2019 der Richtmeister der Beklagten. Die Beklagte fungierte seither als interne Dienstleisterin für die Schwestergesellschaft. Gingen dort Kundenaufträge ein, beauftragte diese die Beklagte als Subunternehmerin mit der Ausführung der Richtmeistertätigkeit.

 

Die Schwestergesellschaft beschloss, die Tätigkeiten der Richtmeister im eigenen Unternehmen zu bündeln und die Beklagte nicht mehr als Subunternehmerin zu beauftragen. Wann das war, blieb im Verfahren offen. In diesem Zusammenhang entschloss sich die Beklagte dazu, den Bereich Rental aufzugeben und sich zukünftig auf den Verkauf und die Produktion zu konzentrieren.

 

Alle neun Richtmeister sollten nicht mehr weiter beschäftigt werden und erhielten, nachdem sie die Aufhebungsverträge und die neuen Vertragsangebote nicht unterschrieben hatten, die Kündigung.

 

Das Arbeitsgericht prüfte die rechtlichen Vorgaben für eine betriebsbedingte Kündigung

 

Das Arbeitsgericht Heilbronn, bei dem mehrere Kündigungsschutzklagen von betroffenen Richtmeistern anhängig waren, entschied im Fall des Klägers, dass die Kündigung nach dem Kündigungsschutzgesetz als betriebsbedingte Kündigung nicht sozial gerechtfertigt ist.

 

Betriebliche Erfordernisse, die eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigten, lägen nicht vor. Diese seien anzunehmen, wenn außerbetriebliche oder innerbetriebliche Faktoren dazu führten, dass der Beschäftigungsbedarf für eine*n oder mehrere Arbeitnehmer*innen entfalle, so das Arbeitsgericht.

 

Innerbetriebliche Gründe bestünden in allen betrieblichen Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet, durch die der Arbeitgeber eine Entscheidung der Geschäftsführung über seine Unternehmenspolitik verwirkliche.

 

Die Entscheidung des Arbeitgebers muss zum Verlust von Arbeitsplätzen führen

 

Der Arbeitgeber treffe zunächst seine Unternehmensentscheidung. Diese müsse zur Folge haben, dass ein Überhang an Arbeitsplätzen entstehe und damit das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmer*innen entfalle.

 

Die betrieblichen Erfordernisse müssten dringend sein. Der Arbeitgeber dürfe keine Möglichkeit haben, der betrieblichen Lage durch andere Maßnahmen auf technischem, organisatorischem und wirtschaftlichem Gebiet als durch die Kündigung zu entsprechen. Die Kündigung müsse also unvermeidbar sein. Damit dürfe eine Beschäftigungsmöglichkeit für die gekündigten Arbeitnehmer*innen bei Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr bestehen.

 

Dafür fehle der Beweis. Die Beklagte habe nicht ausreichend vorgetragen und nachgewiesen, dass der Bereich Rental/Richtmeistertätigkeiten eingestellt worden und damit der Beschäftigungsbedarf für den Kläger entfallen sei. Im Zeitpunkt der Kündigung habe überhaupt noch nicht festgestanden, dass der Bereich eingestellt werde. Vielmehr spreche einiges für einen Betriebsteilübergang.

 

Wesentlich ist die Wahrung der Identität

 

Ein Betriebsteilübergang liege vor, wenn ein neuer Rechtsträger eine bestehende wirtschaftliche Einheit unter Wahrung deren Identität fortführe. Es müsse sich um eine auf Dauer angelegte Einheit handeln. Ob deren Identität gewahrt werde, hänge von verschiedenen Kriterien ab. Dazu zähle die Art des Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel sowie Gebäude und bewegliche Güter. Von Bedeutung seien aber auch der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs sowie die Übernahme der Hauptbelegschaft und der Kundschaft.

 

Komme es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft an, könne eine Gruppe von Arbeitnehmer*innen eine wirtschaftliche Einheit darstellen, obwohl nennenswerte materielle oder immaterielle Vermögenswerte nicht existierten. Es komme nicht zwingend auf die Übernahme von Vermögenswerten an. Die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit sei auch dann anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführe, sondern auch einen wesentlichen Teil des Personals übernehme.

 

Für den Betriebsteil bedarf es einer verselbständigten Einheit

 

Die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen anderen stelle keinen Betriebsübergang dar, ebenso wie die reine Auftragsnachfolge. Bei dem Bereich Rental/Richtmeistertätigkeit habe es sich jedoch um eine verselbständigte Einheit bei der Beklagten gehandelt. Der Betriebszweck dieses Betriebsteils bestehe im Errichten, Reparieren und Warten von Zeltbauten.

 

Die Einheit Rental/Richtmeistertätigkeiten sei vom weiteren Betriebszweck der Beklagten, der Produktion und dem Verkauf der Zelte, abgetrennt und verselbstständigt gewesen. Es habe es sich um eine selbständige organisatorische Untergliederung der Beklagten gehandelt. Die maßgebliche Wertschöpfung sei die Leistung der Richtmeister gewesen. Werkzeug und Fahrzeuge hätten eine untergeordnete Rolle gespielt. Es habe sich um einen Betriebsteil gehandelt, der vom Personaleinsatz geprägt und betriebsmittelarm gewesen sei.

 

Die Fortführung der Richtmeisterarbeit war geplant

 

Bei Ausspruch der Kündigung habe die Beklagte nicht die dauerhafte Auflösung des Bereichs Rental geplant, sondern die Fortführung vertraglich der Schwesterfirma zugeordnet. Das ergebe sich daraus, dass sämtliche Kündigungsschreiben ein Vertragsangebot dieser Schwestergesellschaft enthielten. Damit habe die Beklagte geplant, die bisherigen Tätigkeiten nun unter dem Dach der Schwestergesellschaft fortzuführen. Es sei gerade nicht um die Auflösung der bisherigen organisatorischen Einheit gegangen.

 

Damit stehe fest, dass die Beklagte sich im Zeitpunkt der Kündigung (noch) nicht abschließend dazu entschlossen habe, die organisatorische Einheit des Betriebsteils Rental aufzulösen. Sie wollte die entsprechenden Tätigkeiten nur selbst nicht mehr anbieten und war dabei bemüht, die Arbeitgeberstellung in der Unternehmensgruppe zu belassen.

 

Alles in allem habe die Beklagte nicht ausreichend dargelegt und bewiesen, dass kein Betriebsteilübergang vorlag. Damit habe sie auch den behaupteten Kündigungsgrund der Stilllegung des Bereichs Rental nicht nachgewiesen.

 

Ob die Voraussetzungen für einen Betriebsübergang tatsächlich rechtlich gegeben seien, spiele keine Rolle. Gestritten werde hier über eine Kündigung und da erfolge die rechtliche Prüfung nach dem Kündigungsschutzgesetz.

 

Hier geht es zum Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn.

 

 

 

Das sagen wir dazu:

Anne Gebhardt findet die Begründung des Arbeitsgerichts spannend:

 

„Das Gericht führt aus, es habe sich um einen Teilbetriebsübergang eines betriebsmittelarmen Betriebs gehandelt und begründet dies auch sehr ausführlich. Darauf, dass nicht alle Richtmeister Verträge mit der neuen Arbeitgeberin geschlossen hätten, komme es nicht an, denn die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung sei nicht an den gesetzlichen Vorschriften zum Betriebsübergang zu messen, sondern am Kündigungsschutzgesetz.“

 

Das Pikante an der Sache ist ihrer Auffassung nach, dass die Firma vor drei Jahren ein Massenentlassungsverfahren einleitete. Seinerzeit seien die Lager, in denen sich die Zelte und Maschinen für die Vermietung befanden, auf eine holländische Tochter übergegangen. Damals habe es natürlich einen Interessenausgleich und einen Sozialplan gegeben. Den Richtmeistern habe man erklärt, sie könnten keinesfalls gegen Abfindung ausscheiden, denn man brauche sie und ihre Jobs seien sicher. Bei der jetzigen Abteilungsschließung habe es dann natürlich keinerlei Abfindung oder anderweitige Kompensation gegeben.