Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di veranstaltete in Nürnberg im Rahmen von Tarifauseinandersetzungen eine Warnstreikveranstaltung mit zentraler Kundgebung. Ein Mitarbeiter nahm als ver.di-Mitglied an dem ganztägigen Warnstreik teil, zu dem die Gewerkschaft auch alle Beschäftigten seines Betriebes aufgerufen hatte.
Die Teilnahme am Warnstreik bewertete sein Arbeitgeber, der Verband für Ländliche Entwicklung Unterfranken (VLE Ufr.), eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, als unentschuldigtes Fehlen und erteilte dem Personalsachbearbeiter eine schriftliche Abmahnung. Für den Wiederholungsfall wurde ihm sogar eine fristlose Kündigung in Aussicht gestellt.
Der Beschäftigte fühlte sich zu Unrecht abgemahnt und suchte Rechtsbeistand im Büro Würzburg der DGB Rechtsschutz GmbH. Die Juristen dort reichten beim Arbeitsgericht Würzburg Klage ein. Das Ziel: Rücknahme der Abmahnung und Entfernung aus der Personalakte.
Warn-Streikteilnahme ist kein Verstoß gegen Arbeitnehmer-Pflichten
Der Klage auf Entfernung der Abmahnung gab das Gericht statt: Der Kläger habe mit seiner Teilnahme an dem Warnstreik nicht gegen seine arbeitsrechtlichen Pflichten verstoßen, sondern für die Verbesserung seiner eigenen Arbeitsbedingungen gekämpft. Obwohl der Verband für Ländliche Entwicklung Unterfranken selbst nicht Mitglied des Arbeitgeberverbandes ist, war die Teilnahme am Warnstreik des Mitarbeiters zulässig. „Der Arbeitgeber war der Meinung“, erläutert Angelika Walz, Juristin im DGB Rechtsschutz-Büro Würzburg, „er befindet sich als Nicht-Mitglied des Arbeitgeberverbandes gar nicht im Arbeitskampf und daher könne gegen ihn gar nicht ,warngestreikt’ werden.“
Diese Auffassung war deshalb falsch, weil der VLE Ufr. durch Vereinbarung im Arbeitsvertrag an den Ergebnissen der jeweiligen Tarifauseinandersetzungen beteiligt ist. Denn im Arbeitsvertrag zwischen dem Angestellten und der VLE Ufr. ist ausdrücklich vereinbart, dass sich das Arbeitsverhältnis nach den Tarifverträgen der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) bestimmt – ehemals Bundesangestelltentarifvertrag, kurz BAT. Der Arbeitgeber wendet regelmäßig die Tarifregelungen an, die die Bundesländer mit den Gewerkschaften abschließen. „Mit dieser arbeitsvertraglichen Vereinbarung“, kommentiert Angelika Walz, „war unser Mandant von Anfang an, hinsichtlich seines Rechts auf Teilnahme am Warnstreik, rechtlich abgesichert.“
Auch die Gewerkschaft hatte im Vorfeld für eine rechtliche Aufklärung ihrer Mitglieder gesorgt: Per Post hatte ver.di ihren Mitgliedern eine Informationsschrift über die Teilnahme am Warnstreik zugesandt. „Dieses Faltblatt war sehr gut gemacht, sehr informativ“, lobt die Rechtsexpertin, „auch dadurch wusste sich unser Mandant auf der rechtlich sicheren Seite.“
Rechtliche Grundlagen
Außenseiter-Arbeitgeber
Das Bundesarbeitsgericht hat es als zulässig bewertet, auch formale Außenseiter-Arbeitgeber zu bestreiken, wenn diese am Ergebnis der Tarifabschlüsse partizipieren.
Bundesarbeitsgericht am 18. Februar 2003, Az. 1 AZR 142/02