Angelika Walz, Juristin im Büro Würzburg | Foto: Peter Roggenthin
Angelika Walz, Juristin im Büro Würzburg | Foto: Peter Roggenthin

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di veranstaltete in Nürnberg im Rahmen von Tarifauseinandersetzungen eine Warnstreikveranstaltung mit zentraler Kundgebung. Ein Mitarbeiter nahm als ver.di-Mitglied an dem ganztägigen Warnstreik teil, zu dem die Gewerkschaft auch alle Beschäftigten seines Betriebes aufgerufen hatte.

Die Teilnahme am Warnstreik bewertete sein Arbeitgeber, der Verband für Ländliche Entwicklung Unterfranken (VLE Ufr.), eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, als unentschuldigtes Fehlen und erteilte dem Personalsachbearbeiter eine schriftliche Abmahnung. Für den Wiederholungsfall wurde ihm sogar eine fristlose Kündigung in Aussicht gestellt.

Der Beschäftigte fühlte sich zu Unrecht abgemahnt und suchte Rechtsbeistand im Büro Würzburg der DGB Rechtsschutz GmbH. Die Juristen dort reichten beim Arbeitsgericht Würzburg Klage ein. Das Ziel: Rücknahme der Abmahnung und Entfernung aus der Personalakte.

 

Warn-Streikteilnahme ist kein Verstoß gegen Arbeitnehmer-Pflichten

 

Der Klage auf Entfernung der Abmahnung gab das Gericht statt: Der Kläger habe mit seiner Teilnahme an dem Warnstreik nicht gegen seine arbeitsrechtlichen Pflichten verstoßen, sondern für die Verbesserung seiner eigenen Arbeitsbedingungen gekämpft. Obwohl der Verband für Ländliche Entwicklung Unterfranken selbst nicht Mitglied des Arbeitgeberverbandes ist, war die Teilnahme am Warnstreik des Mitarbeiters zulässig. „Der Arbeitgeber war der Meinung“, erläutert Angelika Walz, Juristin im DGB Rechtsschutz-Büro Würzburg, „er befindet sich als Nicht-Mitglied des Arbeitgeberverbandes gar nicht im Arbeitskampf und daher könne gegen ihn gar nicht ,warngestreikt’ werden.“

Diese Auffassung war deshalb falsch, weil der VLE Ufr. durch Vereinbarung im Arbeitsvertrag an den Ergebnissen der jeweiligen Tarifauseinandersetzungen beteiligt ist. Denn im Arbeitsvertrag zwischen dem Angestellten und der VLE Ufr. ist ausdrücklich vereinbart, dass sich das Arbeitsverhältnis nach den Tarifverträgen der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) bestimmt – ehemals Bundesangestelltentarifvertrag, kurz BAT. Der Arbeitgeber wendet regelmäßig die Tarifregelungen an, die die Bundesländer mit den Gewerkschaften abschließen. „Mit dieser arbeitsvertraglichen Vereinbarung“, kommentiert Angelika Walz, „war unser Mandant von Anfang an, hinsichtlich seines Rechts auf Teilnahme am Warnstreik, rechtlich abgesichert.“

Auch die Gewerkschaft hatte im Vorfeld für eine rechtliche Aufklärung ihrer Mitglieder gesorgt: Per Post hatte ver.di ihren Mitgliedern eine Informationsschrift über die Teilnahme am Warnstreik zugesandt. „Dieses Faltblatt war sehr gut gemacht, sehr informativ“, lobt die Rechtsexpertin, „auch dadurch wusste sich unser Mandant auf der rechtlich sicheren Seite.“

Rechtliche Grundlagen

Außenseiter-Arbeitgeber

Wer als Arbeitgeber nicht Mitglied im Arbeitgeberverband ist, muss noch lange nicht vom Arbeitskampf verschont bleiben – so wie auch im vorliegenden Fall des Verbandes Ländliche Entwicklung Unterfranken (VLE Ufr.). Dieser ist mit sechs weiteren Verbänden für Ländliche Entwicklung in Bayern im Landesverband für Ländliche Entwicklung Bayern zusammengefasst. Die Aufsicht über den Landesverband hat als oberste Landesbehörde das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Der Freistaat Bayern ist als Arbeitgeber Mitglied im Verband Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), nicht aber der VLE Unterfranken. Dennoch kann er von den Gewerkschaften in eine Streikaktion eingebunden werden, weil er an den Ergebnissen des Arbeitskampfes beteiligt ist, indem er die Tarifabschlüsse anwendet.

Das Bundesarbeitsgericht hat es als zulässig bewertet, auch formale Außenseiter-Arbeitgeber zu bestreiken, wenn diese am Ergebnis der Tarifabschlüsse partizipieren.

Bundesarbeitsgericht am 18. Februar 2003, Az. 1 AZR 142/02