Kündigungsschutzverfahren gewonnen-aber hat er etwas davon? Copyright by  Yakobchuk Olena/Adobe Stock
Kündigungsschutzverfahren gewonnen-aber hat er etwas davon? Copyright by Yakobchuk Olena/Adobe Stock

Die Fluggesellschaft Air Berlin wurde im August 2017 insolvent. Daraufhin verloren tausende Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz. Viele von ihnen - darunter viele Beschäftigte des Kabinenpersonals - akzeptierten die Kündigung und verlangten für den Verlust ihres Arbeitsplatzes einen Nachteilsausgleich.

Warum Massenentlassungsanzeige?

Wie wir bereits berichtet hatten, hatte das Bundesarbeitsgericht im Januar 2020 ihre Klagen abgewiesen (Kein Nachteilsausgleich für Kabinenpersonal von Air Berlin - DGB Rechtsschutz GmbH).

Einige Beschäftigte, die dem Cockpit-Personal angehören, wollten sich mit der Kündigung dagegen nicht abfinden und zogen vor Gericht. Sie machten geltend, dass der Betrieb Air Berlin nicht komplett aufgegeben worden, sondern auf andere Gesellschaften übergegangen sei. Außerdem sei die Massenentlassungsanzeige fehlerhaft gewesen.

Ein Betrieb, der eine größere Anzahl von Beschäftigten kündigen will, muss das gegenüber dem zuständigen Arbeitsamt anzeigen. Das sieht sowohl das Kündigungsschutzgesetz, als auch die europäische Massenentlassungsrichtlinie vor.

Die örtlichen Arbeitsagenturen sollen Gelegenheit haben, sich auf die Entlassungen der Arbeitnehmer vorzubereiten. Ist solch eine Entlassungsanzeige inhaltlich falsch oder hat der Arbeitgeber sie an die falsche Behörde gerichtet, ist sie unwirksam. Das hat wiederum zur Folge, dass die Kündigung unwirksam ist.

Agentur für Arbeit Berlin war nicht zuständig

Welche Behörde der Bundesagentur für Arbeit zuständig ist, richtet sich wiederum nach dem Betrieb des Arbeitgebers. Da die Arbeitgeberin Air Berlin ihren Hauptsitz in Berlin hatte, war sie der Meinung, dass die Bundesagentur für Arbeit Berlin die richtige Adressatin für die Massenentlassungsanzeige gewesen wäre.

Das war jedoch falsch, wie das Bundesarbeitsgericht geurteilt hat. Air Berlin unterhielt an mehreren Flughäfen sogenannte Stationen, denen das Personal zugeordnet war. Die Kläger waren bei Air Berlin als Piloten mit Einsatzort Düsseldorf beschäftigt. Sie waren daher der Station Düsseldorf zuzuordnen. Somit hätte Air Berlin die Massenentlassungsanzeige an die Bundesagentur für Arbeit in Düsseldorf richten müssen.

Air Berlin hatte sich darauf berufen, dass bei ihr tarifvertraglich getrennt organisierte Vertretungen für das Boden-, Kabinen-und Cockpit Personal beständen. Das sei unerheblich, so das Bundesarbeitsgericht. Der Betriebsbegriff sei europarechtlich zu definieren. Danach komme es auf den tatsächlichen Beschäftigungsort der betroffenen Arbeitnehmer an. Dies sei in diesen Fällen Düsseldorf gewesen.

Pyrrhus-Sieg für Kläger?

Auch die Kläger aus dieser Entscheidung einen Vorteil ziehen können, ist aber unwahrscheinlich. Air Berlin hat den Flugbetrieb eingestellt, so dass sie nicht mehr weiterbeschäftigt werden können. Außerdem hat der Insolvenzverwalter von Air Berlin bereits zwei Masseunzulänglichkeitsanzeigen abgegeben.

Das bedeutet, dass nicht einmal genug Geld da ist, um die Kosten des Insolvenzverfahrens abzudecken. Die Kläger und die anderen Beschäftigten, die gegen Air Berlin klagen, werden daher aller voraussichtlich leer ausgehen.

Dies könnte auch für die Kündigungsschutzverfahren des Kabinen-Personals gelten. Hierüber wird das Bundesarbeitsgericht im Mai 2020.
Hier geht es zur Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts
Lesen Sie hierzu auch:
Insolvenz bei Air Berlin - was Beschäftigte beachten müssen
Kein Nachteilsausgleich für Kabinenpersonal von Air Berlin
Kündigung wegen fehlerhafter Massenentlassungsanzeige unwirksam

Rechtliche Grundlagen

§ 17 KSchG

§ 17
Anzeigepflicht

(1) 1Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er
1. in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5 Arbeitnehmer,

2. in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,

3. in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer

innerhalb von 30 Kalendertagen entläßt.

2Den Entlassungen stehen andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlaßt werden.