Kollektive Krankmeldung als Mittel des Arbeitskampfes ist eine riskante Strategie.
Kollektive Krankmeldung als Mittel des Arbeitskampfes ist eine riskante Strategie.

Die Beschäftigten des Flugunternehmens TUIfly stehen vor einer unsicheren Zukunft. Der Krankenstand ist zuletzt sprunghaft angestiegen, fast die Hälfte aller Flüge musste gestrichen werden. Manche Beobachter hielten dies für eine gezielte Aktion, der Arbeitsrechtler Robert von Steinau-Steinrück sprach im „SPIEGEL“ sogar von einem „schlauen Mittel“.

Unternehmen im Umbruch

Zuvor waren Planungen bekannt geworden, nach denen TUIfly in eine Holding unter Führung von Etihad überführt werden soll, die auch Anteile an Air-Berlin halten. Dabei könnte TUIfly in die österreichische Airline Niki eingegliedert werden.

Experten wie das ver.di-Bundesvorstandsmitglied Christine Behle befürchten, dass durch die Eingliederung bei Niki Lohneinbußen von mehr als 20 Prozent eintreten können.

Vor diesem Hintergrund wäre es logisch, wenn die Beschäftigten versuchen, Druck auf den Arbeitgeber aufzubauen und auf ihre Belange aufmerksam machen.

Vorsicht vor unberechtigtem Fernbleiben

Wenn Arbeitsrechtsexperte Steinau-Steinrück das kollektive Krankmelden als „schlaues Mittel“ bezeichnet, dann deshalb, weil man als Arbeitnehmer*in in der Regel erst nach drei Tagen eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen muss.

Das heißt allerdings nicht, dass man als Arbeitnehmer quasi „die Tage gut“ hat. Denn wer sich krank meldet, obwohl er eigentlich arbeiten kann, macht sich wegen Betrugs strafbar. Er hat dann für diese Zeit Entgeltfortzahlung bekommen, obwohl sie ihm nicht zusteht.

Außerdem kann der Arbeitgeber bei nächster Gelegenheit eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung schon am ersten Tag der Krankmeldung verlangen, was besonders ärgerlich wäre, wenn man dann wirklich krank wäre und wegen eines einzigen Tages zum Arzt müsste.

Schadensersatz droht

Auch für Gewerkschaften mag es auf den ersten Blick verlockend sein, auf das Mittel kollektiver Krankmeldungen zurückzugreifen: Während man für einen Streik ein komplexes Verfahren durchlaufen muss und Fristen zu beachten sind, ist eine Krankmeldung von jetzt auf gleich möglich, der Effekt ist, wie bei TUIfly zu besichtigen, erheblich.

Gleichwohl ist auch vor der kollektiven Krankmeldung als Streikmittel zu warnen: Wer als Gewerkschaft seine Mitglieder zur Krankmeldung aufruft, stiftet zum Betrug an und gefährdet die Arbeitsplätze der jeweiligen Mitarbeiter.

Außerdem können Arbeitgeber, die beweisen können, dass die Gewerkschaft hinter den Massenkrankmeldungen stecken, von ihr Ersatz des Schadens verlangen, der durch diese Aktion eingetreten ist. Dies kann durchaus schmerzhaft werden.

Unsicherheit macht krank

Kollektive Krankmeldungen sind daher zwar ein effektives, aber eben auch rechtswidriges und hoch riskantes Mittel, um Druck auf einen Arbeitgeber auszuüben.

Bei den Krankmeldungen bei TUIfly gibt es bisher auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der sprunghaft erhöhte Krankenstand Resultat eines geplanten Vorgehens ist. Die Gewerkschaft der Flugbegleiter stellte klar, dass missbräuchliches Krankmelden für sie kein Mittel des Arbeitskampfes ist.

Auch darf man nicht außer Acht lassen, das die Querelen um die Umstrukturierung bei vielen Beschäftigten an den Nerven zehrt und zu erhöhter Anfälligkeit für Erkrankungen führt.

Wer für sich bei seinem Arbeitgeber keine Zukunft mehr sieht, ist außerdem viel weniger bereit, die Zähne zusammen zu beißen und trotz bestehender Erkrankung zu arbeiten. Auch so können erhöhte Krankheitstage zu Stande kommen.


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Rechtliche Grundlagen

§ 3 Entgeltfortzahlungsgesetz

Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
(1) Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne daß ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. Wird der Arbeitnehmer infolge derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig, so verliert er wegen der erneuten Arbeitsunfähigkeit den Anspruch nach Satz 1 für einen weiteren Zeitraum von höchstens sechs Wochen nicht, wenn
1. er vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war oder
2. seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen ist.
(2) Als unverschuldete Arbeitsunfähigkeit im Sinne des Absatzes 1 gilt auch eine Arbeitsverhinderung, die infolge einer nicht rechtswidrigen Sterilisation oder eines nicht rechtswidrigen Abbruchs der Schwangerschaft eintritt. Dasselbe gilt für einen Abbruch der Schwangerschaft, wenn die Schwangerschaft innerhalb von zwölf Wochen nach der Empfängnis durch einen Arzt abgebrochen wird, die schwangere Frau den Abbruch verlangt und dem Arzt durch eine Bescheinigung nachgewiesen hat, daß sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff von einer anerkannten Beratungsstelle hat beraten lassen.
(3) Der Anspruch nach Absatz 1 entsteht nach vierwöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses.