Keine Entschädigung nach AGG wegen Gendersternchen in Stellenausschreibungen. Copyright: @Adobe Stock – fotohansel
Keine Entschädigung nach AGG wegen Gendersternchen in Stellenausschreibungen. Copyright: @Adobe Stock – fotohansel

 Die klagende Person ist zweigeschlechtlich geboren und durch chirurgische Eingriffe schwerbehindert. Sie hatte sich auf eine Stellenausschreibung des beklagten Landkreises beworben, wurde jedoch nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Sie vermutete eine Diskriminierung. Hintergrund war, dass der beklagte Landkreis in seiner Stellenausschreibung das Gendersternchen benutzt hatte und so beispielsweise „Diplom-Sozialpädagog*innen“ sowie „Diplom-Heilpädagog*innen“ suchte. Ebenso befand sich in der Stellenausschreibung der Satz: „Näheres entnehmen Sie bitte dem nachstehenden Anforderungsprofil einer Fachkraft (m/w/d)“.

 

Insbesondere weil der Landkreis das Gendersternchen im Rahmen der Stellenausschreibung benutzt habe, sah sich die klagende Person aufgrund des Geschlechts, der „Rasse“ und wegen einer Schwerbehinderung diskriminiert. Sie fühle sich als Person, die sich keinem Geschlecht eindeutig zuordnet, nicht angesprochen.

 

Das Arbeitsgericht Elmshorn hatte in erster Instanz zulasten der klagenden Person entschieden, dass dieser kein Entschädigungsanspruch nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz wegen einer Benachteiligung zusteht. Sie legte daraufhin Berufung beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein ein, jedoch ohne Erfolg. Das Landesarbeitsgericht bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz.

 

Keine erkennbare Diskriminierung, wenn Absicht zur geschlechtsneutralen Ansprache erkennbar

 

Die Stellenausschreibung verstoße nicht gegen das Benachteiligungsverbot aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Eine Diskriminierung wegen des umstrittenen Begriffs der „Rasse“ scheide aus, da die Diskriminierung von zweigeschlechtlichen Menschen an das Merkmal „Geschlecht“ anknüpfe. Aber auch aufgrund des Merkmals „Geschlecht“ liege keine Diskriminierung vor. Vielmehr sei die Stellenausschreibung geschlechtsneutral formuliert.

 

Das Gericht betonte dabei, dass sich die Bewertung einer geschlechtsneutralen Formulierung nicht aus der grammatikalischen Korrektheit oder einzelnen Schreibweisen ergebe. Vielmehr müsse sich aus dem Gesamtzusammenhang einer Ausschreibung ergeben, dass keine Geschlechtsdiskriminierung beabsichtigt war und alle Menschen angesprochen werden sollten. Dies habe der beklagte Landkreis mit der Verwendung des Gendersternchens gezeigt.

 

Das Gendersternchen oder auch der „Genderstern“ wird häufig als Mittel einer gendersensiblen Rechtschreibung benutzt, um neben männlichen und weiblichen auch nichtbinäre, diversgeschlechtliche Personen sichtbar zu machen und in der Sprache einzubeziehen. Obwohl der Rat für deutsche Rechtschreibung und die Gesellschaft für deutsche Sprache das Gendersternchen nicht anerkennen bzw. eine Aufnahme in offizielle Regelwerke ablehnen, nutzen Behörden, Verwaltungen und Rundfunkanstalten zunehmend dieses Mittel zur sozialen Inklusion bzw. Einbeziehung aller Menschen, beispielsweise das ZDF.

 

Den Gesamteindruck der geschlechtsneutralen Ansprache belege nach Ansicht des Gerichts auch der Zusatz „m/w/d“, welcher in der Stellenausschreibung zu finden ist. Dieser in nahezu allen Stellenausschreibungen zu findende Zusatz steht üblicherweise für „männlich/weiblich/divers“. Dem Vorbringen der klagenden Partei, das „d“ könne hier auch für „deutsch“ stehen, hielt das Gericht für abwegig. Denn der Zusatz sei praxisüblich und es gebe keine Anhaltspunkte für ein anderes Verständnis dieser Formulierung.

 

„m/w/d“ – „männlich, weiblich, divers“

 

Der in Stellenausschreibungen mittlerweile standardmäßig zu findende Zusatz „m/w/d“ hat den gleichen Zweck wie das Gendersternchen, nämlich: Alle Menschen unabhängig vom Geschlecht anzusprechen und zu verdeutlichen, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt.

 

Zurück geht die Einführung des umgangssprachlich „dritten Geschlechts“ auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2017. Damals hatte eine intersexuelle Person auf Eintragung der Geschlechtsangabe „inter/divers“ in das Geburtenregister geklagt. Das Bundesverfassungsgericht sah in der Verpflichtung, sich verbindlich auf ein Geschlecht („männlich“ oder „weiblich“) festlegen zu müssen, eine Diskriminierung und hatte dem Gesetzgeber den Auftrag erteilt, Verstöße gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das grundgesetzliche Diskriminierungsverbot mit Blick auf Menschen, die sich keinem Geschlecht eindeutig zuordnen können, zu beseitigen.

 

Im Jahr 2018 folgte sodann die Umsetzung durch den Deutschen Bundestag: das „Gesetz zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben“ erschuf die Kategorie „divers“ im Personenstandsgesetz. Seitdem können die Menschen zwischen „männlich“, „weiblich“ und „divers“ wählen.

 

Dies hatte natürlich auch Folgen für die arbeitsrechtliche Praxis: geschlechtsneutrale Stellenausschreibungen werden durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz garantiert. Da eine Benachteiligung wegen des Geschlechts grundsätzlich rechtswidrig ist, müssen auch „Diverse“ in Stellenausschreibungen berücksichtigt werden – beispielhaft durch den Zusatz: m/w/d.

 

Ist dieser Zusatz in Stellenausschreibungen zu finden, so ist auch nach den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein regelmäßig das Bemühen um eine geschlechtsneutrale Sprache zu erkennen. Ein Entschädigungsanspruch aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz scheidet dann in der Regel aus, wenn nicht besondere, andere Umstände in einer Ausschreibung auf eine Diskriminierung hindeuten.

Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein, Beschluss vom 22. Juni 2021 – 3 Sa 37 öD/21

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum "dritten Geschlecht", Beschluss vom 10. Oktober 2017 - 1 BvR 2019/16

Rechtliche Grundlagen

§ 15 AGG

Entschädigung und Schadensersatz

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.