Der lange Weg durch die Instanzen - Kopftuchverbot erneut auf dem Prüfstand. Copyright by BillionPhotos.com/ Fotolia
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Eine seit 2002 als Verkäuferin und Kassiererin bei der Drogeriemarktkette Müller angestellte Klägerin hatte sich in zwei Instanzen erfolgreich gegen ein von ihrem Arbeitgeber ausgesprochenes Kopftuchverbot gewehrt. Hierüber haben wir bereits berichtet: Drogeriemarkt Müller verhängt Kopftuchverbot

Drogeriemarkt Müller legt Revision ein

Gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) legte Müller Revision beim Bundesarbeitsgericht (BAG) ein. Die Richter*innen des höchsten deutschen Arbeitsgerichts haben am 30.01.2019 keine Entscheidung in der Sache getroffen, sondern den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um eine Antwort auf folgende Frage gebeten:
 
Kann eine festgestellte mittelbare Ungleichbehandlung wegen der Religion aufgrund einer internen Regel eines privaten Unternehmens nur dann angemessen sein, wenn nach dieser Regel das Tragen jeglicher sichtbarer und nicht nur das Tragen auffälliger großflächiger Zeichen religiöser, politischer und sonstiger weltanschaulicher Überzeugungen verboten ist?

„Müllerfall“ wird zum Präzedenzfall

Damit wird der Fall zum Präzedenzfall dafür, ob Unternehmen im Interesse der Neutralität gegenüber Kunden in Grundrechte von Arbeitnehmern eingreifen können.
 
Vereinfacht gesagt und auf den Fall der Müller-Mitarbeiterin bezogen soll der EuGH die Frage beantworten, ob es einem privaten Unternehmen gestattet sein kann, Mitarbeiter*innen das Tragen von Kopfbedeckungen zu untersagen.

Umstrittenes Kopftuchverbot  - Endgültige Klärung durch EuGH?

Das BAG sah sich veranlasst, die Sache an den EuGH zu verweisen, da die Luxemburger Richter*innen 2017 in zwei Entscheidungen Kopftuchverbote unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig gehalten hatten. Hiernach besteht die Möglichkeit eines Kopftuchverbots, wenn weltanschauliche Zeichen im Unternehmen generell verboten seien und es dafür sachliche Gründe gebe. Liege ein solcher Fall vor, könne nicht von einer unmittelbaren Diskriminierung ausgegangen werden, da von einer Gleichbehandlung aller Beschäftigten auszugehen sei.

Pauschale Kopftuchverbote nicht zulässig

Nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG sind pauschale Kopftuchverbote nicht erlaubt.
 
2002 hatte das BAG Fall einer Verkäuferin entschieden, dass allein das Tragen eines muslimischen Kopftuchs keine Kündigung rechtfertige. Beim Vorliegen sachlicher Gründe jedoch seien Kopftuchverbote möglich.
 
Man darf gespannt sein, wie der EuGH die Frage des BAG beantwortet.
 
Über den weiteren Verlauf werden wir berichten.
 
Hier geht es zur Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 30.01.2019:

 

  • Für Interessierte:

Hier das Vorabentscheidungsersuchen des Bundesarbeitsgerichts an den Europäischen Gerichtshof vom 30.01.2019:

I. Der Gerichtshof der Europäischen Union wird nach Art. 267 AEUV um Vorabentscheidung über die Fragen ersucht:
 
1. Kann eine festgestellte mittelbare Ungleichbehandlung wegen der Religion im Sinn von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/78/EG aufgrund einer internen Regel eines privaten Unternehmens nur dann angemessen sein, wenn nach dieser Regel das Tragen jeglicher sichtbarer und nicht nur das Tragen auffälliger großflächiger Zeichen religiöser, politischer und sonstiger weltanschaulicher Überzeugungen verboten ist?
 
2. Sofern die Frage zu 1. verneint wird:
 
a) Ist Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/78/EG dahin auszulegen, dass die Rechte aus Art. 10 GRC und Art. 9 EMRK in der Prüfung berücksichtigt werden dürfen, ob eine festgestellte mittelbare Ungleichbehandlung wegen der Religion aufgrund einer internen Regel eines privaten Unternehmens angemessen ist, die das Tragen auffälliger großflächiger Zeichen religiöser, politischer und sonstiger weltanschaulicher Überzeugungen verbietet?
b) Ist Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/78/EG dahin auszulegen, dass nationale Regelungen von Verfassungsrang, die die Religionsfreiheit schützen, als günstigere Vorschriften im Sinn von Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG in der Prüfung berücksichtigt werden dürfen, ob eine festgestellte mittelbare Ungleichbehandlung wegen der Religion aufgrund einer internen Regel eines privaten Unternehmens angemessen ist, die das Tragen auffälliger großflächiger Zeichen religiöser, politischer und sonstiger weltanschaulicher Überzeugungen verbietet?
 
3. Sofern die Fragen zu 2a) und 2b) verneint werden:
Müssen nationale Regelungen von Verfassungsrang, die die Religionsfreiheit schützen, in der Prüfung einer Weisung aufgrund einer internen Regel eines privaten Unternehmens, die das Tragen auffälliger großflächiger Zeichen religiöser, politischer und sonstiger weltanschaulicher Überzeugungen verbietet, wegen primären Unionsrechts unangewendet bleiben, auch wenn primäres Unionsrecht, wie zum Beispiel Art. 16 GRC, einzelstaatliche Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten anerkennt?
 
II. Das Revisionsverfahren wird bis zu der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über das Vorabentscheidungsersuchen ausgesetzt.