Bundesarbeitsgericht stellt klar: Bei Ungleichbehandlung wird Diskriminierung vermutet.
Bundesarbeitsgericht stellt klar: Bei Ungleichbehandlung wird Diskriminierung vermutet.

Die DGB Rechtsschutz GmbH hat eine transsexuelle Klägerin vertreten, die sich auf eine Stelle als Kommissioniererin bei einem Schmuckvertrieb beworben hatte. 

Bewerberin wurde beim Vorstellungsgespräch ignoriert

Nachdem die Klägerin zum vereinbarten Vorstellungstermin erschienen war, wurde sie von dem Logistikleiter der Firma zunächst nicht begrüßt, weil er sie nicht als Frau wahrnahm. Als die Klägerin ihn ansprach und sich vorstellte, erwiderte er ihr gegenüber, er habe mit einer Frau M. gerechnet. 

Die Klägerin wies darauf hin, dass sie Frau M. sei und wurde daraufhin von dem Logistikleiter nach einigem Zögern durch den Betrieb geführt. Die anfallenden Arbeiten als Kommissioniererin wurden ihr aber nicht erläutert.

Kurze Zeit später erhielt sie die Mitteilung, dass man sich für eine andere Bewerberin entschieden habe.

Diskriminierungsschutz auch für Transsexuelle

Die Klägerin als Transsexuelle hat sich daraufhin auf den Diskriminierungsschutz nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) berufen und Schadensersatz eingeklagt.

Nachdem die Klage in zwei Instanzen abgewiesen worden war, hat die Klägerin, vertreten durch den DGB Rechtsschutz, Revision beim Bundesarbeitsgericht eingelegt. Dort wurde das Urteil des Landesarbeitsgerichtes aufgehoben und das Verfahren zurück verwiesen.

Zunächst wird in dem Urteil klargestellt, dass selbstverständlich auch die Transsexualität durch das AGG vor Diskriminierung geschützt wird. Dabei kann es sich sowohl um eine Benachteiligung wegen des Geschlechts als auch wegen der sexuellen Identität handeln.

Bundesarbeitsgericht nimmt das AGG ernst

In der Entscheidung haben die Richter*innen insbesondere zur Darlegungslast bei Diskriminierungsklagen grundlegende Feststellungen getroffen. Danach muss zwar zwischen dem im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz  genannten Grund und der benachteiligenden Behandlung ein Zusammenhang bestehen. 

Der betreffende Grund muss aber keineswegs das ausschließliche oder auch nur ein wesentliches Motiv für das Handeln sein. Es reicht aus, wenn der Grund lediglich mitursächlich für die Benachteiligung ist.

Daraus folgt, dass es für eine betroffene Person zunächst einmal ausreicht, dass sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung (unter anderem) wegen eines im Gesetz genannten Grundes erfolgt ist.

Benachteiligung wird vermutet

Besteht demnach eine entsprechende Vermutung einer Benachteiligung, kommt es zu einer Beweislastumkehr: Es trägt dann die andere Seite die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt wurde. Der Arbeitgeber muss hierzu ausreichende Tatsachen vortragen und gegebenenfalls beweisen, dass ausschließlich andere als die im Gesetz genannten Gründe zu der Benachteiligung geführt haben.

Auf dieser Grundlage hat das Bundesarbeitsgericht das Verfahren wieder an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Denn die Klägerin musste entgegen der Ansicht der Landesarbeitsrichter*innen lediglich Indizien vorbringen, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, sie sei von dem Mitarbeiter der beklagten Firma als transsexueller Mensch wahrgenommen und deshalb benachteiligt worden. 

Diese Indizien lagen durch das - weitgehend unstreitige - Verhalten des Arbeitgebers vor. Nach der dargestellten Beweislastverteilung wäre es jetzt Sache des Arbeitgebers gewesen vorzutragen und nachzuweisen, dass ausschließlich andere Gründe für die Ablehnung der Klägerin ausschlaggebend waren.

Was ist beim Anspruch auf Schadensersatz nach dem AGG zu beachten?

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz soll Benachteiligungen im Arbeitsleben wegen bestimmter Eigenschaften oder Zugehörigkeiten verhindern und beseitigen.

Dabei geht es um Benachteiligungen wegen:

  • der Rasse
  • der ethnischen Herkunft
  • des Geschlechts
  • der Religion
  • der Weltanschauung
  • des Alters oder
  • der sexuellen Identität.


Das Gesetz verbietet jede unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen eines dieser Kriterien, sowohl in einem bestehenden Arbeitsverhältnis als auch bei der Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses.

Die wichtigste Sanktion bei einem entsprechenden Verstoß ist ein spezieller gesetzlicher Schadensersatzanspruch, dessen Höhe jedoch im Gesetz nicht festgelegt ist.

Bei einer Benachteiligung im Bewerbungsverfahren kann ein solcher Schadensersatz auch dann geltend gemacht werden, wenn der oder die Beschäftigte auch ohne die Benachteiligung aus anderen Gründen nicht eingestellt worden wäre.

Achtung: Fristen !

Wer einen Anspruch auf Entschädigung wegen einer Diskriminierung geltend machen will, muss zwingend die gesetzlichen Fristen einhalten.

Der Schadensersatz muss innerhalb von zwei Monaten nach Kenntnis von der Benachteiligung bzw. nach der Ablehnung einer Bewerbung schriftlich geltend gemacht werden.

Bleibt die Geltendmachung erfolglos, muss der Anspruch spätestens innerhalb von drei Monaten nach der Geltendmachung beim Arbeitsgericht eingeklagt werden. Wer die Frist versäumt, verliert den Anspruch!

 

Urteil des Bundesarbeitsgerichts von 17.12.2015, 8 AZR 421/14 im Volltext

 

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Im Praxistipp: § 15 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (Entschädigung und Schadensersatz) - § 61b Arbeitsgerichtsgesetz (Klage wegen Benachteiligung)

Rechtliche Grundlagen

§ 15 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (Entschädigung und Schadensersatz) - § 61b Arbeitsgerichtsgesetz (Klage wegen Benachteiligung)

§ 15 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (Entschädigung und Schadensersatz)

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

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§ 61b Arbeitsgerichtsgesetz (Klage wegen Benachteiligung)

(1) Eine Klage auf Entschädigung nach § 15 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes muss innerhalb von drei Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist, erhoben werden.

(2) Machen mehrere Bewerber wegen Benachteiligung bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses oder beim beruflichen Aufstieg eine Entschädigung nach § 15 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes gerichtlich geltend, so wird auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsgericht, bei dem die erste Klage erhoben ist, auch für die übrigen Klagen ausschließlich zuständig. Die Rechtsstreitigkeiten sind von Amts wegen an dieses Arbeitsgericht zu verweisen; die Prozesse sind zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden.

(3) Auf Antrag des Arbeitgebers findet die mündliche Verhandlung nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Erhebung der ersten Klage statt.