Für die Frage, aus wie vielen Mitgliedern ein Betriebsrat besteht, kommt es nach dem Betriebsverfassungsgesetz darauf an, wie viele Arbeitnehmer in einem Betrieb beschäftigt sind.
Deshalb hatte sich das Bundesarbeitsgericht mehrfach mit dem Problem zu befassen, ob Leiharbeiter*innen dabei mitzuzählen sind.

Der Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 10.03.04 (7 ABR 49/03)

In dieser Entscheidung geht das Bundesarbeitsgericht davon aus, dass Arbeitnehmer*in nur sein kann, wer

  • einen Arbeitsvertrag mit dem Betriebsinhaber abgeschlossen hat (Komponente 1)

und

  • in die Betriebsorganisation des Arbeitgebers eingegliedert ist. (Komponente 2)


Bei Leiharbeit ist es so, dass der Vertragspartner nicht identisch mit dem Inhaber des Betriebes ist, bei die Arbeit tatsächlich anfällt. Aus diesem Grund, so das BAG, können Leiharbeiter*innen nicht Arbeitnehmer*innen des Betriebes sein, in dem sie Tag für Tag eingesetzt sind. Infolgedessen sind sie auch nicht mitzuzählen, wenn es darum geht, die Anzahl der zu wählenden Betriebsräte zu ermitteln.

Der Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 13.03.13 (7 ABR 69/11)

Mit diesem Beschluss hat das BAG seine Zwei-Komponenten-Sichtweise aufgegeben. Sie werde zwar ohne Weiteres der Normalfallgestaltung gerecht. Sie versage aber bei atypischen Fallgestaltungen wie der Leiharbeit. Denn maßgebend für die Anzahl der Mitglieder eines Betriebsrats ist der zu erwartende Arbeitsanfall. Dieser Arbeitsanfall steigt, je mehr Arbeitnehmer*innen vom Betriebsrat zu betreuen sind. Deshalb führt das BAG folgerichtig aus: „Eine angemessene Interessenvertretung ist dann gefährdet, wenn die Zahl der regelmäßig im Betrieb beschäftigten Leiharbeitnehmern deutlich steigt, ohne dass dies bei der Betriebsratsgröße Berücksichtigung findet."

Im Hinblick auf die Größe des Betriebsrats geht das Bundesarbeitsgericht jetzt also davon aus, dass regelmäßig beschäftigte Leiharbeiter*innen mitzuzählen sind.

Der Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 18.01.17 (7 ABR 60/15)

Auch im Zusammenhang mit der Freistellung von der eigentlichen Arbeit kommt es nach dem Betriebsverfassungsgesetz auf die Anzahl der Arbeitnehmer*innen an.
In konsequenter Anwendung der Begründung des Beschlusses aus dem Jahr 2013 kommt das BAG knapp vier Jahre später zu dem Ergebnis, dass Leiharbeiter*innen auch dann mitzählen, wenn es darum geht, wie viele Mitglieder des Betriebsrats freizustellen sind. Voraussetzung ist aber auch hier, dass die Leiharbeiter*innen „ … zu dem regelmäßigen Personalbestand des Betriebs zählen."

Ergebnis

Leiharbeitnehmer*innen, die regelmäßig im Betrieb arbeiten, sind bei der Ermittlung sowohl der Größe des Betriebsrats als auch der Anzahl der freizustellenden Mitglieder mitzuzählen.

Hier finden Sie die vollständigen Beschlüsse:

Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 10.03.04 (7 ABR 49/03)

Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 13.03.13 (7 ABR 69/11

Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 18.01.17 (7 ABR 60/15) 

Das sagen wir dazu:

Die Entscheidungen aus den Jahren 2013 und 2017 sind zu begrüßen. Die Möglichkeit, Leiharbeitsverhältnisse zu schließen, war politisch gewollt. Der Missbrauch im Wege der Ersetzung von Teilen der Stammbelegschaft durch Leiharbeiter*innen war absehbar und vom Gesetzgeber zumindest in Kauf genommen. Wegen der der steigenden Anzahl von Leiharbeitsverhältnissen hat sich eine Situation ergeben, in der sich einerseits Betriebsräte einer nicht mehr zumutbaren Arbeitsbelastung ausgesetzt sahen und andererseits die Interessenvertretung von einer Vielzahl von Beschäftigten nicht gewährleistet war. Wenn Leiharbeit schon zulässig sein soll, ist es das Mindeste, die Vertretung auch der Interessen von Leiharbeiter*innen bei einem angemessenen Arbeitsaufwand für die Betriebsräte sicherzustellen. Diesem Anspruch ist die Rechtsprechung erfreulicherweise mit den beiden vorgestellten Entscheidungen nachgekommen.

Rechtliche Grundlagen

§§ 9 und 38 Betriebsverfassungsgesetz


§ 9 Betriebsverfassungsgesetz
Zahl der Betriebsratsmitglieder
Der Betriebsrat besteht in Betrieben mit in der Regel
5 bis 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern aus einer Person,
21 bis 50 wahlberechtigten Arbeitnehmern aus 3 Mitgliedern,
51 wahlberechtigten Arbeitnehmern bis 100 Arbeitnehmern aus 5 Mitgliedern,
101 bis 200 Arbeitnehmern aus 7 Mitgliedern,
201 bis 400 Arbeitnehmern aus 9 Mitgliedern,
401 bis 700 Arbeitnehmern aus 11 Mitgliedern,
701 bis 1000 Arbeitnehmern aus 13 Mitgliedern,
1001 bis 1500 Arbeitnehmern aus 15 Mitgliedern,
1501 bis 2000 Arbeitnehmern aus 17 Mitgliedern,
2001 bis 2500 Arbeitnehmern aus 19 Mitgliedern,
2501 bis 3000 Arbeitnehmern aus 21 Mitgliedern,
3001 bis 3500 Arbeitnehmern aus 23 Mitgliedern,
3501 bis 4000 Arbeitnehmern aus 25 Mitgliedern,
4001 bis 4500 Arbeitnehmern aus 27 Mitgliedern,
4501 bis 5000 Arbeitnehmern aus 29 Mitgliedern,
5001 bis 6000 Arbeitnehmern aus 31 Mitgliedern,
6001 bis 7000 Arbeitnehmern aus 33 Mitgliedern,
7001 bis 9000 Arbeitnehmern aus 35 Mitgliedern.
In Betrieben mit mehr als 9000 Arbeitnehmern erhöht sich die Zahl der Mitglieder des Betriebsrats für je angefangene weitere 3000 Arbeitnehmer um 2 Mitglieder.


§ 38 Betriebsverfassungsgesetz
Freistellungen
(1) Von ihrer beruflichen Tätigkeit sind mindestens freizustellen in Betrieben mit in der Regel
200 bis 500 Arbeitnehmern ein Betriebsratsmitglied,
501 bis 900 Arbeitnehmern 2 Betriebsratsmitglieder,
901 bis 1.500 Arbeitnehmern 3 Betriebsratsmitglieder,
1.501 bis 2.000 Arbeitnehmern 4 Betriebsratsmitglieder,
2.001 bis 3.000 Arbeitnehmern 5 Betriebsratsmitglieder,
3.001 bis 4.000 Arbeitnehmern 6 Betriebsratsmitglieder,
4.001 bis 5.000 Arbeitnehmern 7 Betriebsratsmitglieder,
5.001 bis 6.000 Arbeitnehmern 8 Betriebsratsmitglieder,
6.001 bis 7.000 Arbeitnehmern 9 Betriebsratsmitglieder,
7.001 bis 8.000 Arbeitnehmern 10 Betriebsratsmitglieder,
8.001 bis 9.000 Arbeitnehmern 11 Betriebsratsmitglieder,
9.001 bis 10.000 Arbeitnehmern 12 Betriebsratsmitglieder.

In Betrieben mit über 10.000 Arbeitnehmern ist für je angefangene weitere 2.000 Arbeitnehmer ein weiteres Betriebsratsmitglied freizustellen. Freistellungen können auch in Form von Teilfreistellungen erfolgen. Diese dürfen zusammengenommen nicht den Umfang der Freistellungen nach den Sätzen 1 und 2 überschreiten. Durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung können anderweitige Regelungen über die Freistellung vereinbart werden.

(2) Die freizustellenden Betriebsratsmitglieder werden nach Beratung mit dem Arbeitgeber vom Betriebsrat aus seiner Mitte in geheimer Wahl und nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt. Wird nur ein Wahlvorschlag gemacht, so erfolgt die Wahl nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl; ist nur ein Betriebsratsmitglied freizustellen, so wird dieses mit einfacher Stimmenmehrheit gewählt. Der Betriebsrat hat die Namen der Freizustellenden dem Arbeitgeber bekannt zu geben. Hält der Arbeitgeber eine Freistellung für sachlich nicht vertretbar, so kann er innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach der Bekanntgabe die Einigungsstelle anrufen. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Bestätigt die Einigungsstelle die Bedenken des Arbeitgebers, so hat sie bei der Bestimmung eines anderen freizustellenden Betriebsratsmitglieds auch den Minderheitenschutz im Sinne des Satzes 1 zu beachten. Ruft der Arbeitgeber die Einigungsstelle nicht an, so gilt sein Einverständnis mit den Freistellungen nach Ablauf der zweiwöchigen Frist als erteilt. Für die Abberufung gilt § 27 Abs. 1 Satz 5 entsprechend.

(3) Der Zeitraum für die Weiterzahlung des nach § 37 Abs. 4 zu bemessenden Arbeitsentgelts und für die Beschäftigung nach § 37 Abs. 5 erhöht sich für Mitglieder des Betriebsrats, die drei volle aufeinanderfolgende Amtszeiten freigestellt waren, auf zwei Jahre nach Ablauf der Amtszeit.

(4) Freigestellte Betriebsratsmitglieder dürfen von inner- und außerbetrieblichen Maßnahmen der Berufsbildung nicht ausgeschlossen werden. Innerhalb eines Jahres nach Beendigung der Freistellung eines Betriebsratsmitglieds ist diesem im Rahmen der Möglichkeiten des Betriebs Gelegenheit zu geben, eine wegen der Freistellung unterbliebene betriebsübliche berufliche Entwicklung nachzuholen. Für Mitglieder des Betriebsrats, die drei volle aufeinanderfolgende Amtszeiten freigestellt waren, erhöht sich der Zeitraum nach Satz 2 auf zwei Jahre.