Wohin darf die Reise des Gesamtbetriebsrats gehen? Copyright by Adobe Stock/ thieury
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Mit dieser Frage hat sich das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein in seinem Beschluss vom 24. Februar 2020 beschäftigt.

Einzelner Betrieb hat keinen Betriebsrat

Ein Arbeitgeber betreibt bundesweit an 29 Standorten Kinos. Davon haben 13 einen Betriebsrat. Es existiert ein Gesamtbetriebsrat. Für die übrigen 16 Kinos gibt es keinen Betriebsrat.

Sitzung am Ort eines Betriebs ohne eigenen Betriebsrat

Der Gesamtbetriebsrat beabsichtigte, eine Sitzung an einem Standort abzuhalten, der keinen eigenen Betriebsrat hat.
Der Arbeitgeber erklärte, dass er nicht bereit sei, die Kosten dieser Sitzung (Anreise, Übernachtung, Sitzungshotel) zu übernehmen.

Der Gesamtbetriebsrat wehrt sich

Der Gesamtbetriebsrat leitete ein Beschlussverfahren ein. Das Arbeitsgericht sollte den Arbeitgeber verpflichten, die Kosten für eine Sitzung am geplanten Ort zu tragen. Dort zu tagen sei notwendig, um auch in diesem Betrieb Kontrollrechte aus dem Betriebsverfassungsgesetz wahrnehmen zu können. Außerdem gehe es darum, kontrollieren zu können, ob der Arbeitgeber die Gesamtbetriebsvereinbarungen einhält.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Gesamtbetriebsrates zurückgewiesen. Dagegen legte der Gesamtbetriebsrat Beschwerde beim Landesarbeitsgericht ein.

Die Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts

Zunächst weisen die Richter*innen der Beschwerdeinstanz auf zwei Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts hin. Danach seien Sitzungen des Gesamtbetriebsrats am Sitz der Hauptverwaltung zwar zweckmäßig, aber nicht zwingend. Vielmehr könne der Gesamtbetriebsrat auch beschließen, seine Sitzung an einem anderen Ort abzuhalten. Dies erscheine insbesondere angebracht, wenn es um besondere Probleme gerade dieses Betriebs gehe.

Diese Rechtsprechung erweitert das Landesarbeitsgericht insoweit, als es auch eine Sitzung des Gesamtbetriebsrates in einem Betrieb ohne eigenen Betriebsrat grundsätzlich für zulässig erachtet. Denn ein generelles Verbot bestehe insoweit nicht.

Voraussetzung sei aber, dass für die Sitzung in einem betriebsratlosen Betrieb eine Notwendigkeit bestehe. Entscheidend sei, „. . . ob es einen betriebsbezogenen, also standortbezogenen Anlass . . .“ dafür gibt, gerade an diesem Ort zu tagen. Die Sitzung gerade dort abzuhalten, muss also „. . . zur Wahrnehmung von Gesamtbetriebsratsaufgaben erforderlich sein.“

So kann beispielsweise eine Sitzung des Gesamtbetriebsrates in einem betriebsratslosen Betrieb erforderlich sein, wenn dieser Betrieb von einer (Gesamt-)Betriebsänderung betroffen ist. In diesem Fall kann es erforderlich sein, dass sich der Gesamtbetriebsrat vor Ort Kenntnis über die konkreten Gegebenheiten verschafft.
 
Damit lasse sich also nicht generell sagen, ob eine Sitzung des Gesamtbetriebsrates am Ort eines Betriebs ohne Betriebsrat möglich ist. Vielmehr komme es darauf an, im Einzelfall zu prüfen, ob die Sitzung gerade dort erforderlich sei.
 

Die Erforderlichkeit im konkreten Fall

Soweit sich der Gesamtbetriebsrat darauf beruft, er müsse die Einhaltung der Betriebsvereinbarungen kontrollieren, gelingt es ihm nicht, das Landesarbeitsgericht zu überzeugen. Denn nach den Betriebsvereinbarungen sei zur Kontrolle jeweils nur ein Mitglied des Gesamtbetriebsrates zuständig.
 
Auch der Hinweis des Gesamtbetriebsrates auf seine Kontrollrechte im Rahmen seiner Allgemeinen Aufgaben nach dem Betriebsverfassungsgesetz überzeugt die Richter*innen nicht. Zuständig für diese Überwachungsrechte sei allein der örtliche Betriebsrat. Gebe es dort keinen Betriebsrat, gehe das Kontrollrecht nicht etwa auf den Gesamtbetriebsrat über, sondern es entfalle.
 

Das Ergebnis

Das Landesarbeitsgericht kann zu dem Schluss, dass die Sitzung des Gesamtbetriebsrats gerade am Ort des Betriebs ohne eigenen Betriebsrat nicht erforderlich sei. Deshalb müsse der Arbeitgeber die Kosten nicht übernehmen.

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 24. Februar 2020 – 1 TaBV 21/19

Das sagen wir dazu:

Der Gesamtbetriebsrat ist gut beraten, wenn er sich sehr genau überlegt, aus welchen Gründen es im Einzelnen erforderlich ist, gerade an einem Ort eines Betriebs zu tagen, der keinen eigenen Betriebsrat hat. Nur so kann der Gesamtbetriebsrat sicherstellen, dass der Arbeitgeber die Kosten übernehmen muss.