Am 18.Februar 2022 beschloss der Betriebsrat zu einer am 24. Februar 2022 stattfindenden Betriebsratssitzung zwei Gewerkschaftssekretäre einzuladen. Hierbei handelte es sich um den örtlichen IG Metall-Betreuer (Herr M.S.), der in die Betriebsratsgründung von Anfang an involviert war.
Der zweite Berater (Herr S.F.) ist bei der Vorstandsverwaltung der IG Metall und dort u.a. im Bundesfachausschuss für Volkswagen tätig. Er hat über den Gesamtbetriebsrat von Volkswagen ein Complianceverfahren angestoßen, nachdem es im Zusammenhang mit der durchgeführten Betriebsratswahl zu gerichtlichen und außergerichtlichen Streitigkeiten gekommen war.
Arbeitgeber untersagt Teilnahme zweier Gewerkschaftsvertreter an Betriebsratssitzung
Mit Mail vom 15. Februar 2022 teilte der örtlich zuständige IGM – Sekretär dem Geschäftsführer der Arbeitgeberin mit, dass er und ein Kollege an der Betriebsratssitzung am 18. Februar 2022 teilnehmen werden. Der Geschäftsführer antwortete, er gestatte nur die Anwesenheit einer Person. Einen zweiten Vertreter der IG Metall lehne er ab.
Einer Aufforderung des Prozessbevollmächtigen der Gewerkschaft vom 18. Februar 2022, beiden Personen Zutritt zu gewähren, beschied die Arbeitgeberin ebenfalls abschlägig. Um die Teilnahme der zwei IG Metall – Sekretäre an der bevorstehenden Betriebsratssitzung zu sichern, rief die Gewerkschaft das Arbeitsgericht Weiden im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens an.
Gewerkschaft ruft Arbeitsgericht an
Die antragstellende Gewerkschaft begründete ihr Begehren damit, dass § 31 BetrVG nur das Recht einer Minderheit auf Hinzuziehung von Gewerkschaftsvertretern zu Betriebsratssitzungen regele. Über den Wortlaut der Bestimmung hinaus könne auch der Betriebsrat durch Beschluss die Teilnahme von Beauftragten einer im Betriebsrat vertretenen Gewerkschaft zulassen. Überdies beschränke § 31 BetrVG das Teilnahmerecht nicht auf eine Person.
Die Teilnahme der beiden Gewerkschaftsvertreter sei auch im Interesse einer sachgerechten Beratung des Betriebsrats. Der Vertreter der Vorstandverwaltung, Herr S.F., könne Spezialwissen aus dem Bereich des Kfz-Handwerks beisteuern, aber auch den Umgang mit Compliancethematiken, insbesondere mit Blick auf Volkswagen als Vertragspartner der Arbeitgeberin, erläutern. Die Teilnahme von Herrn M. S. an der Betriebsratssitzung als Betriebsratsbetreuer sei für die weitere Zusammenarbeit und Koordinierung relevant. Er könne nicht darauf angewiesen sein, im Nachgang vom Hörensagen Informationen von seinem Kollegen oder dem Betriebsrat zu erhalten.
Die Gewerkschaft beantragte im Wege der einstweiligen Verfügung,
die zu 2 (Arbeitgeberin) dazu zu verpflichten, den Gewerkschaftssekretären der Beteiligten zu 1 (IG Metall), Herrn M. S. und Herrn S. F., am 24.02.2022 in der Zeit von 10:00 Uhr bis 13:00 Uhr Zugang zum Standort der Beteiligten zu 2 in M. zum Zweck der Teilnahme an der Betriebsratssitzung zu gewähren.
Arbeitgeberin beantragt die Zurückweisung des Antrags
Sie vertrat die Ansicht, § 31 BetrVG verlange vom Arbeitgeber, nur einem Gewerkschaftsvertreter Zutritt zu gewähren. Dies ergebe die Auslegung der Bestimmung. Schon der Wortlaut sei eindeutig und sehe vor, dass „ein Beauftragter“ ein Teilnahmerecht ausüben könne und nicht „mehrere Beauftragte“.
Der Gesetzgeber habe an anderer Stelle auch den Plural des Begriffes benutzt, etwa bei § 46 BetrVG, wonach „Beauftragte“ an Betriebs- oder Abteilungsversammlungen teilnehmen können. Wenn der Gesetzgeber zwischen dem Singular und Plural eines Begriffes unterschieden habe, sei davon auszugehen, dass er dies bewusst gemacht habe. Im Übrigen verfolge § 31 BetrVG das Ziel, gewerkschaftliche Minderheiten im Betriebsrat zu schützen, nicht einer beliebigen Anzahl von Gewerkschaftsvertretern
ein Teilnahmerecht an Betriebsratssitzungen zu verschaffen.
Arbeitsgericht folgt Rechtsauffassung der Gewerkschaft
Das Arbeitsgericht vermochte der Argumentation der Arbeitgeberin nicht zu folgen. Das Zutrittsrecht beider Gewerkschaftssekretäre, so das Gericht, ergebe sich aus § 2 Abs. 2 BetrVG. Hiernach sei den Beauftragten der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften zur Wahrnehmung der im BetrVG genannten Aufgaben und Befugnisse der Zugang zum Betrieb zu gewähren. Diesem Anspruch stehe auch § 31 BetrVG nicht entgegen.
Unter Hinweis auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) aus dem Jahr 1990 wiesen die Richter*innen darauf hin, dass entgegen der Auffassung des Arbeitgebers, dieser das Zutrittsrecht der Gewerkschaftsbeauftragten zahlenmäßig nicht einschränken könne (BAG, Urteil vom 28.02.1990, Az: 7 ABR 22/89). Denn Zweck des § 31 BetrVG sei der Minderheitenschutz.
Die Norm
„soll sicherstellen, dass einer Minderheit im Betriebsrat das Recht eingeräumt wird, die Unterstützung der im Betriebsrat vertretenen Gewerkschaften in Anspruch zu nehmen. Die Vorschrift des § 31 BetrVG hat keinen abschließenden Charakter in dem Sinne, dass hier umfassend die Teilnahmerechte der Gewerkschaften an Betriebsratssitzungen geregelt werden. Diese Bestimmung ist lediglich Ausdruck des dort verankerten Minderheiten- und Gruppenschutzes. Sie stellt jedoch keine Norm dar, die eine Begrenzung der Kompetenzen des Gesamtorgans bezweckt.“
§ 31 BetrVG beinhaltet kein Abwehrrecht des Arbeitgebers
Bei dem Minderheitenschutz, so das Gericht, könne es sich beim § 31 BetrVG nicht um ein Abwehrrecht des Arbeitgebers handeln. Der Gesetzgeber habe vielmehr die Norm als positives Recht ausgestaltet, das zum Ziel habe, die Unterstützungsfunktion der Gewerkschaften auch Minderheiten im Betriebsratsgremium zukommen zu lassen.
Beiden Gewerkschaftssekretären war somit der Zugang zum Betrieb zum Zwecke der Teilnahme an der Betriebsratssitzung zu gewähren.
Hier geht es zum Beschluss des Arbeitsgerichts Weiden.
Für interessierte Leser*innen hier auch die Entscheidung des BAG aus 1990.
Rechtliche Grundlagen
§ 2 BetrVG; § 31 BetrVG
(2) Zur Wahrnehmung der in diesem Gesetz genannten Aufgaben und Befugnisse der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften ist deren Beauftragten nach Unterrichtung des Arbeitgebers oder seines Vertreters Zugang zum Betrieb zu gewähren, soweit dem nicht unumgängliche Notwendigkeiten des Betriebsablaufs, zwingende Sicherheitsvorschriften oder der Schutz von Betriebsgeheimnissen entgegenstehen.
Betriebsverfassungsgesetz
§ 31 Teilnahme der Gewerkschaften
Auf Antrag von einem Viertel der Mitglieder des Betriebsrats kann ein Beauftragter einer im Betriebsrat vertretenen Gewerkschaft an den Sitzungen beratend teilnehmen; in diesem Fall sind der Zeitpunkt der Sitzung und die Tagesordnung der Gewerkschaft rechtzeitig mitzuteilen.