Wer bestimmt die Vorsitzende? Copyright by Monkey Business/Fotolia
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Diese Faktoren hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Beschluss vom 1. März 2019 benannt.

Was war passiert?

Arbeitgeber und Betriebsrat verhandelten über eine Betriebsvereinbarung zum Thema „Arbeitszeit/Grundsätze der Dienstplangestaltung“. Trotz mehrerer Verhandlungsrunden kam es zu keinem Ergebnis. Deshalb beantragte der Betriebsrat, eine Einigungsstelle einzusetzen. Der Vorsitzende sollte nach dem Willen des Betriebsrats Herr R. sein. Herr R. ist ein ehemaliger Richter am Arbeitsgericht.

Warum ist die Person des Vorsitzenden besonders wichtig?

Die Einigungsstelle besteht aus gleich vielen Mitgliedern von Betriebsrats- und Arbeitgeberseite. Für einen Beschluss ist die Mehrheit der Stimmen erforderlich. Dabei hat die/der Vorsitzende zunächst keine Stimme. Kommt so aber keine Mehrheit zustande, etwa, weil die „Blöcke“ geschlossen abstimmen, erfolgt eine erneute Beratung. Danach hat auch die/der Vorsitzende Stimmrecht. Sie/er ist also häufig das „Zünglein an der Waage“.

Wie entschied das Arbeitsgericht?

Das Arbeitsgericht gab dem Antrag des Betriebsrats statt. Es setzte die Einigungsstelle ein und bestimmte den Arbeitsrichter als Vorsitzenden, den sich der Betriebsrat gewünscht hatte.
Dagegen legte der Arbeitgeber Beschwerde zum Landesarbeitsgericht ein. Er war unter anderem gegen den vom Betriebsrat gewünschten Vorsitzenden. Denn der rechne zu hohe Verfahrenskosten ab. Statt dessen solle Herr C.W. Vorsitzender werden. Er ist ein anderer Richter des Arbeitsgerichts.

Welche Auffassung vertrat der Betriebsrat?

Der Betriebsrat war der Meinung, dass das Gericht an den Vorschlag der antragstellenden Betriebspartei hinsichtlich des Vorsitzenden gebunden sei. Das gelte zumindest, solange es keine durch Tatsachen begründete Bedenken gegen die Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit des vorgeschlagenen Vorsitzenden gebe.

Wie hat das Landesarbeitsgericht entschieden?

Das Landesarbeitsgericht wies zunächst darauf hin, dass der Vorsitzende nach dem Betriebsverfassungsgesetz unparteiisch sein müsse. Außerdem schreibe das Arbeitsgerichtsgesetz vor, es müsse ausgeschlossen sein, dass der Vorsitzende der Einigungsstelle später für die Überprüfung oder Auslegung des Ergebnisses der Einigungsstelle zuständig sei. Und dazu komme noch als „ungeschriebene Voraussetzung“ die notwendige Sach- und Rechtskunde. Jede Person, die diese Voraussetzungen erfülle, könne Vorsitzender einer Einigungsstelle werden. Infolge dessen bestimmte das Landesarbeitsgericht den ehemaligen Richter am Landesarbeitsgericht Dr. P. als Vorsitzenden der Einigungsstelle. An den Vorschlag des Betriebsrats - so das Landesarbeitsgericht - sei es nicht gebunden. Vielmehr könne es auch eine geeignete Person benennen, die der Betriebsrat nicht vorgeschlagen habe. Allerdings bestehe die Verpflichtung, die Beteiligten vor der Bestellung anzuhören und ihnen die Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen.

Welches Vorgehen ist in der Praxis sinnvoll?

Arbeitgeber und Betriebsrat sollten sich ernsthaft bemühen, sich auf eine*n Vorsitzende*n zu einigen. Denn sonst besteht die Gefahr, dass jemand die Einigungsstelle leitet, den beide Beteiligte nicht haben wollten.

Hier finden Sie den vollständigen Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 1.3.2019, Az: 2 TaBV 277/19

Rechtliche Grundlagen

§ 76 Betriebsverfassungsgesetz und § 100 Arbeitsgerichtsgesetz

Betriebsverfassungsgesetz
§ 76 Einigungsstelle
(1) Zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat ist bei Bedarf eine Einigungsstelle zu bilden. Durch Betriebsvereinbarung kann eine ständige Einigungsstelle errichtet werden.

(2) Die Einigungsstelle besteht aus einer gleichen Anzahl von Beisitzern, die vom Arbeitgeber und Betriebsrat bestellt werden, und einem unparteiischen Vorsitzenden, auf dessen Person sich beide Seiten einigen müssen. Kommt eine Einigung über die Person des Vorsitzenden nicht zustande, so bestellt ihn das Arbeitsgericht. Dieses entscheidet auch, wenn kein Einverständnis über die Zahl der Beisitzer erzielt wird.

(3) Die Einigungsstelle hat unverzüglich tätig zu werden. Sie fasst ihre Beschlüsse nach mündlicher Beratung mit Stimmenmehrheit. Bei der Beschlussfassung hat sich der Vorsitzende zunächst der Stimme zu enthalten; kommt eine Stimmenmehrheit nicht zustande, so nimmt der Vorsitzende nach weiterer Beratung an der erneuten Beschlussfassung teil. Die Beschlüsse der Einigungsstelle sind schriftlich niederzulegen, vom Vorsitzenden zu unterschreiben und Arbeitgeber und Betriebsrat zuzuleiten.

(4) Durch Betriebsvereinbarung können weitere Einzelheiten des Verfahrens vor der Einigungsstelle geregelt werden.

(5) In den Fällen, in denen der Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt, wird die Einigungsstelle auf Antrag einer Seite tätig. Benennt eine Seite keine Mitglieder oder bleiben die von einer Seite genannten Mitglieder trotz rechtzeitiger Einladung der Sitzung fern, so entscheiden der Vorsitzende und die erschienenen Mitglieder nach Maßgabe des Absatzes 3 allein. Die Einigungsstelle fasst ihre Beschlüsse unter angemessener Berücksichtigung der Belange des Betriebs und der betroffenen Arbeitnehmer nach billigem Ermessen. Die Überschreitung der Grenzen des Ermessens kann durch den Arbeitgeber oder den Betriebsrat nur binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tage der Zuleitung des Beschlusses an gerechnet, beim Arbeitsgericht geltend gemacht werden.

(6) Im übrigen wird die Einigungsstelle nur tätig, wenn beide Seiten es beantragen oder mit ihrem Tätigwerden einverstanden sind. In diesen Fällen ersetzt ihr Spruch die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat nur, wenn beide Seiten sich dem Spruch im voraus unterworfen oder ihn nachträglich angenommen haben.

(7) Soweit nach anderen Vorschriften der Rechtsweg gegeben ist, wird er durch den Spruch der Einigungsstelle nicht ausgeschlossen.

(8) Durch Tarifvertrag kann bestimmt werden, dass an die Stelle der in Absatz 1 bezeichneten Einigungsstelle eine tarifliche Schlichtungsstelle tritt.


Arbeitsgerichtsgesetz
§ 100 Entscheidung über die Besetzung der Einigungsstelle
(1) In den Fällen des § 76 Abs. 2 Satz 2 und 3 des Betriebsverfassungsgesetzes entscheidet der Vorsitzende allein. Wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle können die Anträge nur zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Für das Verfahren gelten die §§ 80 bis 84 entsprechend. Die Einlassungs- und Ladungsfristen betragen 48 Stunden. Ein Richter darf nur dann zum Vorsitzenden der Einigungsstelle bestellt werden, wenn aufgrund der Geschäftsverteilung ausgeschlossen ist, dass er mit der Überprüfung, der Auslegung oder der Anwendung des Spruchs der Einigungsstelle befasst wird. Der Beschluss des Vorsitzenden soll den Beteiligten innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrags zugestellt werden; er ist den Beteiligten spätestens innerhalb von vier Wochen nach diesem Zeitpunkt zuzustellen.

(2) Gegen die Entscheidungen des Vorsitzenden findet die Beschwerde an das Landesarbeitsgericht statt. Die Beschwerde ist innerhalb einer Frist von zwei Wochen einzulegen und zu begründen. Für das Verfahren gelten § 87 Abs. 2 und 3 und die §§ 88 bis 90 Abs. 1 und 2 sowie § 91 Abs. 1 und 2 entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Kammer des Landesarbeitsgericht der Vorsitzende tritt. Gegen dessen Entscheidungen findet kein Rechtsmittel statt.