Der Arbeitgeber kann den Kündigungsschutz eines Betriebsratsmitglieds nicht umgehen, indem er dieses organisatorisch einer »Ein-Mann-Abteilung« zuweist und diese Abteilung stilllegt.

 

Welcher Sachverhalt lag dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen zu Grunde?


Der Kläger ist seit 2002 als Justitiar in der Verwaltung einer Klinik tätig, die sein Arbeitgeber betreibt. Im Zeitraum 2003 bis 2004 fungierte er zudem als Personalleiter. Er ist seit 2005 Mitglied des Betriebsrats. Er wurde seiner Betriebsratsarbeit vollständig von der Arbeit freigestellt. Ende 2009 beschloss der Arbeitgeber, die Leitung der Personalabteilung selbst zu übernehmen und die »Rechtsabteilung« mit sofortiger Wirkung zu schließen. Die bisher vom Kläger bearbeiteten Rechtsfragen wurden anderen Mitgliedern der Geschäftsführung oder externen Rechtsanwälten zugewiesen.

Anfang 2010 hörte der Arbeitgeber dem Betriebsrat zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Klägers an. Er machte geltend, der besondere Kündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder nach § 15 Abs. 1 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) greife nicht. Die »Rechtsabteilung«, in der der Kläger bisher eingesetzt sei, habe er stillgelegt. Den Kläger in einer anderen Abteilung auf einer gleichwertigen Stelle einzusetzen, sei nicht möglich. da es keine Stelle gebe, die dem Qualifikationsprofil des Klägers entspreche.

Nachdem der Betriebsrat der Kündigung widersprochen hatte, kündigte der Arbeitgeber den Kläger ordentlich mit Wirkung zum 31.3.2010. Auf die Kündigungsschutzklage hin erklärte das Arbeitsgericht die Kündigung für unwirksam, im Wesentlichen mit der Begründung, der Arbeitgeber habe es versäumt, dem Kläger die Weiterbeschäftigung auf einem gleichwertigen oder geringerwertigen Arbeitsplatz anzubieten. Dagegen legte der Arbeitgeber Berufung ein.

Wie hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen entschieden?


Das LAG wies die Berufung des Arbeitgebers zurück und bestätigte das Urteil des Arbeitsgerichts. Wie zuvor das Arbeitsgericht sah das LAG die Voraussetzungen für eine ordentliche Kündigung des Klägers nicht als erfüllt an. Zwar gilt das Verbot einer ordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds nach § 15 Abs. 1 BetrVG ausnahmsweise nicht, wenn entweder der ganze Betrieb stillgelegt wird (§ 15 Abs. 4 KSchG) oder die Abteilung, in der das Betriebsratsmitglied eingesetzt wird (§ 15 Abs. 5 KSchG), und die Übernahme in eine andere Abteilung nicht möglich ist.

Das LAG sah bereits die Voraussetzung einer »Abteilungsschließung« nach § 15 Abs. 5 BetrVG nicht als erfüllt an, da der Arbeitgeber mit der bloßen Umverteilung von Aufgaben keine eigene »Rechtsabteilung« geschlossen habe. Eine Betriebsabteilung im Sinne von § 15 Abs. 5 KSchG sei nur ein räumlich und organisatorisch abgegrenzter Teil des Betriebs. Dieser erfordere eine personelle Einheit, die Verfügbarkeit eigener technischer Betriebsmittel und ein eigener Betriebszweck.

Zwar könne die erforderliche personelle Einheit im Einzelfall auch durch einen einzigen Arbeitnehmer verkörpert werden. In diesem Fall seien jedoch gesteigerte Anforderungen an die Darlegung der genauen Umstände durch den Arbeitgeber zu stellen, um eine Aushöhlung des Kündigungsschutzes für Betriebsratsmitglieder zu verhindern. Das LAG betonte zudem, dass diese Frage ohnehin erst dann relevant werde, wenn die Freistellung des Klägers für die Betriebsratsarbeit zu Ende sei.

Das Urteil des LAG Niedersachsen vom 07.10.2011, 12 Sa 139/11