Der Wirtschaftsausschuss braucht Unterlagen, um erfolgreich arbeiten zu können. Copyright by Adobe Stock/contrastwerkstatt
Der Wirtschaftsausschuss braucht Unterlagen, um erfolgreich arbeiten zu können. Copyright by Adobe Stock/contrastwerkstatt

Nach dem Betriebsverfassungsgesetz hat der Wirtschaftsausschuss die Aufgabe, wirtschaftliche Angelegenheiten mit dem Unternehmer zu beraten und den Betriebsrat zu unterrichten. Das kann der Wirtschaftsausschuss aber nur, wenn der Arbeitgeber ihn rechtzeitig und umfassend über die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens unterrichtet. Über Art und Umfang dieser Pflicht zur Unterrichtung hatte das Bundesarbeitsgericht im Dezember 2019 zu entscheiden.

Was war geschehen?

Der Arbeitgeber betreibt psychiatrische Fachkrankenhäuser. Er schloss für jedes Jahr mit der Krankenkasse Budgetvereinbarungen. Bis zum Jahr 2014 legte er diese Vereinbarungen dem Wirtschaftsausschuss vor. Im Januar 2017 bat der Ausschuss vergeblich um die Vereinbarungen für die Jahre 2015 und 2016. Er rief die Einigungsstelle an. Deren Spruch verpflichtete den Arbeitgeber, dem Wirtschaftsausschuss die Budgetvereinbarungen auszuhändigen.
Der Arbeitgeber wandte sich an das Arbeitsgericht und beantragte festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle unwirksam sei.
Arbeit- und Landesarbeitsgericht gaben dem Wirtschaftsausschuss recht.
Der Arbeitgeber legte Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht ein.

Wie ist die Rechtslage bei Meinungsverschiedenheiten?

Das Betriebsverfassungsgesetz schreibt vor, dass eine Einigungsstelle entscheidet, wenn es Streit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat gibt und eine Einigung nicht zustande kommt.

Welche Argumente brachte der Arbeitgeber vor?

Der Arbeitgeber war der Auffassung, der Spruch der Einigungsstelle sei aus mehreren Gründen unwirksam. Zum einen sei die Schriftform verletzt. Zum anderen fehle ein wirksamer Beschluss des Wirtschaftsausschusses. Und zuletzt habe der Wirtschaftsausschuss seine Bitte um Vorlage der Budgetvereinbarungen nicht nachvollziehbar begründet.

Schadet die Verletzung der Schriftform?

Der Spruch einer Einigungsstelle ist nach dem Gesetz schriftlich niederzulegen und vom Vorsitzenden zu unterschreiben.
Darauf, ob diese Voraussetzungen hier erfüllt sind, kommt es nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes nicht an. Denn die Schriftform sei nur in den Fällen der erzwingbaren Mitbestimmung vorgeschrieben. Nur dort sei die Beurkundung und Dokumentation erforderlich. Denn erst der Spruch der Einigungsstelle könne die gleiche normative Wirkung entfalten wie eine von den Betriebsparteien geschlossene Betriebsvereinbarung. Dagegen schaffe der Spruch der Einigungsstelle im Hinblick auf die Budgetvereinbarungen kein für alle Arbeitnehmerinnen geltendes Regelwerk. Vielmehr gehe es nur um eine interne Angelegenheit zwischen Arbeitgeber und (Gesamt-) Betriebsrat.
Da also die Schriftform nicht vorgeschrieben war, konnte ein eventueller Verstoß dagegen auch nicht zur Unwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle führen.

Schadet ein fehlender Beschluss des Wirtschaftsausschusses?

Die Entscheidung, eine Einigungsstelle anzurufen oder nicht, sei - so das Bundesarbeitsgericht - Sache des (Gesamt-) Betriebsrats und nicht des Wirtschaftsausschusses. Dieser sei lediglich Hilfsorgan des Betriebsrates und diene ihm letztlich nur zur Erfüllung seiner Aufgaben. Der Wirtschaftsausschuss sei also gar nicht befugt, einen entsprechenden Antrag zu stellen.
Deshalb wirke sich auch ein fehlender Antrag des Wirtschaftsausschusses nicht auf die Wirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle aus.

Schadet die fehlende Begründung?

Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes setzt ein Anspruch auf Vorlage der Budgetvereinbarungen nicht voraus, dass der Betriebsrat darlegt, wofür er die begehrten Informationen benötigt. Dies ergebe sich sowohl aus dem Wortlaut als auch aus dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, die dem Betriebsrat einen Anspruch auf rechtzeitige und umfassende Information über die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens einräumt.

Was heißt all das im Ergebnis?

Das Bundesarbeitsgericht kam zum selben Ergebnis wie die Vorinstanzen. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber dem Wirtschaftsausschuss die erbetenen Unterlagen vorlegen muss.

BAG 17. Dezember 2019; 1 ABR 25/18

Rechtliche Grundlagen

Betriebsverfassungsgesetz
§ 106 Wirtschaftsausschuss
(1) In allen Unternehmen mit in der Regel mehr als einhundert ständig beschäftigten Arbeitnehmern ist ein Wirtschaftsausschuss zu bilden. Der Wirtschaftsausschuss hat die Aufgabe, wirtschaftliche Angelegenheiten mit dem Unternehmer zu beraten und den Betriebsrat zu unterrichten.
(2) Der Unternehmer hat den Wirtschaftsausschuss rechtzeitig und umfassend über die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu unterrichten, soweit dadurch nicht die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens gefährdet werden, sowie die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Personalplanung darzustellen. Zu den erforderlichen Unterlagen gehört in den Fällen des Absatzes 3 Nr. 9a insbesondere die Angabe über den potentiellen Erwerber und dessen Absichten im Hinblick auf die künftige Geschäftstätigkeit des Unternehmens sowie die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Arbeitnehmer; Gleiches gilt, wenn im Vorfeld der Übernahme des Unternehmens ein Bieterverfahren durchgeführt wird.
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Betriebsverfassungsgesetz
§ 109 Beilegung von Meinungsverschiedenheiten
Wird eine Auskunft über wirtschaftliche Angelegenheiten des Unternehmens im Sinn des § 106 entgegen dem Verlangen des Wirtschaftsausschusses nicht, nicht rechtzeitig oder nur ungenügend erteilt und kommt hierüber zwischen Unternehmer und Betriebsrat eine Einigung nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Die Einigungsstelle kann, wenn dies für ihre Entscheidung erforderlich ist, Sachverständige anhören; § 80 Abs. 4 gilt entsprechend. Hat der Betriebsrat oder der Gesamtbetriebsrat eine anderweitige Wahrnehmung der Aufgaben des Wirtschaftsausschusses beschlossen, so gilt Satz 1 entsprechend.