Gewerkschaftliche Aktivitäten sind grundgesetzlich geschützt! Copyright by Adobe Stock/Rawpixel.com
Gewerkschaftliche Aktivitäten sind grundgesetzlich geschützt! Copyright by Adobe Stock/Rawpixel.com

Mit dieser Frage hat sich das Bundesarbeitsgericht in seinem Beschluss vom 28. Juli 2020 beschäftigt.

Eine Ver.di-Aktion zum „Internationalen Tag der Pflege“

Anlässlich des „Internationalen Tags der Pflege“ baute die Gewerkschaft vor einer Klinik einen Infostand auf. Sie verteilte Flugblätter, auf denen sie zur Teilnahme an einer Demonstration aufrief.
Die Pflegedienstleistung der Klinik untersagte die Aktion der Gewerkschafter*innen.

Die Position des Betriebsrats

Der Betriebsrat war der Auffassung, das Verbot der Pflegedienstleitung betreffe die Ordnung des Betriebes. Deshalb ergebe sich aus dem Betriebsverfassungsgesetz ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates.

Der Antrag des Betriebsrats

Um in Zukunft die Wiederholung eines solchen Verbotes zu verhindern, wandte sich der Betriebsrat an das Arbeitsgericht. Er wollte erreichen, dass der Arbeitgeber gewerkschaftliche Aktivitäten nur untersagen kann, wenn

  • der Betriebsrat zugestimmt hat

oder

  • der Spruch einer Einigungsstelle vorliegt.

Mit seinem Antrag hatte der Betriebsrat weder vor dem Arbeits- noch vor dem Landesarbeitsgericht Erfolg. Deshalb legte er Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht ein.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Die Bundesrichter*innen stellen zunächst klar, dass das Grundgesetz den Bestand von Gewerkschaften schützt. Aber darüber hinaus umfasst der Schutz auch  „. . . alle Tätigkeiten, die der Wahrung oder Förderung der Arbeit-und Wirtschaftsbedingungen dienen.“
 
Zu diesen geschützten Tätigkeiten zählen unter anderem die Mitgliederwerbung sowie die Information von Mitgliedern und Nichtmitgliedern über gewerkschaftliche Aktivitäten.
 
Damit stand der Ver.di- Infostand unter dem Schutz des Grundgesetzes. Die Folge davon ist, dass Stand und Flugblätter gegen privatrechtliche Beschränkungen durch den Arbeitgeber geschützt sind. Er hätte also weder das eine noch das andere durch eine Regelung untersagen dürfen.
 
Wenn dem Arbeitgeber aber in diesem Fall gar keine Regelungsbefugnis zusteht,  kann der Betriebsrat auch kein Mitbestimmungsrecht haben. Denn der Betriebsrat kann nur bei einer Maßnahme mitbestimmen, die der Arbeitgeber auch vornehmen darf.
 
Untersagt der Arbeitgeber  - wie hier  - die gewerkschaftliche Aktivität, obwohl er dazu keine Berechtigung hat, sind die Arbeitsgerichte gefragt. Sie haben in jedem Einzelfall abzuwägen. Dabei müssen sie das Recht auf Koalitionsfreiheit der Gewerkschaft das Recht auf Eigentum des Arbeitgebers gegenüberstellen.

BAG v. 28. Juli 2020; AZ: 1 ABR 41/18