Ein Spruch der Einigungsstelle, durch den eine Pflicht zum Tragen von Dienstkleidung ausgestaltet werden soll, ist unwirksam, wenn er dem Arbeitgeber die Bestimmung des persönlichen Geltungsbereichs belässt.

Welcher Sachverhalt lag dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts zu Grunde?


Die Arbeitgeberin betreibt eine Fluggesellschaft. Antragsteller ist der bei ihr gebildete Gesamtbetriebsrat. Das bei der Arbeitgeberin beschäftigte Bodenpersonal ist arbeitsvertraglich verpflichtet, auf entsprechende Anordnung der Arbeitgeberin während der Arbeitszeit Dienstkleidung zu tragen. Gesonderte Umkleideräume gibt es bei der Arbeitgeberin nicht.

Nach § 44 Abs. 1 des bei der Arbeitgeberin anwendbaren Manteltarifvertrags Nr. 14 (MTV) gelten als Dienstkleidung Kleidungsstücke, die zur besonderen Kenntlichmachung im dienstlichen Interesse anstelle anderer Kleidung während der Arbeit getragen werden. Hierfür hat die Arbeitgeberin nach § 44 Abs. 1 Satz 3 MTV dienstkleidungspflichtigen Mitarbeitern Zuschüsse zu den Kosten der Dienstkleidung zu gewähren.

Nach erfolglosen Verhandlungen zwischen der Arbeitgeberin und dem Gesamtbetriebsrat beschloss die zum Thema »Regelung zur Dienstbekleidung für das Bodenpersonal der Arbeitgeberin« gebildete Einigungsstelle mit Spruch die Betriebsvereinbarung »Dienstbekleidung«. Diese regelt im Einzelnen die Art und Zusammenstellung der Dienstkleidung und bestimmt, dass deren private Nutzung nicht gestattet ist. Nach I § 1 gilt sie für alle dienstkleidungspflichtigen Mitarbeiter des Bodenpersonals der Arbeitgeberin.

Der Gesamtbetriebsrat hat geltend gemacht, der Einigungsstellenspruch sei unwirksam, weil er den Kreis der dienstkleidungspflichtigen Mitarbeiter nicht selbst regelt, sondern der Arbeitgeberin insoweit das alleinige Bestimmungsrecht überlasse. Weiterhin enthalte der Einigungsstellenspruch keine Regelungen über Umkleideräume. Die Beschäftigten seien faktisch gezwungen, die Dienstkleidung auf dem Weg von und zur Arbeit auch im Privatbereich zu tragen.

Wie hat das Bundesarbeitsgericht entschieden?


Der Einigungsstellenspruch ist unwirksam, entschied das BAG.

Die Einigungsstelle besaß zwar die erforderliche Regelungskompetenz. Sie hat jedoch den Bereich »Dienstbekleidung« durch die fehlende Festlegung des persönlichen Geltungsbereichs unvollständig geregelt. Zudem hat sie unzutreffend davon abgesehen, Regelungen über Umkleidemöglichkeiten am Arbeitsplatz zu treffen.

Aufgabe der Einigungsstelle ist es, durch ihren Spruch die Belange des Betriebs und der betroffenen Arbeitnehmer angemessen zu berücksichtigen und zu einem billigen Ausgleich zu bringen (§ 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG). Dem wird ein Spruch der Einigungsstelle, der nicht selbst eine Regelung der mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten trifft, sondern die der Einigungsstelle zustehenden Regelungsbefugnis auf den Arbeitgeber überträgt, nicht gerecht.

Soweit unter I § 1 des Spruchs bestimmt ist, die Betriebsvereinbarung gelte für alle dienstkleidungspflichtigen Mitarbeiter des Bodenpersonals, ist dies keine ausreichende Konkretisierung des Geltungsbereichs. Hierdurch wird dem Arbeitgeber vielmehr das Recht übertragen, durch einseitige Anordnung den Kreis der dienstkleidungspflichtigen Arbeitnehmer und damit den persönlichen Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung festzulegen. Die nähere Bestimmung des persönlichen Geltungsbereichs war auch nicht deshalb entbehrlich, weil es sich nicht um eine Regelungs-, sondern auch um eine Rechtsfrage handelt. Die Einigungsstelle hat im Rahmen des vorgegebenen Zwecks der Dienstkleidung einen Ermessensspielraum bei der Bestimmung des Personenkreises, der diese zu tragen hat. Dabei hat sie in den Blick zu nehmen, dass das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG auch dazu dient, bei einseitigen Maßnahmen des Arbeitgebers die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer zu schützen. Die Einigungsstelle hätte deshalb prüfen müssen, inwieweit der Zweck der einheitlichen Dienstkleidung die mit dem Tragen der Dienstkleidung verbundenen Einschränkungen der Persönlichkeitsrechte der betroffenen Arbeitnehmer rechtfertigt und hiernach den persönlichen Geltungsbereich des Einigungsstellenspruchs festlegen müssen.

Der Spruch der Einigungsstelle ist auch deswegen unwirksam, weil er keine Regelungen über Umkleidemöglichkeiten für das dienstkleidungspflichtige Bodenpersonal enthält. Die Beschäftigten können nicht darauf verwiesen werden, sich ggf. auf den Toiletten umzukleiden oder die Dienstkleidung zu Hause an- und auszuziehen.

Nach I § 2 Abs. 2 des Einigungsstellenspruchs ist die private Nutzung der Dienstkleidung nicht gestattet. Damit ist ausgeschlossen, dass die Mitarbeiter die Dienstkleidung auf dem Weg von und zur Arbeit tragen und sich zu Hause umkleiden. Diese Wegezeiten sind nicht Arbeitszeiten, sie gehören vielmehr zum außerdienstlichen Bereich privater Lebensführung. Schon aus diesem Grund hätte die Einigungsstelle eine Regelung zu Umkleidemöglichkeiten treffen müssen.

Die Ermessensfehlerhaftigkeit des Einigungsstellenspruchs wird nicht dadurch beseitigt, dass die Arbeitgeberin - einseitig - dem Bodenpersonal gestattet, die Dienstkleidung auf dem direkten Weg von und zur Arbeit zu tragen. Soweit sie damit den dienstkleidungspflichtigen Mitarbeitern die Gelegenheit bietet, sich nicht in den Toilettenräumen im Betrieb umziehen zu müssen, eröffnet sie den Beschäftigten zwar eine Alternative zu den unzureichenden betrieblichen Umkleidebedingungen. Diese stellt jedoch keinen angemessenen Ersatz für die erforderlichen betrieblichen Umkleidemöglichkeiten dar, weil hierdurch die dienstkleidungspflichtigen Arbeitnehmer in der privaten Lebensführung unangemessen eingeschränkt werden.

Die unterbliebene Regelung des persönlichen Geltungsbereichs sowie der Umkleidemöglichkeiten führt zur Unwirksamkeit des gesamten Einigungsstellenspruchs, da der übrige Teil keine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung enthält.

Beschluss des BAG vom 17.01.2012, 1 ABR 45/10