Eine Betriebsratswahl, die wesentliche Anforderungen des Betriebsverfassungsgesetzes oder der Wahlordnung nicht erfüllt, ist unwirksam. Sie kann vor dem Arbeitsgericht angefochten werden.

In dem Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht ging es um die Betriebsratswahl bei einem Einzelhandelsunternehmen mit bundesweit 17 Niederlassungen. Gemäß Tarifvertrag sind sieben Betriebsratsregionen gebildet. Die Region Nr. 7 (Ost) umfasst drei Niederlassungsgebiete, zu denen außer den Niederlassungsleitungen 805 Filialen mit über 15.200 Arbeitnehmern gehören.

Wine im Betrieb vertretene Gewerkschaft und wahlberechtigte Mitarbeiter haben die Betriebsratswahl angefochten. Sie haben geltend gemacht, die Wahl habe unter einer Vielzahl von Verstößen gelitten, deren Auswirkung auf das Wahlergebnis nicht ausgeschlossen werden könne. Im Einzelnen haben sie gerügt:
 
1. Das Wahlausschreiben habe nicht in allen Filialen ausgehangen.
 
2. Durch die Vorgabe des Wahlvorstandes an die als Wahlhelfer bestimmten Filialleiter, nicht beschäftigte Mitarbeiter von der Wählerliste zu streichen und neu hinzugekommene Mitarbeiter darin aufzunehmen, habe der Wahlvorstand gegen die Pflicht verstoßen, selbst über Änderungen der Wählerliste zu befinden.
 
3. Durch die Versendung von Fotos der Kandidaten an die Filialen mit der Bitte um Aushang dieser Fotos habe der Wahlvorstand gegen seine Neutralitätspflicht verstoßen.
 
4. Die Angabe der Funktion als Betriebsratsmitglieder anstatt der vertraglich geschuldeten Beschäftigung auf den Stimmzetteln habe zu einer Bevorzugung der betreffenden Listen geführt.
 
5. Die Art und Weise der Wahl in den Filialen sei fehlerhaft gewesen. Letztlich habe in den Filialen eine schriftliche Stimmabgabe stattgefunden, ohne dass der Wahlvorstand für diese Filialen die obligatorische schriftliche Stimmabgabe nach § 24 Abs. 3 der Wahlordnung beschlossen habe.
 
6. Der den Mitarbeitern überreichte Wahlumschlag sei nicht frankiert gewesen, so dass sie den Wahlumschlag wieder an den jeweiligen Filialleiter hätten zurückgeben müssen. Dies verstoße gegen § 24 Abs. 1 S. 5 WO. Wenn der Wähler seinen Wahlumschlag einem Boten anvertraue, sei dies nur dann akzeptabel, wenn dies wirklich freiwillig geschehe. Hier seien die Filialmitarbeiter zur Übergabe gezwungen gewesen.
 
7. Wahlberichtigte Mitarbeiter konnten nicht oder nur an vorgegebenen Tagen wählen, ohne dass sie zuvor informiert waren. Ihre Stimmabgabe wurde nicht registriert.
 
8. Die Wahlurnen seien nicht ausreichend gesichert gewesen. Es seien Pappkartons als Urnen verwendet worden, die lediglich mit einem Klebeband verschlossen gewesen seien; der Einwurfschlitz sei mehrere Zentimeter breit gewesen. Es sei nicht bekannt, wo diese Kartons während der Wahltage aufbewahrt worden seien. Eine gesonderte Versiegelung der Wahlurnen zwischen den Wahltagen sei jedenfalls nicht erfolgt.
 
9. Die großen Briefumschläge, in denen in den Filialen die Briefwahlunterlagen gesammelt worden seien, seien während der gesamten Wahlzeit von den Filialleitern aufbewahrt worden; soweit sie überhaupt verschlossen worden seien, sei dies erst nach Abgabe sämtlicher Stimmen der Filiale direkt vor der Versendung an den Wahlvorstand, die durch Übergabe an den Betriebsfahrer verwirklicht worden sei, erfolgt.

10. Bei der Auszählung der Stimmen sei nicht geprüft worden, ob die als Wahlurnen bezeichneten großen Briefumschläge unversehrt gewesen seien. Einige dieser Briefumschläge seien gänzlich unverschlossen gewesen.

11. Die Stimmauszählung sei fehlerhaft erfolgt. Es wurden ungültige Wahlzettel gezählt, bei denen die Registrierung der Stimmabgabe fehlte.
 
12. Stimmzettel, bei denen Zweifel über die Gültigkeit bestanden hätten, seien von der Vorsitzenden des Wahlvorstandes gesammelt worden. Während der Stimmenauszählung seien gegen 16.40 Uhr alle Anwesenden, die nicht dem Wahlvorstand angehörten, des Raumes verwiesen worden, damit der Wahlvorstand über die Gültigkeit derjenigen Stimmen entscheiden konnte, bei denen Zweifel bestanden. Nachdem die Öffentlichkeit gegen 17.25 Uhr wieder zugelassen worden sei, habe der Wahlvorstand die Erschienenen über das Ergebnis seiner Beratungen unterrichtet. Von den 523 nicht offensichtlich gültigen oder ungültigen Stimmen seien 111 Stimmen für ungültig erklärt worden. Damit habe der Wahlvorstand gegen die Öffentlichkeit der Stimmauszählung verstoßen.

Das LAG Nürnberg hat die Betriebsratswahl für ungültig erklärt. Die Handhabung der Stimmabgabe in den Filialen habe - wie auch das Arbeitsgericht entschieden hatte - gegen wesentliche Vorschriften des Wahlverfahrens verstoßen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich diese Verstöße auf das Stimmergebnis ausgewirkt haben. Die Wahl sei schon deswegen unwirksam, weil der Wahlvorstand für die Wahl in einigen Filialen eine Mischform aus persönlicher Wahl und Briefwahl vorgesehen hatte, die von Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und Wahlordnung in dieser Form nicht gedeckt ist. Die Betriebsratswahl ist anfechtbar, wenn der Wahlvorstand in den außerhalb der Niederlassungen gelegenen Filialen weder persönliche Stimmabgabe im Wahllokal ermöglicht noch obligatorische schriftliche Stimmabgabe nach § 24 Abs. 3 WO anordnet.
     
Die nicht im Wahlausschreiben aufgeführte Handhabung, den jeweiligen Filialleitern die Wahlunterlagen zukommen zu lassen mit der Bitte, diese an die Beschäftigten zu verteilen und sie wieder einzusammeln, konnte das Wahlergebnis ebenfalls beeinflussen.
     
Der Wahlvorstand ist außerdem nicht befugt, nachträgliche Änderungen der Wählerliste den Wahlhelfern zu überlassen.
     
Der vom Wahlvorstand auf Bitten von Listenvertretern veranlasste Aushang von Bildern der Bewerber verletzt das Neutralitätsgebot, wenn der Aushang nicht für sämtliche Bewerber erfolgt, und begründet daher ebenfalls die Wahlanfechtung.
     
Die Zulassung der Öffentlichkeit bei der Stimmauszählung soll gewährleisten, dass ab Öffnen der Kuverts mit den Briefwahlumschlägen bis zur Feststellung des Stimmergebnisses auch nur der Anschein jeglicher Manipulation ausgeschlossen ist. Aus diesem Grund muss der Wahlvorstand auch im Beisein der Öffentlichkeit über die Gültigkeit von Stimmzetteln entscheiden. Schließt er die Öffentlichkeit zu einer solchen Beschlussfassung aus, ist die Wahlanfechtung auch aus diesem Grund begründet.