Darf der Betriebsrat mitbestimmen, wenn sie Nachtschicht machen soll? Copyright by Adobe Stock/ stokkete
Darf der Betriebsrat mitbestimmen, wenn sie Nachtschicht machen soll? Copyright by Adobe Stock/ stokkete

Diese Frage hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Beschluss vom 28. Juli 2020 beantwortet.


Schichtplan für Mitarbeiter*innen im Lager

Ein Logistikbetrieb unterhält ein Lager. Betriebsrat und Arbeitgeber haben eine Betriebsvereinbarung geschlossen. Sie regelt Schichtbeginn und -ende von Früh-, Tag-, Spät- und Nachtschicht.



Arbeitgeber beschäftigt Leiharbeiter*innen

Anfang September 2017 bittet der Arbeitgeber den Betriebsrat um Zustimmung zu einer befristeten Einstellung von Leiharbeitnehmer*innen im Lager. Der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung. Der Arbeitgeber stellt die Leiharbeitnehmer*innen trotzdem vorläufig ein. Ihr Einsatz erfolgt gemäß der Regelungen in der Betriebsvereinbarung.


Betriebsrat pocht auf sein Mitbestimmungsrecht

Der Betriebsrat ist der Auffassung, ihm stehe hinsichtlich der Zuweisung der Leiharbeitnehmer*innen zu den Schichten ein Mitbestimmungsrecht zu. Da der Arbeitgeber diese Auffassung nicht teilt, muss sich der Betriebsrat an das Arbeitsgericht wenden. Er will erreichen, dass das Gericht dem Arbeitgeber verbietet, die Zuteilung vorzunehmen, bevor er eine Einigung mit dem Betriebsrat erreicht oder eine Einigungsstelle entschieden hat.


Entscheidungen der Instanzgerichte

Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht geben dem Arbeitgeber Recht. Deshalb hat der Betriebsrat keine andere Möglichkeit, als Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht einzulegen.


Argumente des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber bringt im wesentlichen drei Argumente vor:

  • Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates führe dazu, dass das Recht, personelle Einzelmaßnahmen auch vorläufig durchführen zu können, leerliefe. Denn eine vorläufige Einstellung der Leiharbeitnehmerinnen sei faktisch nicht mehr möglich, wenn zunächst eine Einigung mit dem Betriebsrat oder Einspruch der Einigungsstelle herbeigeführt werden müsse.
  • Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats im Hinblick auf die Zuteilung von Leiharbeitnehmerinnen zu Schichtplänen führe zu „praktisch untragbaren Ergebnissen“.
  • Weiter scheide eine Mitbestimmung aus, weil der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht bereits durch seine Zustimmung zu Betriebsvereinbarung ausgeübt und damit sein Mitbestimmungsrecht verbraucht habe.


Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Das Bundesarbeitsgericht hat sich mit allen Argumenten des Arbeitgebers auseinandergesetzt.


Leerlaufen des Rechts auf vorläufige personelle Einzelmaßnahmen

Die Richter*innen weisen darauf hin, dass sich die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei personellen Einzelmaßnahmen einerseits und in sozialen Angelegenheiten nach § 87 Betriebsverfassungsgesetz andererseits auf unterschiedliche Regelungsgegenstände beziehen. Deshalb entbinde die Befugnis des Arbeitgebers, personelle Einzelmaßnahmen vorläufig durchzuführen, ihn nicht davon, das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates im Hinblick auf die Schichtzuteilung zu beachten.


Untragbare Ergebnisse

Auch in Eil- und Sonderfällen stehe dem Arbeitgeber  - so das Bundesarbeitsgericht  - weder eine einseitige Regelungsbefugnis noch die Möglichkeit zu, die Maßnahme vorläufig durchzuführen. Möglich sei allenfalls, dass der Betriebsrat für eng begrenzte und hinreichend konkret beschriebene Konstellationen eine „Vorab-Zustimmung“ erteile. Dies sei im vorliegenden Fall aber nicht geschehen.


„Verbrauch“ durch Betriebsvereinbarung

Die Betriebsvereinbarung regelt nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts die konkrete Zuordnung der einzelnen Mitarbeiter*innen  - also auch der Leiharbeitnehmerinnen  - zu den Schichten gerade nicht. Denn die Betriebsvereinbarung enthalte nur Vorgaben für einen Schichttausch und einen Schichtwechsel.


Ergebnis

Das Bundesarbeitsgericht konnte keinem Argument des Arbeitgebers folgen. Deshalb hat es der Rechtsbeschwerde des Betriebsrates stattgegeben, soweit es um die hier beschriebene Rechtsfrage ging.