Der Sonderkündigungsschutz für Wahlbewerber nach § 15 Abs. 3 Satz 1 und 2 KSchG greift nur, wenn der Wahlvorschlag, auf dem der Arbeitnehmer als Wahlbewerber benannt ist, Grundlage für die Wahl sein kann. Hieran fehlt es, wenn die Vorschlagliste schon zum Zeitpunkt ihrer Einreichung an einem nicht behebbaren Mangel nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 WO leidet und daher ungültig ist.

In dem Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Berlin ging es um die Kündigung eines Arbeitnehmers, der im Bereich Flugzeigreinigung tätig war. Die Kündigung hatte er wegen mehrmaligen Zuspätkommens erhalten. Er hielt die Kündigung unter anderem deshalb für unwirksam, weil er für den Betriebsrat kandidieren wollte. Zudem sei die Kündigung nach § 15 Abs. 3 Satz 2 KSchG unzulässig. Als Wahlbewerber genieße er Sonderkündigungsschutz. Der Wahlvorstand habe bei dem Aushang des Wahlausschreibens gegen § 3 Abs. 4 Satz 1 WO verstoßen, weil das Ausschreiben nicht in allen Betriebsstätten ausgehängt worden sei. Daher hätten er und weitere Mitarbeiter erst nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist von dem Aushang erfahren.

Die Kündigung war nicht nach § 15 Abs. 3 Satz 2 KSchG unzulässig, entschied das Berliner Arbeitsgericht. Der Sonderkündigungsschutz fand auf den Kläger keine Anwendung.

Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG ist die Kündigung eines Wahlbewerbers innerhalb von sechs Monaten nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen würden. Nach der gesetzlichen Regelung (§ 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG) beginnt der besondere Kündigungsschutz eines Wahlbewerbers mit dem Zeitpunkt der „Aufstellung des Wahlvorschlags“. Allerdings war der Wahlvorschlag unzulässig. In einem solchen Fall sind die auf dem Wahlvorschlag aufgeführten Arbeitnehmer auch keine Wahlbewerber, da sie – auf Basis des ungültigen Vorschlags - bei der Wahl nicht als Kandidaten zur Verfügung stehen können.

Mit dem Sonderkündigungsschutz soll die Durchführung der Wahl gesichert werden, in dem verhindert wird, dass der Arbeitgeber diese durch die Entlassung von Wahlbewerbern gegenstandslos macht. Bei einem von vorne herein ungültigen Wahlvorschlag greift dieser Schutzzweck nicht ein. Dass die Regelung darüber hinaus den Arbeitnehmern auch die Furcht vor einer Entlassung im Fall einer Wahlbewerbung nehmen will, ändert hieran nichts. Diese Schutzrichtung rechtfertigt es nicht, auch solche Arbeitnehmer in die Anwendung des § 15 Abs. 3 KSchG einzubeziehen, die wegen unheilbarer Nichtigkeit des Wahlvorschlags tatsächlich niemals als Bewerber für die Wahl in Betracht kommen. Ist der beim Wahlvorstand eingereichte Wahlvorschlag aufgrund eines nicht behebbaren Mangels daher von vornherein nach § 8 Abs. 1 WO ungültig, besteht für die vorgeschlagenen Bewerber daher kein besonderer Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 3 KSchG.

Danach kann sich der Kläger nicht mit Erfolg auf den besonderen Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 3 Satz 2 KSchG berufen. Der Wahlvorschlag, auf dem sich der Kläger als Kandidat befand, war nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 WO aufgrund eines nicht behebbaren Mangels ungültig. Bei seiner Einreichung war die Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen nach § 6 Abs. 1 Satz 2 WO schon abgelaufen. Diese beträgt zwei Wochen seit Erlass des Wahlausschreibens.

Der Aushang des Wahlausschreibens nach § 3 Abs. 4 Satz 1 WO war nicht zu beanstanden. Nach dem Vorbringen des Klägers hat der Wahlvorstand das Wahlausschreiben an zumindest an drei Stellen im Flughafen Tegel ausgehängt. Ob darüber hinaus noch weitere Aushänge erforderlich gewesen wären, ist unerheblich. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, würde ein Verstoß hiergegen nicht dazu führen, dass die Frist für die Einreichung der Vorschlagslisten nicht zu laufen begonnen hätte. Vielmehr würde eine Verletzung des § 3 Abs. 4 Satz 1 WO lediglich einen Grund zur Anfechtung der Wahl nach § 19 Abs. 2 BetrVG wegen eines erheblichen Verfahrensfehlers darstellen.

Bedeutung für die Praxis:

Die institutionalisierte Mitbestimmung gehört zum Kernbereich der Wirtschaftsdemokratie. Die Wahl eines Betriebsrats erfolgt nach strengen Regeln, deren Missachtung zur Anfechtbarkeit, bei gravierenden Verstößen sogar zur Nichtigkeit der Wahl führt. Da die Bildung eines Betriebsrats immer noch nicht von allen Arbeitgebern, insbesondere nicht bei der erstmaligen Wahl, gutgeheißen wird, genießen alle Wahlbewerber Kündigungsschutz. Das bedeutet, wenn das Wahlverfahren eingeleitet ist, kann ein Arbeitnehmer als Wahlbewerber, nur noch fristlos gekündigt werden. Ein Wahlvorschlag gilt als aufgestellt, sobald ein Wahlvorstand bestellt ist und die nach dem Betriebsverfassungsgesetz erforderliche Mindestzahl von Arbeitnehmern den Wahlvorschlag unterschrieben haben. Es sind nur solche Vorschläge als Wahlvorschläge anzusehen, die in der Zeit nach der Bestellung eines Wahlvorstandes, egal ob er durch den Betriebsrat oder durch das Arbeitsgericht, zustande gekommen ist. Das Vorhandensein eines Wahlvorstandes bezeichnet also den frühest möglichen Zeitpunkt für den Beginn des Kündigungsschutzes. Dieser Wahlvorstand ist für die Durchführung der Wahl zuständig, die streng nach den Regeln der Wahlordnung (WO) durchzuführen ist. Sie ist im Anhang zum Betriebsverfassungsgesetz abgedruckt. Die WO bestimmt, dass zwischen der Ausschreibung der Wahl und der Durchführung mindestens sechs Wochen liegen müssen. Nach erfolgter Ausschreibung können Wahlvorschläge innerhalb weiterer zwei Wochen erfolgen. Das Arbeitsgericht hat das Überschreiten dieser Frist in seiner Entscheidung nun als Nichtigkeitsgrund bewertet und damit den Zeitpunkt festgelegt, zu dem der Kündigungsschutz nicht mehr besteht.