Der betriebsverfassungsrechtliche Beseitigungsanspruch erfasst nur die Beendigung des betriebsverfassungswidrigen Zustands.  © Adobe Stock - Von DOC RABE Media
Der betriebsverfassungsrechtliche Beseitigungsanspruch erfasst nur die Beendigung des betriebsverfassungswidrigen Zustands. © Adobe Stock - Von DOC RABE Media

Es gibt Maßnahmen, die der Arbeitgeber nur mit Zustimmung des Betriebsrats durchführen darf. Das sind etwa alle Angelegenheiten, die § 87 Absatz 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) beschreibt. Verstößt er hiergegen, entsteht ein betriebsverfassungswidriger Zustand. Dem Betriebsrat erwachsen dann zwei Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die er ggf. gerichtlich durchsetzen kann:

 

  1. Er kann einen allgemeinen Unterlassungsanspruch geltend machen. Das zielt darauf, dass dem Arbeitgeber untersagt wird, zukünftig entsprechende Maßnahmen ohne die Mitbestimmung des Betriebsrates vorzunehmen und
  2. Er hat einen Beseitigungsanspruch. Dieser zielt darauf, die unter Verletzung des Mitbestimmungsrechts eingetretene Lage zu beenden. Dieser Anspruch setzt mithin voraus, dass der mitbestimmungswidrige Zustand noch andauert.

Der Beseitigungsanspruch erstreckt sich nur auf die Beseitigung des betriebsverfassungswidrigen Zustands selbst

Beide Ansprüche reichen indessen nicht weiter als der Inhalt des zu sichernden Mitbestimmungsrechts. Nach allgemein herrschender Meinung erstreckt sich der Beseitigungsanspruch deshalb nur auf die Beseitigung des betriebsverfassungswidrigen Zustands selbst. Der Betriebsrat kann nicht verlangen, dass der Arbeitgeber die Folgen, die sich aus der Verletzung des Mitbestimmungsrechts ergebenden, ebenfalls beseitigt. Das Gericht muss im Einzelfall ermitteln, ob das Begehren des Betriebsrates noch von seinem Beseitigungsanspruch getragen wird.


Ausgehen muss das Gericht von der gesetzlichen Ausgestaltung desjenigen Mitbestimmungstatbestands, gegen den der Arbeitgeber verstoßen hat. Der betriebsverfassungsrechtliche Beseitigungsanspruch korrespondiert mit dem Beseitigungsanspruch im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 1004 Satz 1 BGB).

Der Betriebsrat ist der Auffassung, ihm habe bei der Auswertung, Sicherung und Weiterleitung des E-Mail-Verkehrs ein Mitbestimmungsrecht zugestanden

Wem das zu abstrakt ist, mag sich mit einem Fall befassen, den das Bundesarbeitsgericht kürzlich entschieden hat: ein Unternehmen leitete im Herbst 2017 eine interne Untersuchung ein. Es wollte strafrechtlich relevanter Vorwürfe unter anderem gegen einen seiner damaligen Geschäftsführer klären.


Die Ermittlungen unterstützten eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und eine Rechtsanwaltskanzlei. Im Rahmen der Untersuchung überprüfte das Unternehmen die E-Mail-Postfächer des Geschäftsführers, verschiedener leitender Angestellter und weiterer Arbeitnehmer, sicherte E-Mails - um deren Löschung zu verhindern - und leitete sie an die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und die Rechtsanwaltskanzlei weiter, die diese auswerten sollten.


Um Unternehmen gibt es einen Betriebsrat. Dieser hat die Ansicht vertreten, ihm habe bei der Auswertung, Sicherung und Weiterleitung des E-Mail-Verkehrs der Arbeitnehmer ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zugestanden. Dabei geht es um die Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen.

Der Betriebsrat kann sein Verlangen nicht auf den Beseitigungsanspruch stützen

In dem Verfahren hatte der Betriebsrat unter anderem beantragt, der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu veranlassen, dass die an die Rechtsanwaltskanzlei und die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft weitergeleiteten Daten inklusive deren Auswertungen physisch gelöscht und vernichtet werden. Er hatte sich dabei auf den betriebsverfassungsrechtlichen Beseitigungsanspruch berufen. Das BAG sah diesen allerdings nicht als gegeben. Der Betriebsrat könne sein Verlangen nicht auf den aus § 87 BetrVG folgenden Beseitigungsanspruch stützen, konstatiert das BAG. Dies folge bereits daraus, dass ein solcher Anspruch nur auf eine Beseitigung des betriebsverfassungswidrigen Zustands, nicht aber auf eine weitergehende Folgenbeseitigung gerichtet sein könne.


Verstoße der Arbeitgeber gegen das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, könne sich der Beseitigungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber darauf richten, dass die Anwendung der mitbestimmungswidrig im Betrieb eingeführten und genutzten technischen Überwachungseinrichtung unterbleibe. Dem Betriebsrat stünde hingegen kein Anspruch darauf zu, dass der Arbeitgeber gegenüber Dritten verlange, personengebundene Daten zu löschen, die er durch Maßnahmen erlangt habe, bei denen der Betriebsrat entgegen § 87 BetrVG nicht mitbestimmt habe, so das BAG. Mit seinem Antrag würde er nämlich anstreben, die Folgen des betriebsverfassungswidrigen Zustandes zu beseitigen.


Hier geht es zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts:

Rechtliche Grundlagen

Rechtsgrundlagen:
§ 87 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)
Mitbestimmungsrechte
(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:
1. Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3. vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4. Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5. Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6. Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7. Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8. Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9. Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10. Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11. Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12. Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13. Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt;
14. Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.
(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.