Der Arbeitgeber darf dem Betriebsrat Informationen über Sonderzahlungen nicht mit Verweis auf Datenschutz vorenthalten. Copyright by  PIXMatex/Fotolia
Der Arbeitgeber darf dem Betriebsrat Informationen über Sonderzahlungen nicht mit Verweis auf Datenschutz vorenthalten. Copyright by PIXMatex/Fotolia

Von Sonderzahlungen muss der Betriebsrat erfahren. Einem Arbeitgeber, der diese Information mit Blick auf den Datenschutz verweigerte, hat nun das Landesarbeitsgericht Hessen deutlich widersprochen.
 

Betriebsrat macht Unterrichtungsanspruch geltend

Der Betriebsrat hatte vom Arbeitgeber, einer Klinik, Auskunft darüber verlangt, an welche Arbeitnehmer*innen, in welcher Höhe, auf welcher Grundlage und nach welchen Kriterien er Zulagen, Prämien, Gratifikationen, Provisionen und sonstige Sonderzahlungen gezahlt hat.
 
Er berief sich dabei auf seinen allgemeinen Unterrichtungsanspruch. Die Angaben benötige er, um sein Mitbestimmungsrecht bei Fragen der betrieblichen Lohngestaltung wirksam ausüben zu können.
 
Der Arbeitgeber verweigerte die Auskunft und berief sich dabei unter anderem auf den Datenschutz: Da die gewünschten Informationen keinen Bezug zur Aufgabe des Betriebsrats hätten, sei eine Auskunft nicht möglich. Es fehle an einer datenschutzrechtlichen Erlaubnisnorm.
 

Auskunftsrecht des Betriebsrats im Rahmen seiner Aufgaben

Das Landesarbeitsgericht hat - wie zuvor auch das Arbeitsgericht Wiesbaden - zu Gunsten des Betriebsrates entschieden. Dem Betriebsrat stehe ein Unterrichtungsanspruch zu.
 
Der betriebsverfassungsrechtliche Unterrichtungsanspruch besteht dann, wenn die geforderte Information notwendig ist, damit der Betriebsrat seine Aufgaben wahrnehmen kann. Nach der Rechtsprechung ist also zu prüfen:
 

  • ob überhaupt eine Aufgabe des Betriebsrates gegeben ist und
  • ob im Einzelfall die begehrte Information erforderlich ist, um die Aufgabe wahrzunehmen

 
Der sogenannte „Aufgabenbezug“ liegt nach Überzeugung des LAG vor, weil der Betriebsrat bei Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere bei leistungsbezogenem Entgelt ein echtes Mitbestimmungsrecht habe. Im Rahmen dieses Mitbestimmungsrechts müsse der Betriebsrat wissen, wie die Sonderzahlungen derzeit verteilt sind.
 

Datenschutz steht nicht entgegen

Auch die datenschutzrechtlichen Vorbehalte überzeugten das Landesarbeitsgericht nicht. Als Arbeitgeber sei der Beklagte nicht nur berechtigt, die Vergütungshöhe zu erfassen und einer bestimmten Person zuzuordnen  - diese Informationen seien vielmehr unabdingbar: „ansonsten kann der Arbeitgeber das Entgelt nicht berechnen, noch auszahlen“..
 
Der Arbeitgeber müsse die so zulässig erhobenen Daten dem Betriebsrat zur Verfügung stellen. Denn auch durch die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) habe sich die Rechtsstellung des Betriebsrates nicht verändert.
 
Zudem sei der Betriebsrat nicht Dritter im Sinne des Datenschutzes, so dass eine Weitergabe unproblematisch möglich sei. Die vom Beschäftigten erteilte Einwilligung erstrecke sich insofern auch auf den Betriebsrat.
 
Links
Entscheidung des LAG Hessen
 
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Das sagen wir dazu:

Bei der vorliegenden Entscheidung dürfte es sich um eine der ersten handeln, die sich mit der Rolle des Betriebsrates unter Anwendung der DSGVO beschäftigen. Allerdings bleiben auch nach neuer Rechtslage die Beteiligungsrechte der Interessenvertretungen der Beschäftigten unberührt.

Datenschutz bricht Betriebsverfassung nicht

Im Klartext bedeutet das, dass der Datenschutz keine Rechtsposition des Betriebsrates beseitigen kann, die das Betriebsverfassungsrecht einräumt. Mag es für einzelne Beschäftigte auch unangenehm sein, weil sie um ihre stillschweigend zugeschobenen Sonderzahlungen fürchten: Daten, die im Betrieb vorhanden sind, muss auch der Betriebsrat kennen, sofern es notwendig ist, um die Mitbestimmung wahrzunehmen.

Es ist sicher kein Zufall, dass manche Arbeitgeber sich erst dann Gedanken um Datenschutz machen, wenn sie die Daten, die sie erhoben haben, an den Betriebsrat weitergeben sollen. Denn ein gut informierter Betriebsrat kann seine Aufgaben effektiv wahrnehmen.

Betriebsräte sollten sich deshalb nicht von der derzeit verbreiteten Hysterie um das Thema Datenschutz verrückt machen lassen und sich beim Arbeitgeber die Informationen verschaffen, die sie benötigen. Nur so sind sie auf Augenhöhe und können die Interessen der Beschäftigten wirksam vertreten.

Rechtliche Grundlagen

§ 26 BDSG, §§ 80, 87 BetrVG

§ 26 BDSG Datenverarbeitung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses

(1) Personenbezogene Daten von Beschäftigten dürfen für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses verarbeitet werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung oder zur Ausübung oder Erfüllung der sich aus einem Gesetz oder einem Tarifvertrag, einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung (Kollektivvereinbarung) ergebenden Rechte und Pflichten der Interessenvertretung der Beschäftigten erforderlich ist. 2Zur Aufdeckung von Straftaten dürfen personenbezogene Daten von Beschäftigten nur dann verarbeitet werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass die betroffene Person im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Verarbeitung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse der oder des Beschäftigten an dem Ausschluss der Verarbeitung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind.

[…]
(6) Die Beteiligungsrechte der Interessenvertretungen der Beschäftigten bleiben unberührt.

§ 80 II S. 1 BetrVG

(1) Der Betriebsrat hat folgende allgemeine Aufgaben:

1. darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden;

[…]

(2) Zur Durchführung seiner Aufgaben nach diesem Gesetz ist der Betriebsrat rechtzeitig und umfassend vom Arbeitgeber zu unterrichten; die Unterrichtung erstreckt sich auch auf die Beschäftigung von Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen, und umfasst insbesondere den zeitlichen Umfang des Einsatzes, den Einsatzort und die Arbeitsaufgaben dieser Personen. Dem Betriebsrat sind auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen; in diesem Rahmen ist der Betriebsausschuss oder ein nach § 28 gebildeter Ausschuss berechtigt, in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter Einblick zu nehmen. Zu den erforderlichen Unterlagen gehören auch die Verträge, die der Beschäftigung der in Satz 1 genannten Personen zugrunde liegen. Soweit es zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich ist, hat der Arbeitgeber ihm sachkundige Arbeitnehmer als Auskunftspersonen zur Verfügung zu stellen; er hat hierbei die Vorschläge des Betriebsrats zu berücksichtigen, soweit betriebliche Notwendigkeiten nicht entgegenstehen.

§ 87 Betriebsverfassungsgesetz

§ 87 Mitbestimmungsrechte
(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:
[…]
10. Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11. Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;