Die Mitglieder des Betriebsrats dürfen in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht gestört oder behindert sowie wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden. So steht es im Betriebsverfassungsgesetz.
Ein Arbeitgeber aus Hessen nahm es damit nicht so genau und wurde dafür in zweiter Instanz vom Landesarbeitsgericht zurechtgewiesen.
Was war geschehen?
Der Betriebsrat hatte ein in seinen Unterlagen vorhandenes, vom Arbeitgeber erstelltes, Word-Dokument „Jahresurlaubsplanung“ vom Urlaubsjahr 2019 auf 2020 abgeändert und einer gekündigten Mitarbeiterin ausgehändigt.
Der Arbeitgeber reagierte mit einer E-Mail an den Betriebsrat, verfasst von der Referentin Arbeitsrecht.
Das Schreiben beginnt mit „Sehr geehrter Betriebsrat, …
Es sei indiskutabel, interne Firmenunterlagen zu verändern und diese ungeprüft, ungefiltert und ungefragt einfach weiterzugeben – in diesem Fall sogar an jemanden, dessen Arbeitsverhältnis strittig sei.
…und endet mit der Androhung arbeitsrechtlicher Schritte
„Sollten wir zukünftig noch mal ein solches Verhalten oder ein ähnliches Verhalten seitens des Betriebsrats mitbekommen, werden wir vor arbeitsrechtlichen Schritten nicht zurückschrecken.“
Das ließ der Betriebsrat nicht auf sich sitzen und stellte einen Antrag beim Arbeitsgericht. Der Arbeitgeber sollte es unterlassen, die Betriebsratsarbeit dadurch zu erschweren oder zu behindern, indem er dem Betriebsrat unter Androhung von arbeitsrechtlichen Schritten verbietet, das Formular „Jahresurlaubsplanung“ zu verändern oder anzupassen.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen, das Landesarbeitsgericht jedoch änderte die Entscheidung zu Gunsten des Betriebsrats ab.
LAG: Rechtsinstitut einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung ist nicht anzuerkennen
In der Literatur gibt es unterschiedliche Meinungen dazu, ob eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung zulässig ist. Die Befürworter sehen die Rechtsgrundlage der betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung im Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit.
Die zuständige Kammer beim LAG folgt der Auffassung, wonach das Rechtsinstitut einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung nicht anzuerkennen ist. Sie stützt sich auf § 23 BetrVG, der einen Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat nur wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten vorsieht. In dieser gesetzgeberischen Wertung komme zum Ausdruck, dass – gerade im Interesse einer vertrauensvollen Zusammenarbeit - weniger gravierende Pflichtverletzungen ohne Folgen bleiben sollen. Vor diesem Hintergrund sei eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung weder vor der Einleitung eines Ausschlussverfahrens erforderlich, noch rechtlich bedeutsam.
Die Richter*innen der zweiten Instanz nutzten diesen Fall, um diese Punkte festzuhalten:
- Eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung wegen einer betriebsverfassungsrechtlichen Amtspflichtverletzung ist generell unzulässig.
- Der Begriff der Behinderung im Sinne von § 78 BetrVG ist umfassend zu verstehen. Er betrifft jede unzulässige Erschwerung, Störung oder gar Verhinderung der Betriebsratsarbeit. Ein Verschulden oder eine Behinderungsabsicht des Störers ist nicht erforderlich.
Zudem bestehe unabhängig davon auch keine Verpflichtung des Betriebsrats, es zu unterlassen, ein Formular des Arbeitgebers "Jahresurlaubsplanung" zu verändern oder anzupassen. Ein derartiges Formular sei ein Hilfsmittel für die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer, um ihre Urlaubswünsche, die sie grundsätzlich auch formlos mitteilen können, in die betriebliche Urlaubsplanung einzubringen.
Der Beschluss des hessischen Landesarbeitsgerichts ist hier im Volltext nachzulesen.
Rechtliche Grundlagen
§ 78 Betriebsverfassungsgesetz
Die Mitglieder des Betriebsrats, des Gesamtbetriebsrats, des Konzernbetriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Konzern-Jugend- und Auszubildendenvertretung, des Wirtschaftsausschusses, der Bordvertretung, des Seebetriebsrats, der in § 3 Abs. 1 genannten Vertretungen der Arbeitnehmer, der Einigungsstelle, einer tariflichen Schlichtungsstelle (§ 76 Abs. 8) und einer betrieblichen Beschwerdestelle (§ 86) sowie Auskunftspersonen (§ 80 Absatz 2 Satz 4) dürfen in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht gestört oder behindert werden. Sie dürfen wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden; dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung.