Zu diesem Thema haben die bekannten Arbeitsrechtler Däubler und Kittner ein Buch mit dem Titel „Geschichte der Betriebsverfassung“ geschrieben. Zweck des Buches ist zum einen, dem Vergessen der Geschichte von Betriebsverfassung entgegenzuwirken. Zum anderen geht es den Autoren um die Fragestellung: „Was können wir aus der Geschichte lernen?“

Die Entwicklung bis zum Betriebsverfassungsgesetz von 1952

Als die Gewerkschaften gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstanden, war Mitbestimmung zunächst nicht ihr Thema. Sie waren in erster Linie damit beschäftigt, sich selbst zu etablieren. Was an Kraft und Mut übrig blieb, mussten sie einsetzen im Kampf, den die Unternehmen gegen die Gewerkschaften führten.
In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg gab es zwei Strömungen, die eine Entwicklung des Mitbestimmungsgedankens bremsten. Zum einen war es die starre Haltung der Unternehmen: „Mit denen reden wir nicht!“. Zum anderen gab es aber auch Kräfte innerhalb der Gewerkschaften, die die Auffassung vertraten: „Mitbestimmung ist nicht viel, Sozialismus ist das Ziel!“. Nach Auffassung dieser Gruppen war die Mitbestimmung ein Faktor, der die Überwindung des Kapitalismus sogar behindert.

Dennoch kam es 1920 zu einem Betriebsrätegesetz, das Betriebsräten erstmals Organisations- und Aktionsrechte garantierte. Dabei handelte es sich aber nicht um echte Mitbestimmungsrechte. Der Arbeitgeber hatte die Möglichkeit, sich über alles, was der Betriebsrat vorschlug oder ablehnte, beliebig hinwegzusetzen. Er konnte trotz des Betriebsrätegesetzes letztlich tun, was immer ihm beliebte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sich die Erkenntnis durch, dass Gewerkschaften und Betriebsräte sich gegenseitig brauchen.
Aber erst durch das Betriebsverfassungsgesetz von 1952 bekamen Betriebsräte echte Mitbestimmungsrechte, wie sie sich etwa in den Vorschriften zur Mitbestimmung bei sozialen Angelegenheiten und bei personellen Einzelmaßnahmen finden.

Die Zukunft der Betriebsverfassung

In diesem Zusammenhang berichtete Michael Kittner zunächst von einem dramatischen Befund. Lediglich 40 % aller Arbeitnehmer*innen in der Bundesrepublik arbeiteten in einem Betrieb mit Betriebsrat. Noch bedenklicher stimme, dass lediglich in 9 % aller betriebsratsfähigen Betriebe tatsächlich ein Betriebsrat existiere.

Diese Zahlen ergäben sich zum einen daraus, dass es nicht hinreichend Arbeitnehmer*innen gebe, die bereit seien, sich zu engagieren und die exponierte Stellung eines Betriebsrates einzunehmen. Zum anderen – ergänzt Professor Däubler – greife insbesondere im Hinblick auf die Arbeitswelt 4.0 die Auffassung um sich, jeder sei letztlich seines eigenen Glückes Schmied. Eine kollektive Interessenvertretung sei deshalb antiquiert und überflüssig.

Ein Mittel, dieser Entwicklung entgegenzusteuern, sieht Wolfgang Däubler darin, dass existierende Betriebsräte durch gute Arbeit deutlich machen, wie unabdingbar eine kollektive Interessenvertretung ist. Ein besonders geeignetes Beispiel dafür ist, eindringlich darauf hinzuweisen, dass nur Betriebsräte die Möglichkeit haben, bei Betriebsänderungen Sozialpläne abzuschließen, die die Lage von Arbeitnehmer*innen entscheidend verbessern können.