Die Pandemie ist noch lange nicht überwunden. Gleichwohl wird der Bundestag die „epidemische Lage nationaler Tragweite" nicht über Ende November hinaus verlängern. Das Bundesministerium für Gesundheit ist dann nicht mehr ermächtigt, ohne Parlamentsbeschluss und Zustimmung des Bundesrats diverse Anordnungen und Rechtsverordnungen zu erlassen. Das bedeutet aber nicht, dass es keine einschneidenden Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie mehr geben wird.
Am Donnerstag haben Angela Merkel als amtierende Kanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder in einer Videoschaltkonferenz Maßnahmen beschlossen, die insbesondere für Ungeimpfte tiefe Einschnitte in ihre Lebensführung bedeuten wird. Virologen und Epidemiologen sind sich weitgehend darin einig, dass die Maßnahmen vermutlich zu spät kommen.
Offensichtlich gibt es in unserem Land Querköpfe, die Freiheit mit Beliebigkeit verwechseln
Trotz unserer Erfahrung mit dem Virus seit beinahe zwei Jahren und obwohl Expert*innen bereits seit Juni 2021 vor einer vierten Welle warnen, sind wir offensichtlich über den Sommer viel zu sorglos mit der Pandemie umgegangen. Wir glaubten, wir werden bis zum Herbst fast alle geimpft sein und dem Erreger keine Chance mehr bieten, viele von uns zu infizieren.
Was wir nicht beachtet haben: offensichtlich gibt es in unserem Land Querköpfe, die Freiheit mit Beliebigkeit verwechseln. Und die nicht verstehen, dass sie Entscheidungen treffen, die nicht nur sie, sondern die ganze Gesellschaft betreffen. Man braucht sich nur die Länder mit einer hohen Impfquote ansehen. Italien etwa, dass Land der Individualisten und Staatsskeptiker. Dort sind weit über 80 Prozent vollständig geimpft! Die Inzidenz liegt in Italien deutlich unter 100! Bei uns über 300, in einigen Landkreisen gar über 1.400!
RKI-Chef Wieler: „Es herrscht eine Notlage in unserem Land"
„Wir laufen momentan in eine ernste Notlage. Wir werden wirklich ein sehr schlimmes Weihnachtsfest haben, wenn wir jetzt nicht gegensteuern.“ sagte Lothar Wieler, Chef des Robert-Koch-Instituts (RKI), dem während einer Online-Diskussion im ZDF der Kragen geplatzt war. Und fügte hinzu, dass die Zahl der Neuinfektionen steil ansteige und tatsächlich weitaus höher sein als dürfte: „Hinter den mehr als 50.000 Infektionen, die derzeit pro Tag neu registriert würden, verbergen sich mindestens noch einmal doppelt oder dreimal so viele", so der RKI-Chef.
Und er rechnete vor, wie viele Menschen erfahrungsgemäß an der Krankheit voraussichtlich sterben werden: Bei mehr als 50.000 Neuinfizierten müsse man in den nächsten Wochen mit 400 Toten rechnen - am Tag. Da war ihm noch nicht bekannt, dass die Zahl der Menschen, die sich neu infiziert haben, am Donnerstag, den 18. November 2021 bereits bei 65.000 lag.
Die Länder schlagen vor: Impflicht in Alten- und Pflegeheimen. 3-G am Arbeitsplatz. Recht auf Homeoffice
Kanzlerin und die Chef*innen der Länderregierungen haben auch einige Maßnahmen beschlossen, die das Arbeitsrecht betreffe:
- Es ist nach Auffassung der Runde erforderlich, dass bundeseinheitlich in Alten- und Pflegeeinrichtungen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie alle Besucherinnen und Besucher täglich eine negative Testbescheinigung vorweisen, die nicht älter als 24 Stunden ist. Auch geimpfte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen regelmäßig ein negatives Testergebnis vorweisen. Diese Tests können auch als Eigentest durchgeführt werden.
- Die Länder halten es für erforderlich, dass einrichtungsbezogen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Krankenhäusern und Einrichtungen der Eingliederungshilfe sowie in Alten- und Pflegeheimen und bei mobilen Pflegediensten bei Kontakt zu vulnerablen Personen verpflichtet werden, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen. Die Länder bitten den Bund, dies schnellstmöglich umzusetzen.
- An Arbeitsplätzen, an denen physische Kontakte zu anderen Personen nicht ausgeschlossen sind bedarf es einer bundesweiten Vorgabe, dass nur genesene, geimpfte oder getestete Personen dort tätig sein dürfen (3G-Regelung). Die Einhaltung dieser 3G-Regelung soll vom Arbeitgeber täglich kontrolliert und dokumentiert werden. Dazu müssen alle Arbeitgeber auch über entsprechende Auskunftsrechte gegenüber den Arbeitnehmern verfügen.
- Die Arbeitgeber bieten weiterhin zudem mindestens zweimal pro Woche eine kostenlose Testmöglichkeit an. Dieses Konzept ist hinsichtlich seiner Praktikabilität im Rahmen der konkreten betrieblichen Umsetzung zu überwachen und nötigenfalls kurzfristig anzupassen.
- Dort wo keine betrieblichen Gründe entgegenstehen, soll die Arbeit vom häuslichen Arbeitsplatz (Homeoffice) ermöglicht werden.