Verstoß gegen die Friedenspflicht kann zu Schadensersatzforderungen führen
Verstoß gegen die Friedenspflicht kann zu Schadensersatzforderungen führen

Bei der „Gewerkschaft der Flugsicherung" (GdF), handelt es sich um eine nicht unter dem Dach des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) befindliche Organisation.

Verstoß gegen die Friedenspflicht führt zu Schadensersatz

Damit habe die GdF gegen die Friedenspflicht verstoßen und sich schadensersatzpflichtig gemacht. Denn ein Streik, dessen Kampfziel auch auf die Durchsetzung von Forderungen gerichtet ist, welche die in einem Tarifvertrag vereinbarte Friedenspflicht verletzen, ist rechtswidrig.

Ein rechtswidriger Streit verpflichtet bei schuldhaftem Handeln zum Ersatz der dem Kampfgegner entstandenen Schäden. Die streikführende Gewerkschaft kann nicht einwenden, die Schäden wären auch bei einem Streik ohne friedenspflichtverletzende Forderungen entstanden.

Allerdings müssten nicht die Schäden ersetzt werden, welche andere vom Streik betroffene Dritte, etwa Fluggesellschaften, erleiden.

Flugsicherung bestreikt Fraport

Vorausgegangen war ein Streik der „Gewerkschaft der Flugsicherung“ (GdF), die die die berufs- und tarifpolitischen Interessen des Flugsicherungspersonals vertritt. Sie hatte mit der Betreibergesellschaft des Frankfurter Flughafens - der Fraport AG (Fraport) - einen Tarifvertrag für die Beschäftigten in der Vorfeldkontrolle und Verkehrszentrale geschlossen. Dessen Bestimmungen sollten für die Laufzeit des Tarifvertrags abschließend sein.

Mit Ausnahme einiger Regelungen war der Tarifvertrag zum 31.12.2011 kündbar. Die übrigen Vorschriften waren erst zum 31. Dezember 2017 kündbar. Die GdF hatte den Tarifvertrag gekündigt, soweit dies zulässig war. Im Anschluss verhandelte sie mit Fraport einen neuen Tarifvertrag.

Ein Schlichtungsverfahren endete mit einer Empfehlung des Schlichters. Diese enthielt allerdings auch Ergänzungen zu dem noch ungekündigten Teil des Tarifvertrags.

Nachdem weitere Verhandlungen erfolglos geblieben waren, kündigte die GdF gegenüber Fraport an, ihre Mitglieder zu einem befristeten Streik aufzurufen. Durchgesetzt werden sollte die Schlichterempfehlung inklusive der Regelungen zu den ungekündigten Vorschriften.

Fraport klagt auf Schadensersatz

Fraport klagte daraufhin gegen die GdF auf Ersatz der Schäden, die sie durch den Streik erlitten hat. Vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht hatte sie damit keinen Erfolg. Die hiergegen von Fraport eingelegte Revision war vor dem Bundesarbeitsgericht erfolgreich.

Das BAG erklärte den von der GdF getragenen Streik für rechtswidrig. Er sollte die Schlichterempfehlung durchsetzen und damit auch die ungekündigten Bestimmungen des Tarifvertrags verändern.

Diese unterlägen aber der tarifvertraglich vereinbarten erweiterten Friedenspflicht, so dass sie nicht in den Streik hätten einbezogen werden dürfen.

Kein Schadensersatz für Fluggesellschaften

Für unbeachtlich erklärten die Richter*innen das Argument der GdF, sie hätte denselben Streik auch ohne die der Friedenspflicht unterliegenden Forderungen geführt. Wegen des anderen Kampfziels hätte es sich nicht um diesen, sondern um einen anderen Streik gehandelt. Die GdF sei Fraport gegenüber zum Ersatz von streikbedingten Schäden verpflichtet.

Das Bundesarbeitsgericht hat den Fall an das zuständige Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Dieses hat jetzt zu klären, wie hoch der durch den Streik verursachte Schaden tatsächlich ist.

Keinen Anspruch auf Schadensersatz sprach das BAG dagegen den Fluggesellschaften Lufthansa und Air Berlin zu, die ebenfalls auf Schadensersatz geklagt hatten. Diese seien als Drittbetroffene nicht anspruchsberechtigt.

Anmerkung

Unbestreitbar richtig an dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts ist, dass ein Verstoß gegen die Friedenspflicht schadensersatzpflichtig macht: Wer zum Streik über Regelungen aufruft, die noch nicht gekündigt sind, verletzt die Friedenspflicht und macht sich schadensersatzpflichtig.

Dabei kam es im vorliegenden Fall nicht einmal darauf an, dass die Friedenspflicht ausdrücklich im Tarifvertrag vereinbart und erweitert war: Solcher Regelungen bedarf es nur, wenn man während der Laufzeit des Tarifvertrags Streiks komplett ausschließen möchte (absolute Friedenspflicht).

Beziehen sich Streiks aber - wie hier - auf Regelungen, die im Tarifvertrag selbst geregelt sind, dann sind sie während der Laufzeit des Tarifvertrags rechtswidrig, ohne dass dies ausdrücklich geregelt werden muss (relative Friedenspflicht).

Interessant ist auch das Gegenargument der GdF, wonach man ja sowieso gestreikt hätte. Hier hat das BAG aber den Streik als ganzen betrachtet, von dem man nicht einzelne Forderungen abtrennen kann. Man spricht insofern auch von der „Rührei-Theorie“, wonach eine unzulässige Forderung zur Rechtswidrigkeit des gesamten Streiks führt.

Ob eine solche Betrachtung bei Tarifauseinandersetzungen, wo es zum Teil um umfassende Regelungswerke geht, sachgerecht ist, ist eine andere Frage. Wolfgang Däubler weißt darauf hin, dass man erst einige Spezialisten finden müsse, die die ganzen ungekündigten Tarifwerke „durchkämmen“, ob ja nichts drin ist, was mit den Forderungen zusammenhängt oder gar mit ihnen identisch ist. Er hält dies für nicht zumutbar.

Immerhin könnte das Argument, dass man ja ohnehin gestreikt hätte, noch bei der Ermittlung der Schadenshöhe eine Rolle spielen. Damit hat sich jetzt das Landesarbeitsgericht auseinander zu setzen, das ja seinerzeit noch den Schadensersatzanspruch komplett abgelehnt hatte.


Hier direkt zur Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts zum Urteil vom 26. Juli 2016 - 1 AZR 160/14  


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