Copyright: @Adobe Stock – Edler von Rabenstein
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Neumann ist altersweitsichtig geworden. Die sog. Altersweitsichtigkeit trifft viele, meist ab 40 Jahren. Trotz dem irreführenden Begriff kann der /die Betroffene nah nicht mehr gut sehen. Eine billige Nahbrille hilft auf dem Arbeitsplatz nicht weiter, denn sie ist auf den typischen Leseabstand von vielleicht 30 cm zu einer Zeitung, Buch oder Akte angelegt. PCs stehen aber meist 50-70 cm weit weg und die Bildschirmarbeitsplatzbrille soll für diesen Anwendungsbereich geeignet sein.

 

Bildschirmbrille als Zweitbrille

Neumann war bisher vom Brillentragen verschont. Seine Kollegin trägt eine Gleitsichtbrille. Dies ist im Lesebereich aber immer ein Kompromiss, so dass es durchaus sein kann, dass die PC-Arbeit damit zu anstrengend für die Augen wird. Gerötete juckende Augen oder Kopfschmerzen können ein Symptom sein.

 

Bildschirmarbeitsverordnung nicht mehr gültig

Die Bildschirmarbeitsverordnung ist quasi in der Arbeitsstättenverordnung aufgegangen. Weiter ist das Arbeitsschutzgesetz zu beachten und die DGUV Information 250-008. Letztere ist eine Information der Berufsgenossenschaften "Sehhilfe am Arbeitsplatz". 


Unter § 3 des Arbeitsschutzgesetzes findet sich die Regelung, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, die erforderlichen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz der Beschäftigten zu treffen. Der Schutz der Augen fällt darunter. Weitere Regelungen finden sich in der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV). Bei Bedarf muss eine kostenlose Untersuchung der Augen durch einen Betriebsarzt oder anderen Facharzt angeboten werden.

 

Arbeit an Registrierkassen ist keine Bildschirmarbeit

Nicht jeder Arbeitsplatz, der mit einem Bildschirm ausgestattet ist, gilt nach der Arbeitsstättenverordnung als Bildschirmarbeitsplatz. Der Gesetzgeber hat Vorschriften aus der Bildschirmarbeitsverordnung einfach in die Arbeitsstättenverordnung übernommen. Unter anderem auch, dass gemäß § 1 Absatz 4 ArbStättV der Anhang 6 (Maßnahmen zur Gestaltung von Bildschirmarbeitsplätzen) nicht gilt für Rechenmaschinen, Registrierkassen oder andere Arbeitsmittel mit einer kleinen Daten- oder Messwertanzeigevorrichtung, die zur unmittelbaren Benutzung des Arbeitsmittels erforderlich ist.

 

Andererseits findet sich nirgends eine Definition, was genau Registrierkassen ausmacht. Die Abgrenzung wird wohl sein, ob sie tatsächlich nur für den Kassiervorgang genutzt werden.

 

Kostenerstattung oft in Betriebsvereinbarungen geregelt

Wenn ein Arbeitgeber dem Arbeitnehmer irgendwelche Leistungen zukommen lässt oder Kosten erstattet, ist das grundsätzlich so zu behandeln wie Arbeitslohn. Es fallen dann Beiträge für die Sozialversicherung und Steuern an.

Eine lohnsteuer- und sozialversicherungsfreie Übernahme der Kosten für eine Bildschirmbrille war bis 2019 im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung durch den Arbeitgeber bis 500 € möglich. Seit Januar 2019 steht aber in § 3 Nr. 34 EStG, dass nur eine zertifizierte Maßnahme gefördert werden kann.

 

Bei ärztlicher Verordnung Kostenerstattung ohne Abzüge möglich

Stellt sich bei einer Untersuchung der Augen durch einen Arzt/Betriebsarzt oder bei einer arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung heraus, dass eine speziell auf den Arbeitsplatz ausgerichtete Brille erforderlich ist, dann kann der Arbeitgeber die Kosten für eine solche Brille erstatten. Bei Neumann ist das dann kein Lohn, sondern Ausgleich der Kosten und sein Chef kann dies als Betriebsausgabe absetzen.

 

Neumanns Optiker meinte, die Untersuchung könne auch er machen. Das mag zwar zutreffend sein, hier ist aber zwingend eine Verordnung durch den Arzt nötig.

 

Nachholen geht nicht

Neumann war nur beim Optiker, hat auch dort die Brille gekauft und legt das seinem Arbeitgeber vor.

Dieser weiß um die steuer-und sozialversicherungsrechtlichen Vorgaben und kann ihm abgabenfrei nichts erstatten.

 

Neumanns Idee sich im Nachhinein noch eine Verordnung zu holen, scheitert daran, dass die Reihenfolge eingehalten werden muss. Erst die Verordnung, dann der Kauf.

 

Streit um Arbeitsplatzbrille vor dem Arbeitsgericht?

Es ist erstaunlich, dass sich aus den letzten Jahren kaum Streitigkeiten hierzu finden lassen. Obwohl ja immer mehr Arbeitsplätze mit Computern ausgestattet werden. Bei Bildschirmarbeit kann man sich z.B. auf das Urteil vom 30.05.2016, Az.: 58 Ca 5912/16 berufen. Da kam das Arbeitsgericht Berlin zu dem Ergebnis, dass es sich bei einer Arbeitsplatzbrille um verpflichtenden Arbeitsschutz handelt und somit der Arbeitgeber die Kosten für die Bildschirmbrille tragen muss (§ 3 Abs. 3 ArbSchG).

Die Entscheidung erging noch zur Bildschirmarbeitsverordnung, die Begründung trägt aber auch noch heute.

 

Anspruch nur bei kompletter Bildschirmarbeit?

Bei vielen Arbeitsplätzen ist nicht dauernde Bildschirmarbeit erforderlich. Und was ist mit Teilzeitkräften?

In einer alten Entscheidung war das Arbeitsgericht Neumünster (Urteil vom 20. Januar 2000 - 4 Ca 1034b/99) der Auffassung, dass bereits 30-45 Minuten arbeitstäglich PC-Arbeit ausreichen, um den Anspruch zu begründen. Auch darauf kann man sich noch berufen.

 

Kostenübernahme in welcher Höhe?

Es versteht sich von selbst, dass der Arbeitgeber nicht die Kosten für ein Designergestell mit teuersten Gläsern übernehmen muss. Also nichts mit Porsche, Cartier oder sonstigen Designergestellen.

Dass was erforderlich ist, wird übernommen.

 

Was gilt bei Änderung der Sehstärke?

Die G 37 Untersuchung ist sicher noch einigen ein Begriff. Er wird auch heute noch benutzt, obwohl die Untersuchung schon seit einigen Jahren in der Verordnung für arbeitsmedizinische Vorsorge als Angebotsvorsorge bezeichnet wird.

Vorsorgeuntersuchungen im laufenden Arbeitsverhältnis sollten alle 36 Monate vorgenommen werden, und natürlich bei Bedarf. Ergibt sich dabei eine Sehstärkenänderung, muss sich Neumann wohl nicht darauf verweisen, dass vor vier Jahren einmal Kosten für die Bildschirmbrille übernommen wurden. 

 

Bildschirmbrillen sind keine Kassenleistung

Ganz früher wurden noch Kosten für eine gesundheitlich notwendige Brille von der Krankenkasse übernommen. Zumindest für die billigen Standardgläser. Heute muss jemand fast schon blind sein, damit er gem. § 33 Abs. 2 Nr. 2-5 SGB V die Krankenkasse an Kosten für seine normale Brille beteiligen kann. Bildschirmbrillen sind überhaupt keine Kassenleistung.

 

Kosten sind keine Werbungskosten

Bei Neumann gibt es eine Betriebsvereinbarung, die Kosten bis 400 € übernimmt. Neumann hat sich was richtig Teures ausgesucht und bleibt auf 200 € der Kosten sitzen. Er braucht die Brille für die Arbeit, so dass es naheliegend ist, dass er die 200 € in der nächsten Steuererklärung als Werbungskosten geltend machen will.

Geht das? Nein, urteilte der Bundesfinanzhof (Urteil vom 20.7.2005, VI R 50/03). Eine Brille sei ein Hilfsmittel zur Beseitigung einer körperlichen Schwäche und damit den Kosten der privaten Lebensführung zuzuordnen, auch, wenn sie ausschließlich beruflich genutzt wird. Es kann sich nur dann um Werbungskosten handeln, wenn die Sehschwäche ursächlich durch die Arbeit entstanden ist (durch Arbeitsunfall oder eine Berufserkrankung).

Das sagen wir dazu:

Nur Mut! Wer Bildschirmarbeit leistet, sollte auf seine Augengesundheit achten und das Thema aktiv angehen.

Über die Höhe der Kostenerstattung kann man wahrscheinlich noch streiten. Wer Herbert Knebel kennt, so ein „Kassengestell“ wie das früher hieß, muss wohl niemand akzeptieren. Wenn Vorsorgeuntersuchungen angeboten werden, geht hin.