Werden mehrere Betriebe zu einem zusammengefasst, nimmt nach § 21 a BetrVG der Betriebsrat das Übergangsmandat wahr, der die größte Zahl von wahlberechtigten Arbeitnehmern repräsentiert.

Der Fall:

Die Beteiligten streiten darüber, ob nach der Zusammenlegung mehrer Rettungsdienste der Betriebsrat eines der Rettungsdienste berechtigt ist, die Beschäftigten übergangsweise gegenüber dem neuen Arbeitgeber zu vertreten.

Dem Rechtsstreit ging die organisatorische Zusammenlegung von sieben Rettungswachen im Landkreis Spree/Neiße zu, 01.01.2013 voraus: Bis 31.12.2012 bestanden dafür zwei Verträge zur Erbringung von Rettungsdienstleistungen (Notfallversorgung, Notfalltransporte etc.).

Fünf Rettungswachen betrieb ein Verein, der dafür 57 seiner insgesamt 160 Arbeitnehmer einsetzte. Beim Verein bestand ein eigener Betriebsrat. Zwei weitere Rettungswachen wurden von einer gemeinnützigen Gesellschaft, der Rettungsdienste gGmbH, mit 49 Arbeitnehmern betrieben. Auch bei der gGmbH bestand ein dreiköpfiger Betriebsrat.

Mit einem Beschluss des Kreistags wurde der Auftrag für die Rettungsdienstleistungen zum 01.01.2013 einer Unternehmensgruppe für Rettungsdienste erteilt. Diese übernahm Fahrzeuge, Räume und Inventar aller sieben Rettungswachen. Die Gesellschaft hat ihren Sitz in Hamm und erledigt von dort aus zentral die Personalbuchhaltung. Seit dem 01.01.2013 werden die sieben Rettungswachen im Landkreis als Gesamtbetrieb geführt.

Die Arbeitsverhältnisse der 57 Beschäftigten des Vereins sind unstreitig nach § 613a BGB im Wege des Betriebsübergangs auf sie übergegangen. Einen Betriebsübergang von der Rettungsdienste gGmbH bestreitet die Arbeitgeberin allerdings. Die Arbeitgeberin bot den 49 Beschäftigten der Rettungsdienste gGmbH zum 01.01.2013 Arbeitsverträge mit geänderten Bedingungen an.

Dagegen wehrte sich der Betriebsrat. Das Gremium bestellte am 02.01.2013 einen Wahlvorstand für Neuwahlen. Auch hinsichtlich der von der Rettungsdienste gGmbH betriebenen zwei Rettungswachen habe ein Betriebsübergang stattgefunden. Der Betriebsrat ist der Ansicht, zumindest im Wege eines Übergangsmandats nach § 21 a BetrVG für die Beschäftigten aller sieben Rettungswachen zuständig zu sein.

Der Betriebsrat beantragte beim Arbeitsgericht (ArbG) Cottbus festzustellen, dass der Betriebsratsvorsitzende und die anderen Mitglieder bis zur Wahl eines neuen Betriebsrats die gesetzlichen Rechte und Pflichten eines Betriebsrats wahrnehmen.

Die Entscheidung:

Das ArbG Cottbus wies den Antrag ab. Dem früheren Betriebsrat der Rettungsdienste gGmbH stehe ein Übergangsmandat gemäß § 21a BetrVG nicht zu. Das ArbG entschied, der vormals von der Rettungsdienste gGmbH geführte Betrieb bestehe nach der Zusammenlegung nicht als betriebsratsfähige Organisationseinheit fort, so dass der Betriebsrat ist nicht über den 31.12.2012 hinaus im Amt geblieben sei.

Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin seien allerdings auch die von der Rettungsdienste gGmbH betriebenen zwei Rettungswachen im Wege des Betriebsübergangs auf sie übergegangen.

Mit der Aufgabenwahrnehmung ab dem 01.01.2013 habe sie diese wirtschaftliche Einheit auch unter Wahrung ihrer Identität fortgeführt. Dass keine vertraglichen Beziehungen zwischen der Arbeitgeberin und der Rettungsdienste gGmbH bestanden, ändert hieran nichts.

Die Arbeitgeberin habe die von ihr übernommenen Betriebe bzw. Betriebsteile gemäß § 21 a Abs. 2 BetrVG zu einem Betrieb zusammengefasst, indem sie sie seit dem 01.01.2013 als Gesamtbetrieb aus der Zentrale in Hamm geführt hat.

Damit war das Mandat des Betriebsrates der Rettungsdienste gGmbH zum 31.12.2012 erloschen. Denn da er auf die Arbeitgeberin übergegangene Betrieb der Rettungsdienste gGmbH 49 Arbeitnehmer hatte, der Verein jedoch ca. 160 Arbeitnehmer, von denen 57 ebenfalls auf die Arbeitgeberin übergingen, stand das Übergangsmandat gemäß § 21 a Abs. 2 BetrVG nicht dem Antrag stellenden Betriebsrat zu.

Folgen für die Praxis:

Sind die 106 Rettungssanitäter nun ohne Betriebsrat?

Keinesfalls! Wie das ArbG Cottbus schon andeutet, gibt es ja noch den Betriebsrat des Vereins. Der war für die 160 Beschäftigten des Vereins inklusive der 57 Rettungssanitäter zuständig. Als die fünf Rettungswachen aus dem Verein herausgelöst wurden, gehörten sie damit nicht mehr zum Betrieb des Vereins. Der Betrieb des Vereins wurde gespalten.

(Schritt 1): Spaltet der Arbeitgeber einen Betrieb auf, bleibt der bisherige Betriebsrat des alten Betriebs im Amt (§ 21a Abs. 1 etrVG). Er ist weiter für alle Betriebsteile weiter zuständig, die früher zum alten Betrieb gehörten. Also ist zunächst der Betriebsrat des Vereins für die fünf ausgegliederten Wachen zuständig.

(Schritt 2): Warum ist jetzt der Betriebsrat des Vereins für den ganzen neuen Betrieb zuständig?

Wenn der Arbeitgeber zwei (oder mehr) Betriebsteile zu einem Betrieb zusammenfasst, so bleibt der Betriebsrat des größten Betriebsteils im Amt. Die Größe richtet sich ausschließlich nach der Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer, also nicht Umsatz, Fläche des Betriebsgeländes oder Kapazitäten. Und in den fünf aus dem Verein ausgegliederten Rettungswachen arbeiteten 57 Rettungssanitäter, in denen der früheren gGmbH nur 49. Und dieser Zahlenunterschied führt dazu, dass der Betriebsteil aus dem alten Verein den der gGmbH „schluckt“ und der Betriebsrat des Vereins für den ganzen neuen Betrieb zuständig ist.

Hatte das der Betriebsrat der gGmbH übersehen, als er seinen Antrag stellte?
Nein, er hatte wohl § 21a Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz gelesen. Daraus könnte man schließen, dass die fünf Rettungswachen des Vereins in den (kleineren) Betrieb der gGmbH eingegliedert wurden, in dem ja ein Betriebsrat bestand. Wenn wirklich die fünf Rettungswachen des Vereins in die gGmbH eingegliedert worden wären, wäre deren Betriebsrat (also der Antragsteller) im Amt geblieben. Aber so sah es das ArbG Cottbus nicht.

Was bedeutet eine Eingliederung? Voraussetzung für eine Eingliederung ist, dass der aufnehmende Betrieb in seiner Organisationsstruktur unverändert bleibt. Er wird einfach nur größer, zum Beispiel um fünf Rettungswachen. Aber Achtung: Zum Betrieb gehören nicht nur die Rettungswachen und Fahrzeuge und Sanitäter, sondern auch die Verwaltung. Und die wurde zentral von Hamm aus organisiert.

Weder die fünf Feuerwachen es Vereins noch die zwei der gGmbH waren ein kompletter Betrieb, sondern nur Betriebsteile. Also konnte auch keiner in den anderen eingegliedert werden, sondern zwei Betriebsteile wurden zusammengefasst – und dann sind wir wieder bei Schritt 2. Unbefriedigend für den Betriebsrat der gGmbH und schwierig nachzuvollziehen. Aber im Ergebnis stehen die Rettungssanitäter nicht ohne Betriebsrat dar.

Wie lange ist der Betriebsrat des Vereins nun für alle Rettungssanitäter zuständig? Bis zum Ergebnis von Neuwahlen. Und die muss der alte Betriebsrat für den neuen Betrieb unverzüglich einleiten, sonst endet das Übergangsmandat spätestens nach sechs Monaten.

Beschluss des ArbG Cottbus vom 24.01.2013, Az: 3BVGa 1/13