Der Betriebsrat kann die Anhörung zu einer beabsichtigten Kündigung durch einen Boten oder Vertreter des Arbeitgebers nicht mit der Begründung zurückweisen, dass der Anhörung keine Vollmachtsurkunde beigefügt ist.

Der Fall:

Die Klägerin arbeitete als "Sales Representative" am Standort Stuttgart für ein Luftfahrtunternehmen mit Sitz in Griechenland. Dieses wurde im Jahr 2009 der Sonderliquidation nach griechischem Recht unterstellt.
Die Sonderliquidatorin – eine Aktiengesellschaft griechischen Rechts – entschloss sich, die deutschen Standorte zu schließen und alle Arbeitsverhältnisse zu kündigen. Über einen Rechtsanwalt hörte sie den Betriebsrat des Standorts Stuttgart schriftlich zu der ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin an.

Dem Schreiben war keine Vollmachtsurkunde beigefügt. Der Betriebsrat wies die Anhörung deshalb zurück. Der Rechtsanwalt kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin fristgemäß.

Die Klägerin hat mit der Kündigungsschutzklage sowohl ihre Arbeitgeberin als auch die Sonderliquidatorin verklagt. Sie hält die Kündigung für unwirksam, weil der Anhörung des Betriebsrats kein Vollmachtsnachweis des handelnden Rechtsanwalts beigefügt war.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg hatte der Klage noch stattgegeben.

Die Entscheidung:

Die Revision der Beklagten hatte nun vor dem Sechsten Senat des BAG Erfolg.

Die Klage richtete sich nach gebotener Auslegung von vornherein allein gegen die Arbeitgeberin der Klägerin, weil die Sonderliquidatorin nach griechischem Recht nur Stellvertreterin war. Die Kündigung ist im Ergebnis wirksam. Der Betriebsrat konnte seine Anhörung nicht analog § 174 Satz 1 BGB wegen fehlenden Vollmachtsnachweises zurückweisen. Denn der Zweck des Anhörungserfordernisses steht einer entsprechenden Anwendung von § 174 BGB entgegen.

Das Verfahren nach § 102 BetrVG ist nicht an Formvorschriften gebunden. Selbst eine mündliche oder telefonische Anhörung ist möglich. Auch in einem solchen Fall beginnt die Wochenfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zu laufen. Hat der Betriebsrat Zweifel an der Boten- oder Vertreterstellung der ihm gegenüber auftretenden Person, kann er sich nach dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit unmittelbar gegenüber dem Arbeitgeber äußern.

Bedeutung für die Praxis:

Was kann der Betriebsrat überhaupt zurückweisen, wie funktioniert dies und welche Folgen hat so eine Zurückweisung?

Zurückweisen bedeutet, dass eine abgegebene Erklärung vom Empfänger nicht akzeptiert wird. Die Erklärung kann und muss also zunächst zugegangen sein. Es ist nicht notwendig, die Entgegennahme zu verweigern. Der Betriebsrat als Gremium muss sogar darüber beraten und formal beschlossen haben, die Erklärung zurückzuweisen. Die Erklärung muss also schriftlich oder mündlich als Botschaft vorliegen. Die Erklärung muss unverzüglich zurück gewiesen werden, also so schnell wie möglich, ohne schuldhaftes Zögern. Findet die nächste Betriebsratssitzung in Wochenfrist ab, kann diese unter Umständen abgewartet werden. Danach muss es dann aber schnell gehen. Im Zweifelsfall muss eine außerordentliche Sitzung abgehalten werden.

Zurückweisung von einseitigen Rechtsgeschäften


Der Betriebsrat kann nicht alle Erklärungen zurückweisen, sondern nur sogenannte einseitige Rechtsgeschäfte. Diese entstehen durch eine Willenserklärung, die eine Rechtsfolge herbeiführen soll. Beispiele für einseitige Rechtsgeschäfte sind die Anfechtung, die Bevollmächtigung und als wichtigstes Beispiel die Kündigung.

Eine Zurückweisung ist möglich, wenn das einseitige Rechtsgeschäft durch einen Bevollmächtigten vorgenommen wird, dieser aber keine Vollmachtsurkunde vorlegt. Keine Vollmachtsurkunde brauchen diejenigen, deren Handlungsvollmacht schon bekannt ist wie  Prokuristen oder Personalleiterinnen. Wird die Erklärung berechtigt zurückgewiesen, ist das Rechtsgeschäft nach § 174 BGB unwirksam.

Dies gilt aber nicht für Mitteilungen oder Informationsschreiben, die keine unmittelbare Rechtsfolge haben (sollen).

Die Anhörung ein Rechtsgeschäft?


Das Berufungsgericht hatte die Anhörung des Betriebsrats vor einer Kündigung als so genannte geschäftsähnliche Handlung gewertet, auf die § 174 BGB Anwendung findet. Die Einleitung der Anhörung sei eine Handlung, die als Rechtsfolge den Beginn des Laufs der Stellungnahmefrist des Betriebsrats eintreten lässt. Dem hat aber das BAG widersprochen. Die Anhörung ist kein Rechtsgeschäft, auch wenn sie durch einen Anwalt erfolgt, der keine Vollmacht vorweist, kann sie nicht zurückgewiesen werden.

Das Urteil des BAG vom 13.12.2012, Az: 6 AZR 348/11