Je nach Wegezeit wird ein Hotelzimmer auch schon sonntags gebucht. © Adobe Stock Zoran Zeremski
Je nach Wegezeit wird ein Hotelzimmer auch schon sonntags gebucht. © Adobe Stock Zoran Zeremski

Andrea ist ein engagiertes Betriebsratsmitglied. Seit vielen Jahren sitzt sie im 30-köpfigen Gesamtbetriebsrat und um Wirtschaftsausschuss ihres Arbeitgebers, einem bundesweit tätigen Unternehmen. Die Sitzungen finden achtmal jährlich an zwei bzw. drei aufeinanderfolgenden Tagen statt. Andrea braucht für Hin- und Rückreise mindestens jeweils 3,5 Stunden.

Der Arbeitgeber schreibt 7,5 Stunden pro Sitzungstag gut 

Um montagsvormittags pünktlich zur Sitzung vor Ort zu sein, entschließt sich Andrea, bereits sonntags anzureisen. Ihr Arbeitgeber zahlt hierfür die Übernachtungskosten. Auch die Reisekosten übernimmt er.

Alle Mitglieder des Gesamtbetriebsrates und des Wirtschaftsausschusses stellt der Arbeitgeber an den Sitzungstagen von der Arbeitsleistung frei. Unternehmenseinheitlich erhalten die Sitzungsteilnehmer*innen Zeitgutschriften von 7,5 Stunden pro Sitzungstag entsprechend der tarifvertraglich vereinbarten Arbeitszeit. Für den Sonntag erfolgt keine Zeitgutschrift.

Andrea ist damit nicht einverstanden. Sie meint, die gewährte Pauschale von 7,5 Stunden sei nicht ausreichend, da die Sitzungen selbst inklusive der Heimreisen mehr als 7,5 Stunden umfassten. Sie habe notwendige Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Durchführung der Betriebsratstätigkeit und der erforderlichen Reisezeit auch an Sonntagen erbracht.

Der Arbeitgeber will einzelne Betriebsratsmitglieder nicht bevorzugen

Für die zusätzlichen Stunden macht Andrea Arbeitsbefreiung geltend. Zumindest möchte sie eine Vergütung hierfür erhalten zuzüglich Mehrarbeitszuschlag. Ihr Arbeitgeber meint aber, dass reine Reise- und Wegezeiten grundsätzlich nicht Bestandteil der Betriebsratstätigkeit sind. 

Er hält Andrea vor, es seien keine betriebsbedingten Gründe ersichtlich, weshalb die Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit durchgeführt werden müsse. Mit einer höheren Zeitgutschrift sei Andrea als Betriebsratsmitglied bessergestellt. 

Denn die übrigen Mitarbeiter*innen in der Filiale hätten keine Möglichkeit hätten, zusätzliche Arbeitszeiten zu erwirtschaften. Eine solche Besserstellung wolle der Arbeitgeber vermeiden. Eine Anreise am Sonntag sei auch nicht erforderlich. Schließlich müsse der Arbeitgeber die grundrechtlich geschützte Sonntagsruhe für alle Mitarbeiter*innen sicherstellen.

Fahrzeiten zählen zur Betriebsratstätigkeit

Andrea möchte ihre Ansprüche gerichtlich durchsetzen. 

Das Arbeitsgericht Hildesheim weist ihre Klage ab. Zwar gingen sowohl das Bundesarbeitsgericht als auch das Betriebsverfassungsgesetz davon aus, dass zur Betriebsratstätigkeit auch solche Tätigkeiten zählen, die in einem unmittelbaren notwendigen sachlichen Zusammenhang mit einer Betriebsratstätigkeit stehen. 

Dazu gehörten auch Wege-, Fahrt- und Reisezeiten, die ein Betriebsratsmitglied zur Erfüllung erforderlicher betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben außerhalb seiner Arbeitszeit aufwendet.

Dennoch habe Andrea keinen Anspruch auf die zusätzlich geltend gemachten Zeiten und auch nicht auf die dafür geforderte Vergütung nebst Mehrarbeitszuschläge. 

Der Prozess gestaltet sich schwierig

Sie hätte im Verfahren genau darlegen und Arbeitgeber bzw. Gericht mitteilen müssen, wann und wie lange sie erforderliche Betriebsratsaufgaben außerhalb der Arbeitszeit durchgeführt habe. Im Verfahren dürfe sie nicht pauschal auf Anlagen von Schriftsätzen verweisen. Anlagen könnten lediglich zur Erläuterung des schriftsätzlichen Vortrags dienen, diesen aber nicht ersetzen. 

Dem Gericht müsse Andrea im Detail erläutern, warum an den jeweiligen Tagen unterschiedliche Fahrzeiten anfielen. Andrea müsse auch den Beginn jeder einzelnen Reise nennen. Gleiches gelte für die jeweils genutzten Routen. Den Beginn und das Ende der Sitzungen vor allem an den Abreisetagen müsse Andrea ebenfalls genau benennen.

Andrea habe nicht näher dargelegt, weshalb die Betriebsratstätigkeit an Sonntagen erforderlich gewesen sei. 

Daran scheiterte der Anspruch des Betriebsratsmitglieds. Zugegeben, es wäre mühselig gewesen, all das detailliert aufzulisten, näher zu erläutern und ausführlich zu begründen. Aber genau das fordert das Prozessrecht im Arbeitsrecht. Das Arbeitsgericht kann nur die Forderungen zusprechen, die ordnungsgemäß in den Prozess eingeführt wurden.

Die Vorschriften der Zivilprozessordnung bilden auch in anderen Fällen hohe Hürden. Lesen Sie dazu:

Prozessuale Vorschriften  - eine Qual für Betroffene 

Fahrzeiten zu Betriebsratssitzungen sind auch immer wieder Anlass für arbeitsgerichtliche Streitigkeiten. Lesen Sie dazu auch: 

Wegezeiten ohne Vergütung

Hier lesen Sie das Urteil des Arbeitsgerichts Hildesheim im Volltext

Rechtliche Grundlagen

https://www.dgbrechtsschutz.de/recht/arbeitsrecht/arbeitszeit/wegezeiten-ohne-verguetung/

§ 130 ZPO

Die vorbereitenden Schriftsätze sollen enthalten:
1.die Bezeichnung der Parteien und ihrer gesetzlichen Vertreter nach Namen, Stand oder Gewerbe, Wohnort und Parteistellung; die Bezeichnung des Gerichts und des Streitgegenstandes; die Zahl der Anlagen;

1a.die für eine Übermittlung elektronischer Dokumente erforderlichen Angaben, sofern eine solche möglich ist;

2.die Anträge, welche die Partei in der Gerichtssitzung zu stellen beabsichtigt;

3.die Angabe der zur Begründung der Anträge dienenden tatsächlichen Verhältnisse;

4.die Erklärung über die tatsächlichen Behauptungen des Gegners;

5.die Bezeichnung der Beweismittel, deren sich die Partei zum Nachweis oder zur Widerlegung tatsächlicher Behauptungen bedienen will, sowie die Erklärung über die von dem Gegner bezeichneten Beweismittel;

6.die Unterschrift der Person, die den Schriftsatz verantwortet, bei Übermittlung durch einen Telefaxdienst (Telekopie) die Wiedergabe der Unterschrift in der Kopie.