Der Arbeitgeber muss sich schon entscheiden, ob er seinem Mitarbeiter einen Handel mit Ersatzteilen oder mit Schrott vorwirft. Copyright by Adobe Stock/ Luka
Der Arbeitgeber muss sich schon entscheiden, ob er seinem Mitarbeiter einen Handel mit Ersatzteilen oder mit Schrott vorwirft. Copyright by Adobe Stock/ Luka

Schrotthandel kann sehr lukrativ sein. Das haben auch drei Mitarbeiter eines Unternehmens erfahren, die die Mitarbeiterkasse damit aufbesserten. Defekte Teile aus Fahrzeugen von Kunden wurden gesammelt und an einen polnischen Unternehmer verkauft. Das Geld, das die drei damit erzielten, verwandten sie für die Belegschaft, zum Beispiel in Form von Hochzeitsgeschenken, Firmenfeiern oder auch Polohemden mit dem Schriftzug der Arbeitgeberin am Revers.
 

 

Ein fünfjähriger Schrotthandel soll unbemerkt von Arbeitgeberin gelaufen sein

Man sollte meinen, die Arbeitgeberin habe davon gewusst. Der Handel lief immerhin schon fast fünf Jahre. Sie behauptete jedoch das Gegenteil, untersagte später den Schrotthandel und beauftragte ihre Revisionsabteilung damit, die Sache aufzuklären. Deren Bericht erhielt die Arbeitgeberin erst etwa einen Monat später.
 
Sie entschloss sich daraufhin fristlose Kündigungen auszusprechen. Einer der drei Beteiligten war Mitglied des Betriebsrates. Die Arbeitgeberin benötigte  für dessen Kündigung die Zustimmung des Betriebsrates. Der Betriebsrat erteilte die Zustimmung jedoch nicht, so dass die Arbeitgeberin beim Arbeitsgericht ein Verfahren einleiten musste, um die notwendige Zustimmung durch das Gericht ersetzen zu lassen.
 

Was wollte die Arbeitgeberin überhaupt mit ihrem Schreiben an den Betriebsrat?

Jedoch auch damit hatte sie keinen Erfolg. Zu spät  - sagte das Gericht. Aber auch die Anhörung des Betriebsrates habe sie nicht ordnungsgemäß vorgenommen. Dem Schreiben an den Betriebsrat sei nämlich nicht einmal genau zu entnehmen, was die Arbeitgeberin wolle.
 
Da stehe geschrieben, der Betroffene sei „bekanntermaßen“ Mitglied des Betriebsrates. Das Schreiben enthalte zwar die Worte „Anhörung des Betriebsrates“, nicht jedoch den Hinweis darauf, dass die Arbeitgeberin um die Zustimmung des Betriebsrates zur fristlosen Kündigung des Betriebsratsmitglieds ersuche.
 

Was hat die Arbeitgeberin sonst noch falsch gemacht?

Selbst wenn das Schreiben nach einer großzügigen Auslegung als Anhörung betrachte, habe die Arbeitgeberin noch viele andere Fehler gemacht.
 
Sie habe auf den Revisionsbericht verwiesen. Der enthalte Hinweise darauf, der Betroffene habe einen Schrotthandel betrieben. Die Tat sei nachgewiesen. Andererseits spreche der Bericht von einem Verdacht. Die Arbeitgeberin müsse sich aber schon festlegen und dem Betriebsrat in der Anhörung genau sagen, worin im Einzelnen die Tat bestehe und wo sie nur einen Verdacht hege. Es sei nämlich nicht die Aufgabe des Betriebsrates, zu erraten, worauf ein Arbeitgeber eine Kündigung stützen wolle.
 

Hat der Mitarbeiter nun mit Ersatzteilen oder mit Schrott gehandelt?

Das gelte auch für den Vorwurf des Handels. Ob der Mitarbeiter nun mit Schrott oder Ersatzteilen gehandelt habe werde ebenfalls nicht deutlich. Das sei schon ein Unterschied. Beides sei in der Anhörung erwähnt, ohne dass die Arbeitgeberin sich exakt entschieden habe.
 

Wann beginnt die Zweiwochenfrist für die Kündigung?

Schließlich sei die Zweiwochenfrist, die das Gesetz für die fristlose Kündigung festlege, nicht eingehalten. Die Frist beginne, wenn ein Arbeitgeber Kenntnis von den Gründen erlange, die ihn zur Kündigung veranlassten. Das sei dann der Fall, sobald er zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen habe, die für seine Entscheidung wichtig seien. Er könne natürlich noch Ermittlungen anstellen und auch den Betroffenen anhören.
 

Wie lange dürfen notwendige Ermittlungen dauern?

Die notwendigen Ermittlungen müsse er mit der „gebotenen Eile“ durchführen. Das Gesetz zwinge den Arbeitgeber jedoch nicht zu einer hektischen Eile. Er dürfe den Beginn der Zweiwochenfrist nicht länger als unbedingt nötig hinausschieben. Diese Frist sei daher nur so lange unterbrochen, wie der Arbeitgeber aus verständigen Gründen mit „gebotener Eile“ noch Ermittlungen anstelle.
 
Hier sei schon einmal völlig unklar, wann die Arbeitgeberin überhaupt Kenntnis davon erlangt habe, dass Mitarbeiter einen Handel mit Schrott- oder Ersatzteilen betrieben. Aus der Aktenlage ergebe sich, dass dies wenigstens einen Monat zuvor geschehen war. Zu diesem Zeitpunkt habe die Arbeitgeberin einen anonymen Hinweis erhalten.
 

Wie konnte der Handel funktionieren, ohne dass die Arbeitgeberin davon erfuhr?

Unabhängig davon erscheine es kaum nachvollziehbar, dass die Arbeitgeberin keine Kenntnis vom Handel hatte. Sie habe doch sehen müssen, dass Mitarbeiter Firmenfeiern organisierten und das Firmenlogo auf T-Shirts bezahlten. Zumindest wäre zu erwarten gewesen, dass sie einmal gefragt hätte, wo die finanziellen Mittel hierfür herkamen.
 
Dass sie noch ihre Revisionsabteilung habe einschalten müssen, rechtfertige den eingetretenen Zeitablauf nicht. Selbst wenn deren Ermittlungen die Zweiwochenfrist unterbrochen hätten, sei nicht nachvollziehbar, weshalb das so lange gedauert habe.
 

Wie lange darf ein Arbeitgeber ermitteln?

Üblicherweise werde einem Arbeitgeber eine Frist von ca. einer Woche gestattet, innerhalb derer er seine Nachforschungen durchführen und abschließen müsse. Besondere Gründe, weshalb dies vorliegend länger gedauert habe, seien nicht zu erkennen.
 
Unabhängig von all diesen formalen Fehlern stehe der Arbeitgeberin auch kein Grund für eine fristlose Kündigung des Betriebsratsmitglieds zur Seite. Vermögensdelikte berechtigten einen Arbeitgeber zwar grundsätzlich dazu, ein Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen. Arbeitnehmer, die strafrechtlich relevante Handlungen begehen, verletzten Ihre arbeitsvertraglichen Loyalitätspflichten.
 

Darf der Arbeitgeber einfach die Augen vor dem Handel im Unternehmen verschließen?

Der Mitarbeiter habe Schrottteile an einen polnischen Händler verkauft. Das stehe fest. Diese Teile hätten auch der Arbeitgeberin gehört. Dem Mitarbeiter fristlos zu kündigen sei jedoch nicht verhältnismäßig. Im Betrieb sei nämlich allgemein bekannt gewesen, dass ein Handel mit Schrottteilen betrieben werde. Man müsse vermuten, dass die Geschäftsführung hiervor bewusst schlichtweg die Augen verschloss.
 
Das Betriebsratsmitglied habe in diesem Zusammenhang im Verfahren geäußert, er hätte seinen Handel sofort eingestellt, nachdem ihm mitgeteilt wurde, dass dies rechtswidrig sei. Er habe insofern zuvor kein Unrechtsbewusstsein gehabt. Diese Einlassungen des Betroffenen seien nachvollziehbar.
 

Wäre hier eine Abmahnung vorrangig gewesen?

Der Handel mit dem Eigentum der Arbeitgeberin stelle zwar grundsätzlich eine schwerwiegende Pflichtverletzung dar, die zur fristlosen Kündigung berechtige. Wegen des fehlenden Unrechtsbewusstseins sei hier jedoch eine Abmahnung vorrangig. Ein Vorgesetzter des Mitarbeiters, der in die Angelegenheit ebenfalls involviert war, habe eine Abmahnung erhalten. Es erschließe sich dem Gericht nicht, weshalb der Vorgesetzte abgemahnt würde, der Betroffene jedoch eine fristlose Kündigung erhalten solle.
 

Was lief sonst noch falsch?

Es sei im Übrigen nicht erkennbar, dass der Mitarbeiter das Geld für sich selbst verwenden wollte. Insofern habe die Arbeitgeberin im Verfahren zwar einen Verdacht geäußert. Dieser ließe sich jedoch mit nichts belegen.
 
Damit stand fest, dass der Arbeitgeber so ziemlich alles falsch gemacht hatte, was man in einer Anhörung des Betriebsrates falsch machen kann. Gute Arbeit der Prozessbevollmächtigten der DGB Rechtsschutz GmbH, die dies im Verfahren zugunsten ihres Mandanten verwerten konnten.

Arbeitsgericht Ulm, Beschluss vom 10. Juli 2020

Das sagen wir dazu:

Arme Arbeitgeberin, mögen sicher einige Leser meinen. Warum setzt das Gesetz die Hürden für die Arbeitgeber so hoch? Der Mann hat sich schließlich am Eigentum seiner Firma bedient.

Nun, das Kündigungsschutzgesetz hat schon seinen Grund und schützt vor allem auch Betriebsratsmitglieder sehr stark. Die Aufgabe von Betriebsräten ist es, sich mit Arbeitgebern auseinanderzusetzen. Das soll zwar regelmäßig in vertrauensvoller Zusammenarbeit geschehen, die Erfahrung zeigt jedoch, dass das nicht immer ganz einfach ist.

Arbeitsrechtliche Sanktionen sind üblich

Betriebsräte laufen damit ständig Gefahr, mit arbeitsrechtlichen Sanktionen bedroht zu werden. Da bedürfen sie eines besonderen Schutzes. Auch hier im Verfahren war es keineswegs so, dass das Betriebsratsmitglied eine Unterschlagung beging.

Erst einmal musste der Arbeitgeber das alles zuvor schon bemerkt haben. Daran bestand kein Zweifel. Zum anderen bereicherte das Betriebsratsmitglied sich nicht selbst, sondern verwandte das gesamte Geld für die Belegschaft. Er wollte seiner Arbeitgeberin ausdrücklich nicht schaden. Dass sein Verhalten dennoch nicht richtig war, hatte letztlich eingestanden, indem er den Handel einstellte.

Abmahnung oder Verlust des Arbeitsplatzes

Wenn sein Vorgesetzter nur eine Abmahnung erhielt, ist es in dieser Situation in der Tat nicht nachvollziehbar, weshalb er den  Arbeitsplatz verlieren sollte. Mag sein, dass auch hier ein Betriebsratsmitglied aus völlig anderen Gründen bestraft werden sollte.