Befristungen treffen vor allem jüngere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das wirkt sich unmittelbar auf die Lebensplanung aus.
Befristungen treffen vor allem jüngere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das wirkt sich unmittelbar auf die Lebensplanung aus.

Die Frage, ob und wann nach einem Arbeitsverhältnis ein neues, mit Sachgrund befristetes Arbeitsverhältnis abgeschlossen werden darf, beschäftigt die Gerichte schon länger. Nach einem Rüffel aus Karlsruhe war jetzt wieder das Bundesarbeitsgericht am Zug.
 

22 Pause zwischen den Arbeitsverhältnissen

Geklagt hatte eine Verwaltungskraft, die zunächst von Oktober 1991 bis November 1992 als Hilfsbearbeiterin für Kindergeld beschäftigt war. Mitte Oktober 2014 stellte ihre ehemalige Arbeitgeberin sie erneut ein, diesmal als Telefonserviceberaterin im Servicecenter.
 
Der Vertrag war ursprünglich auf ein Jahr befristet, wurde dann aber um ein weiteres Jahr verlängert. Gegen die letzte Befristung klagte die Mitarbeiterin. Vor dem Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hatte sie damit Erfolg.
 
Dem mochte sich das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung aber nicht anschließen. Es gab der Revision der Beklagten statt. Die Befristung sei in Ordnung gewesen.
 

Vorbeschäftigungsverbot bei sachgrundloser Befristung

Eine Befristung ohne Sachgrund ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Das Bundesarbeitsgericht hatte diese Regelung in seiner früheren Rechtsprechung dahingehend ausgelegt, dass zwischen dem Ende des ersten und dem Beginn des zweiten Arbeitsverhältnisses mindestens drei Jahre liegen müssen.
 
Diese Rechtsprechung hat aber das Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig bewertet: Eine solche starre Grenze lasse sich aus dem Gesetz nicht herleiten. Vielmehr bedürfe es einer verfassungskonformen Auslegung. Sie müsse die Gefahr der Kettenbefristung berücksichtigen, bei der der Arbeitgeber die strukturelle Unterlegenheit der Beschäftigten ausnutze. Diese Gefahr bestehe typischerweise nicht mehr, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliege.
 
Unter Beachtung dieser Rechtsprechung sah das Bundesarbeitsgericht im vorliegenden Fall eine solch lange Zeitspanne als gegeben an, weil die Vorbeschäftigung 22 Jahre zurücklag.
 
Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts
 
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Das sagen wir dazu:

„Long, long time ago, but I can still remember…“ Die vormalige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach zwischen den Arbeitsverhältnissen mindestens drei Jahre liegen mussten, erfuhr mit Recht viel Kritik. Sie ließ sich auch beim besten Willen nicht aus dem Gesetz herauslesen. Es  spricht lediglich davon, „zuvor“ dürfe kein Arbeitsverhältnis bestanden haben. Das Verfassungsgericht hat dem BAG hier völlig berechtigt ins Stammbuch geschrieben, es habe sich als Ersatzgesetzgeber aufgespielt.

Wie lange ist „lang zurückliegend“?

Welche Probleme die Karlsruher Richter ihrerseits aufgeworfen haben, lässt sich im vorliegenden Fall besichtigen: Um Kettenbefristungen zu vermeiden, reiche aus, dass das frühere Arbeitsverhältnis „sehr lange zurückliege“ Aber was heißt das konkret?

Wie relativ „lange“ ist, hat Albert Einstein, der Meister der Relativität, einmal anschaulich erklärt: „Wenn man zwei Stunden lang mit einem netten Mädchen zusammensitzt, meint man, es wäre eine Minute. Sitzt man jedoch eine Minute auf einem heißen Ofen, meint man, es wären zwei Stunden.“

Das Bundesarbeitsgericht hat leider bislang keinen Hinweis darauf gegeben, wie es zu der Ansicht kommt, 22 Jahre seien eine lange Zeit. Gemessen am rentenversicherungsrechtlich gewünschten Erwerbsverlauf von 45 Beitragsjahren erscheint das eher die Halbzeit. Gemessen an der durchschnittlichen Lebenserwartung von etwa 80 Jahren sogar noch weniger.

Andererseits dürfte sowohl das durchschnittliche Arbeitsverhältnis als auch die durchschnittliche Ehe kürzer dauern. Ob die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts letztlich tragfähig ist, wird also erst die ausformulierte Begründung zeigen. Man darf gespannt sein.

Rechtliche Grundlagen

§ 14 II TzBfG

(2) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren.