Bietet ein Arbeitgeber einem befristet beschäftigten Arbeitnehmer keinen Folgevertrag an, weil der Arbeitnehmer ihm zustehende Rechte ausgeübt hat, liegt darin eine von § 612a BGB verbotene Maßregelung. Der Arbeitnehmer kann Anspruch auf Schadenersatz haben, aber keinen Folgevertrag verlangen.

Welcher Sachverhalt lag dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts zugrunde?


Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger einen Anspruch auf Begründung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses hat. Der Kläger bei der Beklagten war seit Januar 2006 zunächst in einer Trainingsmaßnahme, zuletzt befristet bis 31.03.2008 als Industriemechaniker beschäftigt. In seiner Abteilung arbeiteten neben dem Kläger zwölf gewerbliche Arbeitnehmer, zehn von ihnen befristet. Sechs dieser Arbeitnehmer wurden zeitgleich mit dem Kläger eingestellt und schlossen später unbefristete Arbeitsverträge mit der Beklagten.

Der Kläger ist Mitglied der IG Metall. Er war seit Herbst 2006 Mitglied des gewerkschaftlichen Vertrauenskörpers bei der Beklagten. Seit August 2007 war er dessen Leiter. In dieser Eigenschaft sprach er sich in einer Betriebsversammlung am 14.12.2007 für eine Entgeltsonderzahlung aus. Er machte kritische Anmerkungen zum Abbau von 100 Arbeitsplätzen. Der Geschäftsführer der Beklagten bezeichnete diese Anmerkungen als »Frechheit«. Am 20.12.2007 informierte der Abteilungsleiter den Kläger darüber, dass die Geschäftsführung dessen Arbeitsvertrag nicht »entfristen« werde. Am 21.12.2007 teilte der Betriebsrat dem Kläger mit, die Geschäftsführung überlege, das Arbeitsverhältnis nicht zu »entfristen«. Als der Betriebsrat in der zweiten Januarwoche des Jahres 2008 ein Gespräch mit der Geschäftsführung wegen der Übernahme des Klägers führte, wurde ihm sinngemäß mitgeteilt, er brauche doch nur in das Internet zu schauen.

Am 03.03.2008 erhob der Kläger beim Arbeitsgericht Klage auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags zum 01.04.2008. Er machte geltend, die Beklagte habe mehrfach erklärt, dass er, wie die anderen befristet Beschäftigten auch, in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen werde. Er führte an, mit der Verweigerung der Übernahme benachteilige ihn die Arbeitgeberin wegen seiner Weltanschauung § 1,7 Abs. 1 AGG. Im Werk hätten Gerüchte die Runde gemacht, er werde wegen seiner Nähe zur Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) nicht übernommen. Zudem verstoße die Arbeitgeberin gegen das Maßregelungsverbot in § 612a BGB, wenn er wegen seiner Aussagen nicht übernommen werde.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auch das Landesarbeitsgericht Hamm hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (LAG Hamm v. 2. Dezember 2009 - 3 Sa 267/09).

Wie hat das Bundesarbeitsgericht entschieden?


Das BAG hob das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück. Zur Begründung führte das BAG an, die Beklagte habe möglicherweise gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB verstoßen. Deshalb komme ein Schadensersatzanspruch des Klägers in Betracht, aber kein Anspruch auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags.

§ 612a BGB bestimmt, dass der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen darf, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Das in § 612a BGB geregelte Benachteiligungsverbot soll den Arbeitnehmer in seiner Willensfreiheit bei der Entscheidung darüber schützen, ob er ein Recht ausüben will oder nicht. Diese Entscheidung soll er ohne Furcht vor wirtschaftlichen oder sonstigen Repressalien des Arbeitgebers treffen können.

Nach Ansicht des BAG kommt im vorliegenden Fall eine Benachteiligung des Klägers wegen Ausübung seiner Grundrechte auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) und auf individuelle Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 Sätze 1 und 2 GG) in Betracht. Es spricht, so das BAG, einiges dafür, dass sich die Beklagte nur deshalb weigerte, mit dem Kläger einen unbefristeten Arbeitsvertrag zu schließen, weil der Kläger in der Betriebsversammlung am 14.12.2007 in seiner Eigenschaft als Leiter des gewerkschaftlichen Vertrauenskörpers gegenüber der Beklagten Kritik geäußert und damit seine Grundrechte ausgeübt hatte.

Ein starkes Indiz dafür sei der Umstand, dass der Geschäftsführer der Beklagten die Äußerungen des Klägers »Frechheit« bezeichnete. Indizielle Bedeutung kommt auch dem Umstand zu, dass die Beklagte mit dem Kläger, anders als mit den sechs etwa zeitgleich eingestellten Arbeitnehmern - keinen unbefristeten Arbeitsvertrag schloss. Hinzu kommt das streitige Vorbringen des Klägers, wonach verschiedene Verantwortungsträger der Beklagten noch im Herbst 2007 davon ausgingen, es werde zum Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags kommen.

Der Verstoß gegen § 612a BGB kann Schadenersatzansprüche wegen entgangenen Gehalts (§ 612a BGB - iVm. § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB) oder wegen Verstoßes gegen ein Schutzgesetz (§ 612a BGB iVm. § 823 Abs. 2 BGB) auslösen.

Die fehlende Bereitschaft der Beklagten, ein neues Arbeitsverhältnis zu begründen, ist keine nach Ansicht des BAG allerdings keine unzulässige Benachteiligung des Klägers wegen seiner Weltanschauung iSv. §§ 1, 7 Abs. 1 AGG. Sie führt deshalb nicht zu einem Schadensersatzanspruch aus § 15 Abs. 1 AGG. Die vom Kläger angeführten Gerüchte im Januar 2008 hätten indiziell geringe Aussagekraft und seien keiner für die Beklagte handelnden Person zugeordnet.

Zudem verneint das BAG auch den Anspruch des Klägers auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags. Einem Wiedereinstellungsanspruch unmittelbar aufgrund des Maßregelungsverbots in § 612a BGB oder aus § 612a iVm. § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB oder aus § 612a iVm. § 823 Abs. 2 BGB oder aus § 612a BGB iVm. dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stehe der Rechtsgedanke des § 15 Abs. 6 AGG entgegen. § 15 Abs. 6 AGG schließt einen Anspruch auf Einstellung als Schadenersatz ausdrücklich aus. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift sei auch beim Schadenersatzanspruch nach einer Verletzung von § 612a BGB geboten, da der Gesetzgeber diese Frage bei Einführung des AGG im Jahr 2006 erkennbar versehentlich nicht mit geregelt habe. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, das Angebot des Klägers auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags anzunehmen. Sie muss ihn deswegen auch nicht beschäftigen.

Auswirkungen der Entscheidung auf die Praxis:

Eine häufige Konstellation in der betrieblichen Praxis: Befristet Beschäftigten wird versprochen, dass sie bei bestimmten Bedingungen eingestellt werden. Es läge nur noch an dem Okay der Konzernleitung, des neuen Investors oder der konjunkturellen Entwicklung. Nach früheren Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts konnten befristet Beschäftigte einen Anspruch auf  Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis haben, wenn der Arbeitgeber durch sein Verhalten einen Vertrauenstatbestand geschaffen hatte.
Diese Rechtsprechung hat das BAG aber bereits vor Jahren wieder eingeschränkt. Ein allgemeiner Vertrauenstatbestand reicht nicht mehr aus. Nur wenn der Arbeitgeber eine feste Zusage gemacht hat, kann ein Anspruch von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf Abschluss eines weiteren Arbeitsvertrags bestehen. Die Verletzung des zuvor geschaffenen Vertrauenstatbestands allein kann nur  einen Schadensersatzanspruch in Geld begründen.

Das BAG begründet seine Auffassung nun auch mit dem AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz). Danach darf niemand unter anderem wegen seiner Weltanschauung benachteiligt werden. § 15 AGG begründet einen Schadensersatzanspruch bei solcher Diskriminierung. In § 15 Abs. 6 AGG ist ein Anspruch auf Wiedereinstellung aber ausdrücklich ausgeschlossen. Trotz des vorher geschaffenen Vertrauens und trotz der offenkundigen Benachteiligung wegen seiner Meinungsäußerung hat der Arbeitnehmer keinen Weiterbeschäftigungsanspruch.

Eine Maßregelung sieht das BAG dabei im vorliegenden Fall durchaus. Es gibt starke Indizien dafür, dass der Arbeitnehmer wegen seiner Äußerungen eine Vertragsverlängerung nicht erhielt. Dies kann nach Ansicht des BAG aber nur einen Schadensersatzanspruch in Geld bewirken.
Für die betriebliche Praxis bedeutet dies, dass sich Beschäftigte und Arbeitnehmervertreter nicht auf lose Versprechungen verlassen dürfen, sondern feste Zusagen oder klare Kriterien, beispielsweise in einer Betriebsvereinbarung, erwirken müssen.

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 21.09.2011, 7 AZR 150/10