Rolle weg – Arbeitsvertrag weg: Befristung eines Fernsehschauspielers ist sachlich gerechtfertigt.
Rolle weg – Arbeitsvertrag weg: Befristung eines Fernsehschauspielers ist sachlich gerechtfertigt.

Geklagt hatte ein Schauspieler, der in einer Krimiserie des ZDF seit fast 30 Jahren einen Kommissar gespielt hatte, bis er von den Produzenten der Serie „rausgeschrieben“ wurde. Vor Gericht wollte er feststellen lassen, dass sein Vertrag mit dem Ende seiner Rolle als Kommissar nicht beendet sei. Das LAG München wies die Klage ab.

290 Verträge in 28 Jahren

Der Schauspieler war seit den 1980er Jahren für das ZDF als Kommissar „im Einsatz“. Zunächst erfolgte die Beschäftigung aufgrund von Einzelverträgen für einzelne oder mehrere Folgen, von 1998 bis 2013 wurden Rahmenverträge geschlossen, die jeweils den Zeitraum von einem Jahr betrafen und durch weitere Einzelverträge konkretisiert wurden.

Der letzte Vertrag vom 12./14.10.2014 sah vor, dass der Schauspieler wiederum als Kommissar eingesetzt wurde. Es wurden einzelne Drehtage zwischen dem 17.10.2014 und dem 18.11.2014 festgelegt. Der Vertrag bezog sich auf die Folgen Nr. 391 und 392 der Serie. Mit der letzten Folge endete die Rolle des Schauspielers.

Mit Schreiben vom 21.11.2014 wurde ihm mitgeteilt, dass das Vertragsverhältnis aufgrund des Zeitablaufs beendet sei, zudem kündigte der Vertragspartner vorsorglich. Hiergegen wendete sich der Schauspieler mit seiner Klage.

Rolle weg – Job weg?

Er begründete diese damit, dass es sich um eine unzulässige Kettenbefristung gehandelt habe. Hierfür spreche insbesondere die lange Befristungsdauer. Ein Bedürfnis nach Veränderung in der Serie, wie sie die Produktionsfirma behaupte, bestehe nicht.

Es bestehe auch kein vorübergehender Bedarf, da er die Rolle ja fast 30 Jahre inne gehabt habe. Wenigstens bei der Interessenabwägung sei diese lange Dauer zu berücksichtigen.
 

Er sei auch in produktionsfreier Zeit nicht in der Lage gewesen, andere Rollen anzunehmen. Faktisch habe er sich das ganze Jahr für die Rolle zur Verfügung halten müssen. Damit sei sowohl die Befristung, als auch die Kündigung unwirksam

Befristung wegen der Eigenart der Arbeitsleistung

Dagegen berief sich die beklagte Produktionsfirma darauf, dass die Befristung nach der Eigenart der Arbeitsleistung zulässig sei. Der Kläger sei als Schauspieler sog. "programmgestaltender Mitarbeiter“, so dass von einem gewissen „Innovationsbedürfnis“ auszugehen sei. Dieses sei auch von der grundgesetzlichen Freiheit der Kunst gedeckt.

Diese Argumentation überzeugte auch das Arbeitsgericht München, das die Klage erstinstanzlich abwies (Urteil vom 28.04.2015 – 3 Ca 14162/14). Als Schauspieler in der Rolle eines Kommissars sei der Kläger programmgestaltender Mitarbeiter gewesen.

Die Kunstfreiheit der Beklagten überwiege damit die Interessen des Klägers. Auch eine rechtsmissbräuchliche Kettenbefristung liege nicht vor.

Erfolglos auch in der zweiten Instanz

Das Landesarbeitsgericht München schloss sich dieser Einschätzung an. Die Befristung des Arbeitsverhältnisses eines Schauspielers in einer Fernsehserie sei dann gerechtfertigt, wenn seine Rolle in der Serie wegfällt, sofern die Entscheidung über den Wegfall der Rolle Ausdruck künstlerischer Gestaltungsfreiheit sei.

Eine solche künstlerische Erwägung sei etwa die Anpassung der Serie an den Publikumsgeschmack. Auch dies sei von der Kunstfreiheit gedeckt.

Bei Abschluss des letzten Vertrages stand bereits fest, dass der Kläger in der Folge 392 die Handlung verlasse, damit sei klar gewesen, dass es für die Person des Klägers, der den Kommissar verkörpert, keine Beschäftigung mehr gibt.

Das LAG nahm wiederum Bezug auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach bei Fernsehschauspielern automatisch ein Abwechslungsbedürfnis bestehe. Die Beklagte hätte also keine Analysen zur Attraktivität der Rolle vornehmen müssen. 

Insbesondere sei offensichtlich, dass das Abwechslungsbedürfnis mit zunehmender Zeit nicht etwa abnehme, sondern steige. Die Befristung sei deshalb aufgrund der Eigenart der Arbeitsleistung gegeben. Auch eine rechtsmissbräuchliche Kettenbefristung liege daher nicht vor.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

H2: Anmerkung:

Ob es daran liegt, dass der Kläger lange einen Polizeibeamten gespielt hat? Offensichtlich wähnte er sich in einem beamtenähnlichen Verhältnis, so dass er das Herausschreiben aus der Serie als unangemessen empfand und sogar meinte, die Produktionsfirma hätte erst Marktanalysen durchführen müssen, bevor sie ihm gegenüber ein Veränderungsbedürfnis geltend machen könne.

Unbestreitbar ist es bitter, wenn man eine Rolle so lange spielt, dass dies der realen Dienstdauer des dargestellten Kommissars entspricht und dann ohne Einhaltung von Fristen aus der Serie entfernt wird. Zu beachten ist aber auch die Kunstfreiheit des Produzenten, der sich insofern sogar auf das Grundgesetz berufen kann.

Die Situation ist deshalb weniger mit der eines realen Kommissars, sondern eher mit der seines antiken Vorfahren, des Gladiators, vergleichbar. Wie sein Vorgänger ist er in der Arena nur so lange willkommen, wie sich das Publikum unterhalten fühlt. Senkt das Publikum den Daumen, ist der Auftritt vorbei.




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Kettenbefristung kann Rechtsmissbrauch darstellen


Im Praxistipp: § 14 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) - Zulässigkeit der Befristung

Rechtliche Grundlagen

§ 14 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) - Zulässigkeit der Befristung

§ 14 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG)

Zulässigkeit der Befristung

(1) Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn

1. der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht,
2. die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern,
3. der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird,
4. die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt,
5. die Befristung zur Erprobung erfolgt,
6. in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen,
7. der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird oder
8. die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht.

(2) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren.

(2a) In den ersten vier Jahren nach der Gründung eines Unternehmens ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von vier Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von vier Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Dies gilt nicht für Neugründungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen. Maßgebend für den Zeitpunkt der Gründung des Unternehmens ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, die nach § 138 der Abgabenordnung der Gemeinde oder dem Finanzamt mitzuteilen ist. Auf die Befristung eines Arbeitsvertrages nach Satz 1 findet Absatz 2 Satz 2 bis 4 entsprechende Anwendung.

(3) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zu einer Dauer von fünf Jahren zulässig, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat und unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens vier Monate beschäftigungslos im Sinne des § 138 Absatz 1 Nummer 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch gewesen ist, Transferkurzarbeitergeld bezogen oder an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch teilgenommen hat. Bis zu der Gesamtdauer von fünf Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung des Arbeitsvertrages zulässig.

(4) Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.