Rechtssekretär Jörg Uwe Schulz
Rechtssekretär Jörg Uwe Schulz

Eine Firma der Metall- und Elektroindustrie aus dem bayerischen Schwabach beschäftigt neben fünf eigenen Auszubildenden noch siebzehn andere Auszubildende, die ihren Ausbildungsvertrag nicht mit der Firma, sondern mit einem von zwei Ausbildungsvereinen abgeschlossen haben und auch von diesen ihre Ausbildungsvergütung erhalten. Darüber hinaus absolvieren zwei Werkstudenten der Berufsakademie Baden-Württemberg ihre praktische Ausbildungsphase bei dem Hersteller von Präzisionswerkzeugen.

 

Angst vor Übernahme aller JAV'ler

 

Am 24. November 2006 sollte eine neue Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) mit drei Mitgliedern gewählt werden. Das war einen Monat vorher vom Wahlvorstand bekannt gegeben worden. Dieser hatte alle Auszubildenden des Betriebes auf die Liste der Wahlberechtigten gesetzt: die betrieblichen wie außerbetrieblichen Azubis und die zwei Werkstudenten. Bis dahin war die Beteiligung der außerbetrieblichen Auszubildenden als aktive Wähler gängige Praxis gewesen. „Dann gab es einen Wechsel in der Geschäftsleitung“, erklärt Rechtssekretär Jörg Uwe Schulz vom Nürnberger Büro der DGB Rechtsschutz GmbH. „Der neue Geschäftsführer hatte wohl Sorge, dass infolge der Wahlberechtigung die außerbetrieblichen Azubis auch übernommen werden müssten.“ Der Tarifvertrag für die Metall- und Elektrobranche sieht vor, dass Auszubildende nach erfolgreichem Abschluss für ein Jahr in den Betrieb übernommen werden, sofern nicht personenbedingte Gründe entgegenstehen. Die 17 nichtbetrieblichen Azubis haben durch ihre Verträge mit den Ausbildungsvereinen darauf keinen Anspruch.

 

Integration in den Betrieb zählt

 

Der Arbeitgeber beantragte beim Arbeitsgericht Nürnberg eine einstweilige Verfügung mit dem Ziel, die JAV-Wahl aufgrund drohender Nichtigkeit abzubrechen. Hauptargument: Die Vereins-Azubis und Werkstudenten hätten weder ein passives noch ein aktives Wahlrecht, weil sie nicht eingegliedert seien. „Das war natürlich ein Schock für Betriebsrat und JAV“, berichtet der Arbeitsrechtsexperte, „wenn eine Wahl abgebrochen wird, kostet es sehr viel Kraft, das Verfahren wieder in Gang zu bringen.“ Zudem sah sich der Betriebsrat dem Vorwurf ausgesetzt, er wolle den Arbeitgeber zur einjährigen Übernahme der nichtbetrieblichen Azubis zwingen. Gestärkt durch die Unterstützung der IG Metall ging es dem Betriebsrat darum, die Wahl zu retten und vor Gericht darzulegen, dass das aktive Wahlrecht der außerbetrieblichen Azubis gerechtfertigt ist. „Dabei war entscheidend, dass diese Auszubildenden genauso in den Betrieb integriert sind wie die betriebseigenen Azubis“, erläutert der Nürnberger Rechtssekretär Schulz. Dies konnten die Antragsgegner vor Gericht überzeugend vortragen.

 

Beschluss in letzter Sekunde

 

Erst drei Tage vor der Wahl der Jugend- und Auszubildendenvertretung hatte das Bangen um die Durchführung ein Ende: Eine drohende Nichtigkeit der Wahl sei nicht zu erkennen, der Antrag auf Abbruch der JAV-Wahl daher unbegründet, so der Beschluss der Nürnberger Arbeitsrichter.

Rechtliche Grundlagen

Betriebszugehörigkeit

Ein Auszubildender besitzt in dem Betrieb das aktive JAV-Wahlrecht, in dessen Betriebsorganisation er eingegliedert ist. Im Einzelnen:

Berufsausbildung erfolgt in mehreren Betrieben eines Unternehmens: Der Auszubildende ist dem Betrieb zugehörig, in dem die wesentlichen beteiligungspflichtigen Entscheidungen in personellen und sozialen Angelegenheiten des Ausbildungsverhältnisses getroffen werden (unter anderem Begründung und Beendigung des Vertragsverhältnisses, Ausbildungsplan, Gewährung des Urlaubs).

Berufsausbildung wird von mehreren Unternehmen (eines Konzerns) gemeinsam organisiert: Hier ist der Auszubildende in der Regel dem Betrieb desjenigen Unternehmens zuzuordnen, mit dem er den Ausbildungsvertrag abgeschlossen hat und in dem die wesentlichen Entscheidungen getroffen werden, die sein Ausbildungsverhältnis berühren.

Berufsausbildung wird – wie im vorliegenden Fall – in ihrer gesamten Dauer von einem Betrieb durchgeführt, dessen Inhaber nicht der Vertragsarbeitgeber ist: Hier tritt der Ausbildungsvertrag hinter der dauerhaften tatsächlichen Eingliederung und der damit verbundenen dauerhaften Weisungsbefugnis der Betriebsleitung sowie deren Zuständigkeit in den wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten zurück. Folge: Der Auszubildende ist im ausbildenden Betrieb (aktiv) wahlberechtigt.