Die Auszubildende hatte den Tresor geöffnet, um zwei 50-Euro-Scheine zu wechseln. Wurde sie Opfer eines Trickbetrugs? Copyright by Milan/Adobe Stock
Die Auszubildende hatte den Tresor geöffnet, um zwei 50-Euro-Scheine zu wechseln. Wurde sie Opfer eines Trickbetrugs? Copyright by Milan/Adobe Stock

Ab Herbst 2018 war die junge Frau als Auszubildende zur Verkäuferin in einem „Lottoladen“ beschäftigt.
 
Im Mai 2019 kam es zur fristlosen Kündigung des Ausbildungsverhältnisses durch den Geschäftsinhaber. Wegen dieser Kündigung brach noch nicht der ganz große Streit aus. Chef und Azubi konnten sich beim Arbeitsgericht auf eine spätere Beendigung einigen. Die angehende Verkäuferin konnte die Abschlussprüfung machen.
 

Nachtreten verboten!

Doch das, was den Arbeitgeber zur Kündigung bewogen hatte, ließ ihn nicht los.
 
Eines Tages waren nicht mehr so viel Scheine im Tresor des Ladens, wie es eigentlich sein sollten. Die Schuldige hatte der Inhaber mit der Auszubildenden schnell ausgemacht. Doch diese war gar nicht als Letzte im Laden tätig. Und die Mitarbeiterin, die nach ihr gearbeitet hat, vergaß, das Geld im Tresor zu zählen.
 

Klage auf Schadensersatz

Obwohl der Inhaber gar nicht genau rekonstruieren konnte, wann  - und nicht einmal konkret wie viel - Scheine aus dem Tresor entwendet wurden, verlangte er Schadensersatz in Höhe von 2.900,- € von seiner ehemaligen Auszubildenden. Auch eine Strafanzeige stellte er.
 
Das Arbeitsgericht Paderborn wies seine Klage ab. Denn die Richter hatten nicht mehr gehört als die bloße Annahme, die junge Frau sei Trickbetrügern aufgesessen. Einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden habe der Kläger nicht dargelegt.
 
Dabei gestand die ehemalige Auszubildende ein, den Tresor geöffnet zu haben, um einem Mann und einer Frau zwei 50-Euro-Scheine zu wechseln. Bei dieser Transaktion hatte der Mann auch kurzzeitig ein Bündel mit Scheinen aus dem Tresor in den Händen. Entwendet habe er aber nichts und auch der Tresorinhalt habe am Ende des Tages unverändert ausgesehen.
 

Klage auf Unterlassung

Dieser Sieg beim Arbeitsgericht brachte der jungen Frau aber noch keinen Frieden. Ihr ehemaliger Chef suchte ihren neuen Chef auf und behauptete, wegen ihr seien ihm 15.000 € abhandengekommen.
 
Der DGB Rechtsschutz Paderborn führte für das Gewerkschaftsmitglied ein einstweiliges Verfügungsverfahren. Das Arbeitsgericht Paderborn verurteilte den Betreiber der Lottoannahmestellen dazu, Behauptungen zu unterlassen, wonach seine ehemalige Auszubildende ihm einen finanziellen Schaden zugefügt habe.
 
Gegen diese Entscheidung hat der beklagte Ex-Chef Berufung beim Landesarbeitsgericht Hamm eingelegt. Hier kam es letztlich zu einem Vergleich, mit dem alle Streitigkeiten beendet sein sollen.

Arbeitsgericht Paderborn, Urteil vom 13.11.2019 – 4 Ca 720/19
 
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Das sagen wir dazu:

Hier bleiben sicher einige Fragen offen. Eine ist gewiss, weshalb eine Auszubildende alleine im Geschäft war. Der Inhaber soll das Wechseln von Geld für Kunden strikt untersagt haben. Gemessen an dieser angeblichen Weisung vermutete er offenbar eine immerwährende Gefahr von Betrügereien und Diebstählen. Ein Grund mehr, die Lottoannahmestelle nicht nur mit einer Mitarbeiterin zu besetzen und schon gar nicht mit einer, die noch in der Ausbildung ist.  

Bei der Klage auf Schadensersatz konnte der Inhaber schon nicht nachweisen, dass wegen einer Nachlässigkeit der Auszubildenden Geld aus dem Tresor verschwunden ist. Doch selbst wenn das Gericht davon überzeugt gewesen wäre, wäre es noch nicht so ohne weiteres zu einer Verurteilung der jungen Frau gekommen.   

Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung gelten auch im Ausbildungsverhältnis

Arbeitgeber haben einen Anspruch auf Ersatz eines Schadens, wenn ein Arbeitnehmer
- seine arbeitsvertragliche Pflicht, Schäden zu vermeiden, verletzt,
- durch diese Pflichtverletzung einen Schaden verursacht
- und vorsätzlich oder fahrlässig handelt.
Allerdings kommt es im Arbeitsrecht nur bei einer vorsätzlichen Schädigung und grober Fahrlässigkeit zu einer vollständigen Ersatzpflicht. Denn es gilt eine Haftungserleichterung.

Zudem wägen die Gerichte die Gesamtumstände ab. Dafür berücksichtigen sie Anlass und Folge des Schadens danach, was zumutbar und angemessen ist. Außerdem prüfen sie ein mögliches Mitverschulden des Arbeitgebers. Auch wenn die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung auch für Auszubildende gelten, spielt es bei der Abwägung durchaus eine Rolle, ob man ausgelernt hat oder nicht. Hier hätte sicher einiges für die Auszubildende gesprochen.

Das Ende einer nicht alltäglichen Geschichte

Wir wissen letztlich nicht, was genau geschehen ist. Aber eins steht fest: Zum neuen Arbeitgeber zu laufen und verleumderische Geschichten über einen ehemaligen Azubi zu erzählen, ist ein starkes Stück! Zumal hier der vermeintliche Schaden von 2.900 € gleich auf 15.000 € stieg.

Als guter Verlierer stand der Arbeitgeber hier ganz sicher nicht da. Seine Wut ließ er sogar am Prozessvertreter aus. Der solle sich einen Strick nehmen - er würde dann zum Applaudieren kommen, so die Abschiedsworte.

„Wundersam“ endete die Geschichte dann auch beim Landesarbeitsgericht Hamm. Der Inhaber der Lottoläden bestand auf einen Passus, wonach seine ehemalige Auszubildende zukünftig nicht behaupten darf, bei ihm dürfe nur arbeiten, wer Mitglied einer Gewerkschaft sei. Nach dem Sinn, darf man hier nicht fragen.