Die Salzgewinnung ist ein großer Industriezweig im Raum Heilbronn. © Adobe Stock: mehaniq41
Die Salzgewinnung ist ein großer Industriezweig im Raum Heilbronn. © Adobe Stock: mehaniq41

Um Dauernachtschicht oder Früh- und Spätschicht stritten der 55-jährige Bergmann und sein Arbeitgeber. Der Mann lebte in Niedersachsen, hatte einen Grad der Behinderung von 50 und arbeitete seit drei Jahren 40 Stunden je Woche in Heilbronn – und zwar durchgehend in Dauernachtschicht von 21:55 Uhr am Sonntag bis 6:05 Uhr am Freitag in den Einsatzteams „Bohren und Sprengen“. Das ermöglichte ihm, am Wochenende mit dem Zug heimzufahren.

 

Das sollte sich ändern

 

Der Arbeitgeber versetzte seinen Mitarbeiter ab Januar 2023 von seinem bisherigen Arbeitsplatz in ein neues Einsatzteam/Schichtmodell. Ab diesem Zeitpunkt hatte er seine Arbeitsleistung in Früh- und Spätschichten im Einsatzteam „CM 1 (Continuous Miner)" zu erbringen. Bei den „Continuous Miner" handelt es sich um eine Bergbaumaschine, die das Salz aus dem Berg herausschneidet, mithin um eine andere Abbauart als beim Bohren und Sprengen. Dort sollte der Betroffene von montags bis freitags je neun Stunden täglich arbeiten mit einer Freischicht während der Woche.

 

Heimfahrten an den Wochenenden rentierten sich damit nicht mehr. Seine Arbeit endete am Freitag nach der Spätschicht erst um 22 Uhr. Da er mit dem Zug nach Hause fährt, konnte er die Fahrt erst samstags antreten und musste sonntags bereits wieder zurück kommen, um montags früh die Arbeit beginnen zu können.

 

Arbeitgeber versetzte weitere Mitarbeiter

 

Von ca. 20 Beschäftigten im Team „Bohren und Sprengen“ versetzte der Arbeitgeber sechs Mitarbeiter. Um die frei gewordenen Stellen zu besetzten, erfolgte wiederum eine Versetzung von zwei Schlossern aus anderen Bereichen. Es kam zudem zum Einsatz von Leiharbeitnehmern exakt dort, wo der betroffene Bergmann gearbeitet hatte.

 

Der Arbeitgeber argumentierte mit einer anderen Abbaumethode, deren Ziel es war, die Produktivität des Personals zu erhöhen, die Stückkosten zu senken und die Lieferfähigkeit zu verbessern. Die Änderung der Abbaumethode mache gleichzeitig eine Personalumstrukturierung notwendig. Insbesondere sei eine Anpassung der Personalstärke und Qualifikation auf die Bedürfnisse der neuen Arbeitsweise erforderlich geworden. Daraus resultiere die Notwendigkeit, einzelne Mitarbeiter zu versetzen. Auch solle der demographische Wandel auf der Dauernachtschicht eingeleitet werden, welcher aufgrund einer vergleichsweise überalterten Personalstruktur dem Arbeitgeber auf dieser Schicht geboten erschien.

 

Arbeitsvertrag ließ Versetzung zu

 

Mit Unterstützung der Jurist:innen aus dem DGB Rechtsschutzbüro Hameln erhob der Bergmann Klage beim Arbeitsgericht. Er hielt die ausgesprochene Versetzung für unwirksam und beantragte, die Beklagte zu verpflichten, ihn weiter in der Dauernachtschicht in seinen bisherigen Einsatzteams zu beschäftigten. Das Arbeitsgericht entschied zu seinen Gunsten.

 

Im Arbeitsvertrag fand das Gericht noch keine Lösung des Streitthemas. Dort stand nichts dazu geschrieben, wonach der Betroffene ausschließlich in Dauernachtschicht eigesetzt werden durfte. Die Beklagte habe den Kläger aufgrund ihres Weisungsrechts versetzen dürfen. Der vorgesehene Einsatz in Früh- und Spätschicht sei grundsätzlich vom Direktionsrecht gedeckt. Das unternehmerische Konzept des Arbeitgebers könne das Gericht nicht auf seine Zweckmäßigkeit hin überprüfen, da die Arbeitsgerichte vom Arbeitgeber nicht verlangen könnten, von ihm nicht gewollte Organisationsentscheidungen zu treffen.

 

Interessenabwägung bringt das Ergebnis

 

Eine unternehmerische Entscheidung schließt die Abwägung mit den Interessen des Arbeitnehmers jedoch nicht von vornherein aus, sondern ist lediglich ein wichtiger, nicht hingegen der alleinige Abwägungsgesichtspunkt, erläutert das Gericht. Im Einzelfall können besonders schwerwiegende, insbesondere verfassungsrechtlich geschützte Belange des Arbeitnehmers entgegenstehen. Es kommt darauf an, ob das Interesse des Arbeitgebers an der Durchsetzung seiner Organisationsentscheidung auch im Einzelfall die Weisung rechtfertigt. Das ist der Fall, wenn die zugrundeliegende unternehmerische Entscheidung die Versetzung auch angesichts der für den Arbeitnehmer entstehenden Nachteile nahelegt und sie nicht willkürlich oder missbräuchlich erscheinen lässt.

 

Das Arbeitsgericht konzentrierte sich nun im Wesentlichen auf die Tatsache, dass die Beklagte im bisherigen Einsatzbereich des Klägers Leiharbeitnehmer einsetzen wollte. Der Arbeitgeber müsse bei der Ausübung seines Direktionsrechts zwar nicht stets das "mildeste Mittel" anwenden. Das Gesetz fordere nur, dass die Maßnahme des Arbeitgebers noch billigem Ermessen entspricht. Es verlange damit nicht stets den optimalen Ausgleich zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen, so das Gericht. Erst wenn sich einem objektiven Beobachter aufdrängen muss, dass der Arbeitgeber zu einer Maßnahme gegriffen hat, die deutlich über das Ziel, welches er mit ihr verfolgt, hinausschießt und die Maßnahme den Arbeitnehmer damit sozusagen unnötig belastet, kann sie gegen billiges Ermessen verstoßen.

 

Versetzung stellt unbillige Härte dar

 

So war es hier. Das Arbeitsgericht hielt die Maßnahme der Beklagten für unbillig. Sie beschäftige Leiharbeitnehmer in Dauernachtschicht. Gegenüber dieser Beschäftigtengruppe gingen die Interessen des Klägers vor.

 

Das Vorhalten von Leiharbeitnehmern möge zwar unter dem Aspekt der Flexibilität nachvollziehbar sein, wenn daraus aber die Herausnahme des Klägers aus dem Schichtmodell „Dauernachtschicht" resultiere, stelle diese Maßnahme gegenüber dem Kläger eine unbillige Härte dar.

 

Auf Seiten des Klägers berücksichtigte das Gericht hierbei vor allem, dass mit der Versetzung Nachtzuschläge wegfielen und auch die familiäre Situation des Bergmanns. In einer Gesamtschau würden dessen Interessen überwiegen.

 

Der gewerkschaftliche Rechtsschutz konnte damit letztlich den Arbeitsplatz des Mandanten sichern. Das erscheint angesichts des Alters und der aufgrund der Schwerbehinderteneigenschaft vorhandenen gesundheitlichen Einschränkung hier ganz besonders wichtig.