Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die ausschließlich die Vergütung von Überstunden, nicht aber die Anordnungsbefugnis des Arbeitgebers zur Leistung von Überstunden regelt, ist eine Hauptleistungsabrede und deshalb von der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ausgenommen. Sie kann auch als mündliche Abrede zulässig sein.

 

Welcher Sachverhalt lag dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts zu Grunde?


Der 1976 geborene Kläger, gelernter Kaufmann im Eisenbahn- und Straßenverkehr, war von Februar 2007 bis März 2008, bei der Beklagten, einem Zulieferbetrieb der Autoindustrie mit rund 770 Beschäftigten, in der Disposition beschäftigt. Die Arbeitgeberin ist nicht tarifgebunden. Der mündlich geschlossene Arbeitsvertrag beinhaltete eine regelmäßige Arbeitszeit von 40 Wochenstunden bei einem Grundgehalt von 2.184,84 EUR brutto.

Der Personalleiter des Arbeitgebers hatte im Rahmen des Einstellungsgesprächs jedoch gesagt, dass bei der vereinbarten Vergütung »die ersten 20 Überstunden im Monat mit drin« seien. Ab der 21. Überstunde wurde ein Aufschlag von 25 % gezahlt.
Der Kläger leistete regelmäßig Überstunden, vor allem deshalb, weil er auch in der Mittagszeit im Büro anwesend war, um Kundenanrufe entgegenzunehmen. Nach Ende des Arbeitsverhältnisses machte er mit seiner Klage unter anderem Überstundenvergütung auch für die jeweils ersten 20 Überstunden im Monat geltend.

Zudem führte er an, die vereinbarte Vergütung sei sittenwidrig, weil sie zwei Drittel des üblichen Tarifentgelts unterschreite. Heranzuziehen sei der Entgeltrahmentarifvertrag für die bayerische Metall- und Elektroindustrie vom 1. November 2005 (im Folgenden: ERA-TV), in dessen Entgeltgruppe 9-er einzugruppieren wäre. Die Lohnnachforderung des Klägers belief sich auf insgesamt 18.177,65 Euro brutto nebst Zinsen. Nachdem das ArbG die Klage abwies und das LAG die Berufung zurückwies, legte der Kläger Revision ein.

Wie hat das Bundesarbeitsgericht entschieden?


Das BAG wies die Revision des Klägers zurück. Zwischen dem Kläger und der Beklagten ist nach Ansicht des BAG ein wirksamer mündlicher Arbeitsvertrag zustande gekommen, wie er nach den verbindlichen Feststellungen des LAG im Angestelltenbereich üblich war.

Obwohl nur mündlich vereinbart, stellt auch die Klausel, dass die ersten 20 Überstunden mit dem Grundgehalt abgegolten wären, eine allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB dar, die der üblichen Kontrolle nach §§ 305 ff BGB unterliegt. Denn auch allgemeine Geschäftsbedingungen müssen nicht schriftlich fixiert sein, wie sich aus § 305 Abs. 1 Satz 2 BGB ergibt.

Auch eine mündliche oder durch betriebliche Übung begründete Vertragsbedingung, die der Arbeitgeber für eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen verwendet, ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung, so das BAG. Es genügt, dass die Klausel von der Beklagten für eine Vielzahl von Arbeitsverträgen vorformuliert ist, gleichsam »im Kopf des Personalleiters gespeichert« sei den Arbeitnehmern einseitig bei Abschluss des mündlichen Arbeitsvertrags gestellt werde.

Die Abrede, dass 20 Überstunden »mit drin« seien, sei allerdings nicht ungewöhnlich und überraschend im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB. Sie sei auch nicht mangels Klarheit und Transparenz nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, da sie ohne Weiteres verständlich sei. Es sei für den Arbeitnehmer unmissverständlich klar geworden, dass er für die vereinbarte Vergütung ggf. bis zu 20 Überstunden monatlich ohne zusätzliches Entgelt zu erbringen habe.

Einer – weitergehenden – Inhaltskontrolle unterliege die im Ergebnis wirksame Abrede nach § 307 Abs. 3 BGB nicht, da es sich um eine Hauptleistungsabrede handelt, die nur die Gegenleistung des Arbeitgebers für die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung betrifft. Sie betrifft die (Mit-)Vergütung der Überstunden, ohne zugleich die Anordnungsbefugnis des Arbeitgebers zur Ableistung von Überstunden zu regeln, so dass dadurch Rechte des Klägers nicht eingeschränkt werden.

Der Kläger hat weiterhin keinen Anspruch auf eine an Entgeltgruppe 9 des ERA-TV angelehnte Vergütung, da er weder hinreichend vorgetragen hat, der Arbeitgeber habe im Sinne von Lohnwucher seine Unerfahrenheit oder eine Zwangslage ausgenutzt (§ 138 Abs. 2 BGB), noch sich seine Vergütungsvereinbarung als sittenwidrig niedrig darstellt. Zudem hat er nicht vorgetragen, warum er hinreichend qualifiziert im Sinne der Entgeltgruppe 9 ERA-TV ist.

Auswirkungen der Entscheidung auf die Praxis:

Die Entscheidung muss Laien und Juristen gleichermaßen verblüffen. Allgemeine Geschäftsbedingungen betreffen nach landläufiger Meinung das Kleingedruckte in Verträgen und müssten daher bereits aus diesem Grunde „gedruckt“ sein. Dass dem nicht so ist, hat bereits das OLG Celle in einer Entscheidung aus dem Jahre 1999 (22 U 106/98) erkannt. Der Grund ist einfach. Da das Gesetz keine Schriftform für Verträge vorschreibt, können alle Vertragsbestandteile und damit auch AGBs mündlich vereinbart werden. Ob es sich dabei um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, ist daher nach den gesetzlichen Kriterien zu bewerten. AGBs sind aber nur so weit an den gesetzlichen Voraussetzungen des BGBs überprüfbar, wie es sich um Nebenpflichten des Vertrags handelt. Obwohl es sich nach allgemeinen Kriterien um eine AGB handelt, war die Vergütungsregelung im vorliegenden Fall vom Senat nicht nach den AGB Regeln überprüfbar. Weil es sich um die Vergütung für eine Arbeitsleistung und damit um die Hauptpflicht des Vertrags handelt, unterliegt diese nur den allgemeinen Regeln über die Vertragsfreiheit. Der allgemeine Verzicht auf Überstundenvergütung war vom BAG in früheren Entscheidungen bereits deshalb für unwirksam erklärt worden, weil sie gegen das Transparenzgebot verstößt.

Bedeutung wird die Entscheidung aber für die Überprüfung von betrieblichen Übungen erlangen. Nach der Übernahme der Regelungen des AGB in das BGB und der grundsätzlichen Anwendbarkeit auf das Arbeitsverhältnis, sind auch solche Praktiken überprüfbar, die bislang in Betrieben nach dem Motto „das haben wir immer schon so gemacht“ einseitig vom Arbeitgeber vollzogen wurden.

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16.05.2012, 5 AZR 331/11