Wegen der Kurzarbeit konnte der Arbeitgeber nicht damit argumentieren, das ausfallende Arbeitsvolumen nicht kompensieren zu können
© Adobe Stock - Von Hiko
Wegen der Kurzarbeit konnte der Arbeitgeber nicht damit argumentieren, das ausfallende Arbeitsvolumen nicht kompensieren zu können © Adobe Stock - Von Hiko

Das beklagte Unternehmen stellt Feder- und Spaltbänder aus rostfreiem Edelstahl her.

Der Kläger ist im Bereich Instandhaltung als Techniker und Teamlei­ter Elektro eingesetzt. In seiner Abteilung sind neben ihm drei weitere Betriebselektriker beschäftigt.

 

Tarifverträge für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen gelten

 

Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft eines Haus-Anerkennungstarifvertrages die Regelungen der Tarifverträge für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens Anwendung. Nach dem Tarifvertrag Tarifliches Zusatzgeld (TV T-ZUG) können die Beschäftigten unter Verzicht auf einen Teil des Zusatzgeldes Freistellungstage verlangen (§ 25 Manteltarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie NRW).

 

Der Kläger hat von diesem Anspruch auf Freistellung Gebrauch gemacht und innerhalb der Frist einen Antrag gestellt. Bis Ende Oktober 2022, dem Ende der Antragsfrist, wurden im Betrieb zehn Anträge gestellt. Aus der Abteilung des Klägers stammte noch ein weiterer Antrag, der genehmigt wurde.

 

Erörterungen mit dem Betriebsrat ohne Einigung

 

Der Arbeitgeber leitete mit dem Betriebsrat im Dezember 2022 den vorgesehenen Erörterungsprozess ein und führte im Januar 2023 das erste Gespräch. Es kam zu keiner Einigung, woraufhin der Arbeitgeber die Entscheidung über den Umfang der Kompensation allein traf.

 

Die Antwort an den Kläger lautete:

Leider müssen wir Ihnen heute mitteilen, dass wir diesen Antrag für 2023 nicht genehmigen können. Zwar erfüllen Sie die formalen und persönlichen Voraussetzungen, allerdings kann das durch Ihre Abwesenheit ausfallende Arbeitsvolumen betrieblich nicht ausgeglichen werden.

 

Kurzarbeit eingeführt von Februar bis Dezember 2023

 

Bereits ab Dezember 2022 verhandelte das Unternehmen mit dem Betriebsrat über die Einführung von Kurzarbeit. Mitte Januar 2023 wurde eine „Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit" abgeschlossen, mit der Kurzarbeit vom 01.02.2023 bis zum 31.12.2023 eingeführt wurde.

Der Arbeitgeber meldete dann auch direkt zu Februar für alle Produktionsabteilungen einschließlich der Qualitätssicherung Kurzarbeit an. Dabei waren ursprünglich für den ge­samten gewerblichen Bereich rund 40 % Arbeitsausfall geplant. Im Februar 2023 lag dieser aufgrund eines überdurchschnittlich hohen Krankenstandes dann letztlich abteilungsübergreifend bei rund 20 % bis 25 %.

 

Für den Kläger sind im Februar 2023 drei Arbeitstage, im März drei Arbeitstage und im April ein Arbeitstag aufgrund von Kurzarbeit ausgefallen. Für die übrigen drei Betriebselektriker zusammen sind im Februar 2023 insgesamt vierzehn Arbeitstage aufgrund von Kurzarbeit ausgefallen, im März 2023 insgesamt elf und im April 2023 weitere zwei.

 

Klage beim Arbeitsgericht Iserlohn auf acht Freistellungstage

 

Für den Kläger war schon aufgrund der eingeführten Kurzarbeit nicht ersichtlich, warum die beantragten Freistellungstage betriebsintern nicht kompensiert werden könnten. Warum Urlaubszeiten eine Rolle spielen sollten, war ebenso unklar. Denn deren Umfang steht fest und ist in den allgemeinen Personalschlüssel eingestellt. Sollte es an einzelnen Tagen ein Problem geben, würde allein dies den Arbeitgeber nicht berechtigen, den Freistellungsantrag insgesamt abzuweisen.

 

Das sah auch das Arbeitsgericht Iserlohn so und gab der Klage statt.

 

Die Anordnung von Kurzarbeit stelle selbstverständlich keine Kompensationsmöglichkeit im Sinne des Tarifvertrages dar. Soweit sei dem beklagten Unternehmen zuzustimmen. Hier folgt das große Aber der Richter:innen: Einer Möglichkeit zur Kompensation bedürfe es erst gar nicht, wenn sicher sei, dass das zu bewältigende Arbeitsvolumen in dem Jahr, in dem die zusätzlichen freien Tage genommen werden sollen, sinke und deutlich unter 100% liege.

 

Freistellungstage auch ohne Kompensationsmöglichkeit zu realisieren

 

Stehe also im folgenden Jahr ohnehin weniger Arbeit an, seien die Freistellungstage auch ohne Kompensationsmöglichkeit zu realisieren. Denn jedenfalls im Volumen von acht Arbeitstagen bestehe in dem Fall prognostisch überhaupt kein Arbeitsbedarf.

 

Im Übrigen sehe das Instrument der Kurzarbeit gerade vor, Freistellungsmöglichkeiten etwa über den Abbau von Gutstunden auszuschöpfen.

 

Sollten einzelne, konkrete Tage aus betrieblichen Gründen schwer zu realisieren sein, sehe der Tarifvertrag eine Abwägung mit den Wünschen der Arbeitnehmer:innen vor. Die Schwierigkeit, einzelne Tage zu realisieren, gebe dem Arbeitgeber aber nicht das Recht den Freistellungsanspruch insgesamt abzulehnen.

 

Funktion als Teamleiter steht nicht entgegen

 

Das beklagte Unternehmen hatte auch angeführt, der Kläger sei als Teamleiter nicht zu ersetzen. Damit könne sie nicht gehört werden, so das Arbeitsgericht. Auch während Urlaubs- und Krankheitszeiten sei es gelungen, die Arbeitskraft des Klägers zu ersetzen. Anhaltspunkte dafür, warum eine Ersatzmöglichkeit nicht auch für acht weitere Tage im Jahr bestehe, gebe es nicht. 

Rechtliche Grundlagen

Die Voraussetzungen der tariflichen Freistellungszeit sind:
• Dreischicht oder Dauernachtschicht seit mindestens drei Jahren sowie fünf Jahre Betriebszugehörigkeit bzw. Wechselschicht seit mindestens fünf Jahren sowie sieben Jahre Betriebszugehörigkeit oder
• Kind unter acht Jahren im Haushalt und zwei Jahre Betriebszugehörigkeit oder
• häusliche Pflege eines Angehörigen (Eltern, Schwiegereltern, Kinder, Partner), der mindestens Pflegegrad 1 hat, sowie mindestens zwei Jahre Betriebszugehörigkeit.

Wenn der Arbeitgeber das ausfallende Arbeitsvolumen nicht mit der entsprechenden Qualifikation ausgleichen kann, muss er mit dem Betriebsrat Gespräche über Lösungen aufnehmen. Erst wenn die Betriebsparteien bis zum 31. Dezember keine Lösung erzielen können, darf der Arbeitgeber Anträge ablehnen.